Re: [ox] Anmerkung zur Sprachdebatte 1
- From: PILCH Hartmut <phm a2e.de>
- Date: Tue, 10 Oct 2000 10:34:21 +0200 (CEST)
Was bitte ist eine Allmende?
Ein besitzerloses oeffentliches System, das von allen gemeinsam genutzt
und gepflegt wird.
Bekannt ist die "Allmendentragoedie" (tragedy of the commons), derzufolge
oeffentliches Weideland verwahrlost, weil die einzelnen Teilnehmer
jeweils ein Interesse daran haben, es leerzugrasen, und sich nicht auf
gemeinsame Handlungsnormen verstaendigen koennen.
Die Welt der Information ist auch eine Allmende, da sie nicht ernsthaft in
Besitz genommen werden kann. Sie ist naturrechtlich gesehen ein Bereich
des Gemeineigentums, waehrend Weideland sich eher noch fuer das
Privateigentum eignet. Deshalb ist es sehr fraglich, ob es eine
"Tragoedie der Digitalen Allmende" gibt. Viele Leute, die von einer
solchen Tragoedie sprechen, wollen damit fuer staerkere Privatisierung
argumentieren. Solche Privatisierung fuehrt aber im Bereich der
Informationsallmende oft erst gerade die "Allmendentragoedie" herbei. Sie
gibt den Eigentuemern moeglicherweise dort kuenstliche Einzaeunungsrechte,
wo gar keine Abgrasung zu befuerchten steht.
Allerdings haengt das Wohl einer informationellen Allmende durchaus stark
von Normen ab und erfordert bei den Teilnehmern gewisse moralische
Qualitaeten. Bekanntlich routet das Netz um Stoerungen/Abgrasungen herum.
D.h. wenn Privatisierungsversuche und Zensur heute irgendwo die
Kommunikation stoeren, wird sie moeglicherweise morgen einfach woanders
stattfinden. Es wird staendig entruempelt. So auch die Sprache. Die
Einfuehrung unverdauter Modewoerter ist ebenso wie die Einfuehrung
proprietaerer Kommunikationsnormen eine Art Privatisierungsversuch.
Entruempelung muss nicht klappen, hat aber eine Chance und kommt dann
schnell vorwaerts, wenn ein entsprechendes kommunikationsethisches
Bewusstsein vorhanden ist.
-phm
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