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[ox] Re: Softwarepatentkonferenz



-----Forwarded message from siegfried piotrowski.de-----
Resent-From: swpat ffii.org

In Antwort auf Zyka Lauer (Berichte von der Berliner Konferenz?) 
ein Schnipsel von swpat.ffii.org (Telepolisartikel inkl Kommentar).

Mehr ua unter 
http://www.sicherheit-im-internet.de/showdoc.php3?doc=bmwi_theme_doc_2000958745985&page=1
http://swpat.ffii.org/penmi/bmwi-20000518/indexde.html     

Gruesse Holger
 
"Streit um Softwarepatente erreicht die deutsche Politik
Karsten Schmoeckewitz   22.05.2000  (Telepolis)

Die Einführung eines Patentschutzes für Algorithmen gefährdet
Open-Source-Projekte 
 
Auch in Europa sollen Softwareprogramme bald patentfähig werden, doch gerade
der Open-Source-Szene könnte damit das Aus drohen. 

Bekanntlich gibt es in EU bereits eine hohe Zahl von Softwarepatenten.
Nur steht diese Tatsache im Widerspruch zum EPUe, das deshalb von der
bald geaendert werden soll.

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht seine Ziele zur Förderung der
Sicherheit im Internet durch Freie Software dadurch in Gefahr geraten.
 
Das Bundeswirtschaftsministerium hält Open-Source-Software wegen ihrer
Überprüfbarkeit auf Hintertüren oder sonstige Bugs für ein "wichtiges
Element im Rahmen einer sicheren Informationstechnologie" und fördert
seit Herbst die Entwicklung von GnuPG aus der Bundeskasse
Bundesregierung fördert Open Source). Gerade die "Störungen der
Datennetze" in den letzten Wochen wie etwa durch die Attacke des
Liebesvirus hätten die Bedeutung "sicherer" Softwareprodukte
unterstrichen.
 
Noch bedienen sich Behörden in Bund und Ländern allerdings weiterhin
vor allem aus dem "Select-Vertrag" mit Microsoft, der verbilligte
Windowslizenzen für deutsche Amtsstuben bereitstellt. Ob die bis
Frühjahr 2001 laufende Vereinbarung allerdings auch nach dem Wüten des
Love Bugs im Innenministerium verlängert wird, ist fraglich. 

Ueber diesen Vertrag wuesste ich gerne mehr.  Gibt es wirklich einen
bundesweit einheitlichen Vertrag mit MS?

Selbst Bundesinnenminister Otto Schily kamen nach der Virenattacke
schließlich Bedenken, ob die MS-Monostrukturen wirklich das Beste für
sein Haus sind.

Die Open-Source-"Bewegung" im Bundeswirtschaftsministerium macht sich seit
kurzem aber vor allem Sorgen über eine Unterwanderung ihrer Vorhaben durch
die von den Patentämtern und der EU-Kommission vorangetriebene
Patentpolitik. Patente sind schließlich ein Killer für die Entstehung von
Freier Software, wie zumindest Richard Stallman nicht müde wird zu warnen.

Richard Stallman spielt hierbei keine grosse Rolle mehr.  Zahlreiche
OpenSource-Lizenzvertraege (z.B. Mozilla Public License) enthalten bereits
hilflos wirkende Schutzklauseln gegen hereingeschmuggelte patentbehaftete
Programmteile.  Gegen ungewollte Patentwidrigkeiten ist auch damit nichts
auszurichten.  Patente bieten bei gemeinschaftlich entwickelter Software
einen Anreiz fuer Beteiligte, das Projekt zu torpedieren.

Einige Projekte sind durch Patente zum Stillstand gekommen.  Bei anderen
kann die Software nicht kommerziell eingesetzt werden, weil die Firmen
sich gegen Patente absichern muessen.

In den USA können Firmen jedoch bereits seit Jahren Software und sogar
allgemeine Geschäftsmethoden patentrechtlich schützen lassen. Europa soll
nach dem Willen zahlreicher Politiker nun nachziehen. Die Pläne werden von
vielen Patentanwälten sowie den Chefs der europäischen Patentämter
befürwortet. Die EU-Kommission wird den Vorschlag zu einer entsprechenden
Richtlinie voraussichtlich im Juli präsentieren. 

In Deutschland wird die Kritik an einer Einführung von Softwarepatenten
derweil lauter. Die Gegner der Pläne der Kommission befürchten eine Ablösung
des eigentlich als Innovationsmotor gedachten Patentrechts von seinen
ursprünglichen Zielen und warnen vor einer Behinderung des Wettbewerbs. Die
Angst vor einer Zunahme an patentgeschützter Software geht in der
Open-Source-Szene um, da die in der Regel in Teamarbeit in ihrer Freizeit an
frei verfügbarer Software schreibenden Programmierer Lizenzen für den
oftmals unvermeidlichen Einbau fremder Codezeilen nicht bezahlen können. Ist
eine Software oder ein Algorithmus daraus nämlich patentgeschützt, können
die Inhaber des Schutzrechts Gebühren für die Nutzung des Codes durch Dritte
verlangen. Das Bundeswirtschaftsministerium lud nun am Donnerstag rund 150
Experten und Programmautoren zu einer Anhörung nach Berlin. 

Waren es wirklich so viele?
 
"Alle Beteiligten sollten uns erst mal sagen, wo der Schuh drückt",
erläuterte Swantje Weber-Cludius, Referentin für Patentpolitik im BWMi, die
Ziele des Treffens. Noch gebe es auf allen Seiten große Unklarheiten rund um
den Sinn und Unsinn von Softwarepatenten. Das Ministerium müsse sich selbst
noch eine Meinung zu dem Sachverhalt bilden. In einer Pressemitteilung warf
das BMWi aber schon mal die Frage auf, ob "Software als 'Grundstruktur' der
neuen globalen Wissensgesellschaften als Allgemeingut - und damit nicht
monopolisierbar - verstanden werden" müsse. 
 
Patentbefreiung für Open Source oder Open Patents License? 
 
Die Entwickler von Open-Source-Software fürchten, dass ihre Arbeit mit der
Einführung der Patentfähigkeit von Computer-Applikationen zum Lauf über ein
Minenfeld wird. "Es ist für einen unabhängigen Programmierer praktisch
unmöglich, alle Patente zu recherchieren, die im Code auftauchen könnten",
berichtete Peter Gerwinski. Der Entwickler aus Essen schätzt, dass
angesichts der im Programmieralltag gängigen Übernahme von fremden
Algorithmen in Applikationen bei 100.000 Zeilen Quelltext bis zu 1000
Patentverletzungen auftreten würden. 

Daniel Riek vom Linux-Verband  LIVE sieht zudem auch die Verbraucher, die
Open-Source-Software einsetzen wollen, vor wachsende Probleme gestellt: das
frei verfügbare GnuPG sei beispielsweise inkompatibel zu dem sich als
Standard im Bereich Verschlüsselungs-Software etablierten  PGP. Das liege
daran, dass PGP patentgeschützte Krypto-Algorithmen verwende, während die
Entwickler von GnuPG die dafür nötigen Lizenzen nicht zahlen könnten. Die
Idee hinter dem Open-Source-Programm sei aber auch gewesen, gerade eine
nicht von Patentansprüchen belastete Software zu kreieren. 

Riek fordert daher, dass in Open-Source-Software grundsätzlich alle
vorhandenen Algorithmen eingebaut werden dürfen, unabhängig von eventuell
bestehenden Patentrechten: "Open Source fördert den Fortschritt viel mehr
als der Patentschutz, da der gesamte Quellcode offengelegt wird und von
jedem weiter verwendet werden kann." 
 
Einen anderen interessanten Weg zur Lösung des Patentdilemmas stellte Robert
Gehring, Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Internet Governance an der TU
Berlin, auf dem Patenttag im BMWi vor. Der Berliner Ansatz greift letztlich
Stallmans Idee vom Copyleft auf, durch die das Copyright letztlich mit den
eigenen Waffen ad absurdum geführt und sichergestellt wird, dass in
Programme, Texte oder andere kreative Werke gegossenes Wissen für die
Allgemeinheit verfügbar bleibt. Gehrings Entwurf einer "Open Patents
License" sieht nun vor, dass Patente, die unter dieser Lizenz stehen, für
kommerzielle Zwecke gegen eine symbolische Gebühr von einem Dollar für
private und öffentliche Zwecke nutzbar sein sollen. Wie bei Stallmans Gnu
Public License soll sich ein Lizenznehmer außerdem dazu verpflichten, jedem
zu gleichen Bedingungen Zugang zu seinen Patenten zu verschaffen. 

Gehrings Konzept ist als ganzes nicht neu.  Sofern an seinem Konzept etwas
neu ist, funktioniert es m.E. nicht. Warum sollte eine Firma ihre Patente
unter die Gehringsche Lizenz stellen?  Was soll die "Schonfrist" bringen?  
Hinzu kommt das alte Problem:  eine Patent verliert seinen Wert als
Tauschware, sobald es fuer OSS-Entwicklung freigegeben wird.

Gehrings Papier wurde nicht im Voraus zur Diskussion gestellt, und auf der
Tagung selbst stiess es bei den OSS-Entwicklern auf kein Interesse.  

Die Realität: Softwarepatente durch die Hintertür 
 
Für Wolfgang Tauchert, Leiter der Abteilung für Datenverarbeitung beim
Deutschen Patent- und Markenamt in München, sind solche Vorschläge weit weg
von der Realität. Er kann sich zwar vorstellen, dass für den
Open-Source-Bereich eventuell andere Anreize und "Prämien" geschaffen werden
als Patente. Insgesamt glaubt er aber, dass sich die deutschen Programmierer
an "die Spielregeln des internationalen Wirtschaftslebens" und damit an
Softwarepatente gewöhnen müssten. Das erfordere schon das Nachkommen von
Verpflichtungen aus dem im Rahmen der Welthandelsorganisation
abgeschlossenen TRIPS-Abkommen, wo "Patentschutz für alle Gebiete der
Technik vorgeschrieben" wird. 

Nicht "wird" sondern "werde".  Ich finde es erschuetternd, dass auch TP
die TRIPS-Luege hier unkritisch wiedergibt.

s. dazu

	http://swpat.ffii.org/penmi/bmwi-20000518/jinvi/eude/

Im Prinzip seien zudem schon heute "programmbezogene Erfindungen
patentfähig, wenn sie einen technischen Beitrag zum Stand der Technik
leisten." Nur "Computerprogrammen als solchen" sei bisher der
Patentschutz ausdrücklich verwehrt.

Die Patentaemter behaupten immer, der Gesetzgeber habe nicht klar
definiert, was unter "Programm als solches" zu verstehen sei und liefern
dann unwahrscheinliche Definitionen wie "Programme im Quellcode" oder
"Programme soweit nicht technisch".  Eine solche Erklaerung sollte TP dem
unbedarften Leser schon liefern.
 
Firmen wie Siemens nutzen diese "Gesetzeslücken" bereits seit längerem "Wir
haben schon vor 15 Jahren die Funktionsweise einer Telekommunikationslage
patentlich schützen lassen", sagt Peter Zedlitz. Der Patentanwalt des
Münchner Konzerns sieht in Algorithmen Lösungen für technische
Problemstellungen. Würden die Verfahrensschritte in der Anpassung von
Software für Anwendungszwecke einzeln aufgeführt, seien diese schon heute
durch Patente zu schützen. Siemens Patentabteilung spuckt fast täglich
Patentanträge aus und gehört damit ähnlich wie IBM zu den Großen im Geschäft
mit dem intellektuellen Eigentum. "90 Prozent unseres Patentschutzes liegen

geistigem Eigentum

auf der Softwareebene", erläutert Zedlitz. "Wenn wir die aufgeben müssten,
könnten wir dicht machen." 

Hat Zedlitz das wirklich gesagt?
Wenn ja, dann meint er die Patentabteilung.
Aber auch das waere eine falsche Behauptung.  Denn niemand redet davon,
Apparate von der Patentierung auszunehmen, deren erfinderischer Teil in
der Schaltung liegt.  Es geht nur um die "Programme als solche".

Sind Amerikanische Verhältnisse noch zu vermeiden? 

In den USA steigt die Zahl der Patentanmeldungen bereits in
schwindelerregende Höhen. "1999 wurden 20.000 Patente vergeben", sagt Greg
Aharonian, ein Informatiker und Patentprüfer aus San Francisco, der diese

Aharonian war niemals Patentpruefer.

Entwicklung sorgenvoll beobachtet. Da die Patentämter jenseits des Atlantiks
sich der Flut der Anträge kaum noch erwehren könnten, würden immer mehr
Schutzrechte von "zweifelhafter Qualität" ausgegeben. Firmen nutzten die
Patente dann zum Kampf gegen Konkurrenten: Für 150 Dollar könnten sie einen
Wettbewerber wegen Verstoß gegen das eigene Patent verklagen, auch wenn
dieses zu Unrecht gewährt worden sei. 

Die vor Gericht Zitierten stünden dann vor der Alternative, "Zehn- oder
sogar Hunderttausende von Dollar" zur Widerlegung der Patentansprüche
auszugeben oder zähneknirschend Lizenzgebühren zu bezahlen. "Rund um das
Patentrecht ist eine ganze Industrie entstanden", empört sich Aharonian.
Selbst Versicherungsfirmen würden inzwischen teure Policen gegen
Patentklagen anbieten. 

Auch die bereits seit etwas länger im Geschäft stehenden Internetfirmen
haben inzwischen gelernt, Patente im zeitkritischen E-Commerce-Geschäft
einzusetzen, um der ungeliebten Konkurrenz und vor allem "Frischlingen", die
weder Zeit, Geld, noch die Ressourcen für den Aufbau einer Patentabteilung
haben, Steine in den Weg zu legen. So erhebt Priceline.com beispielsweise
einen Patentanspruch auf sein gesamtes Geschäftsmodell und anderen
Auktionshäuser damit das Leben schwer macht. Wellen schlug zudem der Streit
Amazon.com versus BarnesandNobles.com um das "1-Click-Shopping" (Etwas ist
faul mit dem Patentwesen). 

Selbst die Befürworter der Einführung von Softwarepatenten in Europa sind
daher der Auffassung, dass "amerikanische Verhältnisse" zu vermeiden sind.

Die Befuerworter wollen auch eine Ausweitung in Richtung auf
Geschaeftsmethoden.
Laengst hoert man in der Patentszene Weisheiten wie die, dass der
Technikbegriff eigentlich traditionsbedingt sei und angesichts neuer
Entwicklungen nicht aufrecht erhalten werden koenne.
S. auch das im FFII-Positionspapier eingangs zitierte Pamflet.

Soweit werde es auf dem alten Kontinent aber auch nicht kommen, ist
sich Markus Hössle sicher. Der Stuttgarter Patentanwalt hält das
amerikanische Patentrecht für "veraltet", da ihm das bei europäischen
Patentämtern obligatorische Einspruchsverfahren fehle.

Dafuer gibt es in den USA eine relativ unbuerokratische Neupruefung
(reexamination), und Patentansprueche werden im Zweifelsfall auf den von
den Ausfuehrungsbeispielen abgedeckten Bereich eingeengt.  In Europa wird
so lange der gesamte Anspruchsbereich in seiner schmerzhaften Abstraktheit
aufrecht erhalten, wie der Gegner keine neuheitsschaedigenden
Entgegenhaltungen vorgewiesen hat.  Dadurch werden viele amerikanische
und japanische Patente erst in Europa zu echten Killern.

Zudem müsste in Europa jedes angemeldete Patent auch veröffentlicht
werden, um den "Stand der Technik" allen Interessierten zu
demonstrieren. Das sei in den USA nicht immer der Fall."

Ist der TP-Artikel wirklich hier zu Ende.

-phm
 




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