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[ox] Windows auf der Überholspur



Open Source: Windows auf der Überholspur 

Kommentar, 23.05.2000

Der Siegeszug von Open Source Software ist mittlerweile unaufhaltsam.
Ungeahnten Schub erhielt dieses Phänomen im Wonnemonat Mai ausgerechnet
dort, wo man es am wenigsten erwartet hätte: in der Windows-Welt, die in
puncto Innovationsfreudigkeit regelmässig unterschätzt wird. 

Allen Erfolgen zum Trotz mag nicht nur Linux-Schöpfer Linus Torvalds
darob recht neidisch geworden sein. Denn Linux, an dem Tausende von
Programmierern jahrelang gearbeitet hatten, wurde nun, zumindest von den
reinen Installationszahlen her, von einem simplen VB-Script binnen
Stunden weltweit gleich mehrfach überrundet. Einfach so, und ohne jede
Vorwarnung. 

Das Ereignis in der Windows-Welt vollzog sich ohne all die Mühen, die
ein Anwender bei Linux regelmässig auf sich nehmen muss: Ohne
Neukompilieren des Kernels, ohne Nachinstallation zusätzlicher Packages
und ohne zeitraubende Netzwerk-Konfiguration installierte sich dieses
Skript ganz einfach selbst - ganz leicht, und sogar vom ungeübtesten
Anwender mit einem einzigen Mausklick zu bewerkstelligen. 

Die buchstäbliche Windows-Benutzerfreundlichkeit setzte auch hier wieder
einmal Maßstäbe: keine Manual-Seiten, die der Anwender vorher lesen
musste, und keine Administrator-Privilegien, die er brauchte, und ohne
die bei Linux oftmals wirklich gar nichts geht. 

Und dennoch: Das VB-Script war ausgereifte Open Source Software, wie sie
im Buche steht. 

"love-letter-for-you.txt.vbs" war ein Programm, wie es Richard Stallman
immer gefordert hatte: mit Quelltext, ohne Lizenzgebühren und ohne eine
Software-Firma, die vor dem Kadi dafür stritt, dass Anwender das Produkt
zwar benutzen, aber nicht abändern oder weiterverbreiten durften. Im
Gegenteil, in bester Open Source Tradition hat inzwischen eine Reihe von
begnadeten VB-Script-Programmierern die Gunst der Stunde genutzt, um
auch den Rest der Welt mit ihrem Können zu beglücken: Gemäss der Maxime
"build on top of others" sorgten sie binnen kürzester Zeit für eine
Weiterentwicklung dieses atemberaubenden Programms. 

Beta-Tester hierfür gibt es ebenfalls in täglich steigender Anzahl,
wobei die Programmierer die Mitwirkungspflichten dieser Tester
rücksichtsvollerweise der Zielgruppe angepasst und auf ein Minimum
reduziert haben. 

Natürlich orientiert man sich ganz konsequent an dem bewährten Prinzip
der Open Source Bewegung: "release early, release often". 

Dieses altruistische Verhalten, das man sonst eher Linux-Enthusiasten
zutraut, findet nun sein Pendant in der Windows-Szene und zeugt vom
Schwinden kultureller Barrieren zwischen den Anhängern beider
Betriebssystem-Welten. 

Notwendig war derart einfach zu installierende Open Source Software für
Windows eigentlich schon lange, vor allem, wenn man sich die Entwicklung
der PC-Betreuer-Szene vor Augen hält, deren Überforderung durch Open
Source Programme alten Stils es in jedem Fall zu vermeiden gilt. Ein
Blick in verschiedene IT-Abteilungen zeigt nicht selten, dass Charaktere
wie Medienstar Zlatko mittlerweile zu den heimlichen Vorbildern des
einen oder anderen PC-Administrators avanciert sind: 

"Manuals? Ach, das Gelaber!" Dass Lesen bildet, ist schliesslich einer
dieser elitären Irrwege. Da klick ich mir doch lieber einen. 

Damit bleibt in der Diktion Zlatkos eigentlich nur noch eines
hinzuzufügen: Windows, ich vermiss dich wie die Hölle!  

Eitel Dignatz

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