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[ox] zu den Perspektiven der OS



Das Afrika Beispiel bringt es mit sich, daß ich 
wieder einmal einen Versuch mache, auf die 
Möglichkeit und Problematik der freien Assoziation
geistiger Arbeit hinzuweisen. Der Text ist wieder einmal
von Ulrich Sigor, ich bin lediglich für die Zwischentitel
verantwortlich. Vielleicht klarer als das letzte Mal.
Eigentlich wollte ich ihn als Reaktion gegen die Unzuläng-
lichkeiten des "Manifests gegen die Arbeit" und die noch viel
unzulänglichere Huisken-Kritik in der Krisis-Liste posten,
aber hier paßt er wohl auch hin.

Das Um und Auf der Assoziation von Arbeit ist die gemeinsame
Entwurfssprache.

Franz Nahrada
------------------------------------ 
Globally Integrated Village Environment
Research Lab on Life in The Global Village
Jedleseer Strasse 75  A-1210 Vienna
Austria 
Tel. [PHONE NUMBER REMOVED] 
Fax [PHONE NUMBER REMOVED] - 8
email: f.nahrada magnet.at
web: www.give.at/give
------------------------------------

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1. Das Verhältnis von Informationstechnik und Arbeit

In der Kulturgeschichte der Menschheit spielt die Entwicklung von Sprache
und Werkzeug eine entscheidende Rolle. In der spezielleren Geschichte der
Arbeit spielt nun Informationstechnik etwa dieselbe Rolle, wie die Sprache
für die ganze Entwicklung:

Informationstechnik objektiviert Kopfarbeit als wirtschaftliche Leistung.
Sie bietet die Ausdrucks-und Verkehrsmittel, ermöglicht und erweitert
Kooperationsfähigkeit, Arbeitsteiligkeit und freie Tauschfähigkeit.

Klassisches Werkzeug bringt uns höchst vereinfacht gesprochen die Kultur
der Automation physischer Arbeit und politisch richtig verstanden einen
wesentlichen Beitrag der Humanisierung von Reproduktion und Entwicklung
unserer Lebensverhältnisse.

Automation ist bereits über ihre Einrichtung mit Kopfarbeit verbunden, und
zwar mit ihrem Fortschreiten zunehmend aufwendig. Der frühe
Industrialisierungsprozeß ist als Automationsprozeß aber noch sehr grob,
der Arbeitsmarktaspekt ist einseitig eliminativ; doch genau diese Sicht
erhält sich auch für die weitere Entwicklung und das Wesentliche wird
übersehen.

2. Transformation, nicht Ende der Arbeit!

Unter Gesichtpunkten wirtschaftlicher Verhältnisse setzt Automation zwar
sukzessive Routine-Arbeit frei - sie ist aber geeignet, eine sehr viel
größere Menge von kreativ produktiver Arbeit wieder zu binden; das wäre
auch sinngemäß, weil steigende Komplexität der Lebenswelt mit einer immer
differenzierteren Durchgestaltung ihrer Bewältigungsschemata zu
beantworten ist. 

Wachstum dieser Art ist beliebig weit gesellschaftlich sinnvoll
definierbar.Aufwand, inhaltlicher Nutzen und Effizienzstand der
Technologieentwicklung sind bei einer politischen Entscheidung über
weiteres Wachstum immer wieder abzuwägen. Die Bilanz hinzugewonnener
menschlicher Handlungsfreiheit ist das Kriterium.

3. Automation als Revolution:

Automation führt zu einem Wertverfall der Erzeugnisse sowie bei den
Produktionsvoraussetzungen selbst und damit auch zu einem Wertverfall der
Bedingungen bzw.Produktionsmittel, die Kopfarbeit möglich und sinnvoll
machen. Damit bringt Automation idealerweise (unter Absehung von realen
Machtverhältnissen) eine zwanglose Defacto-Vergesellschaftung von
Produktionsmitteln, i.S. freier Verfügbarkeit, und damit eine Vergrößerung
der Autonomie der Produktivkraft, eine Unabhängigkeit ihrer Verwertbarkeit
vom Kapital.

Die Förderung der historischen Synchronisation der Entwicklungstände von
Kopfarbeit und Automation führte also vorausschauend zu einem dramatischen
Verfall der Bedeutung von Investition - gemessen an Drang und
Selbstverständnis des Kapitals. Formelhaft gesagt: Produktivkraft besteht
immer umfänglicher aus lebendiger Arbeit und Kapital wird gleichsam
arbeitslos.

(Das ist aber ohne eine gesellschaftliche Transformation allergrößten
Ausmaßes nicht zu haben, und Kapital "wehrt" sich auch mit allen zur
Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Perspektive. Dies und nicht mehr
Produktivkraftentwicklung ist derzeit der Sinn von Investitionen)

4. Der neue Gegensatz von Kultur und Wirtschaft

Wir kennen alle die Wendung "Ohne Investition keine neuen Arbeitsplätze".
Und wir werden jedesmal aufs neue hochgenommen, indem wir uns das als
einen Sachzwang auftischen lassen. Niemand ist bisher auf die Idee
gekommen, oder äußert öffentlich den Verdacht, daß es sich bei diesem
Spruch um eine Drohung handeln mag.

Potentiell arbeitsloses bzw. brachliegendes Kapital droht uns. Aber womit?
Es droht uns mit Tohuwabohu. Es sucht Gelegenheiten, diejenigen Strukturen
rechtzeitig zu blockieren oder zu zerstören, die emanzipierte Arbeit noch
nicht einmal richtig als nötige Infrastruktur ihrer Tausch- und
Kooperationsprozesse erkannt hat.

Tohuwabohu ist auch schon lange bewährtes taktisches Instrument innerhalb
konventioneller Produk-tion und Überproduktion von Überflüssigem: je
tausend Farben und tausend Formen in tausend verschiedenen Verpackungen
für eine einzige, meist kaum bewährte Funktion. Der Fachbegriff heißt
Absatzförderung; die herrschende Politik spielt dazu das gewählte
Marken-Thing.

Kopfarbeitskraft ist, wenn man so will, der ärgste Konkurrent des
Kapitals; sie ist aber aufgrund der ihr eigenen Lebendigkeit und
Flexibilität, des ihr eigenen immer neuen Konkretisierungserfordernisses
äußert anfällig gegenüber Irritationen und Tohuwabohu. Wir sollten die
Drohung also ernst nehmen.

Überflüssigkeit, Redundanz hat einen prädestinierten Lebensraum und zwar
als Störeffekt innerhalb derselben Verhältnisse einer
"Informationsgesellschaft", die Kopfarbeit und Automation benötigen.

5. Die Strategie der Software - Mogule, oder: warum die dritte Welle zur
stehenden Welle geworden ist.

Wo die Arbeit "unseres" Kapitals früher in der Bereitstellung der
Produktionsmittel noch eine lohnenswerte Sache war, ist hier nichts
(mehr) zu holen. (die PM sind relativ billig geworden, mit
Computerproduktion alleine läßt sich kein Geld mehr verdienen). Der
lebendigen Arbeit das Feld abzutreten, bedeutet Kapitulation, die man sich
nicht leisten will. Die Lösung ist, ihr das Feld wohl kontrolliert zu
überlassen und kräftig Zehnten einzutreiben.

Was Kapital rechtzeitig sich ergattern muß, ist Terrain, abstrakter
Grund, für die Medienmacht. Hier kann wieder effektvoll investiert werden.
Ins Medium als solches und ins Mitpokern, um die Tarife hochzutreiben. Wer
Marketingausgaben in angemessener Höhe verweigert, wer seinen Zoll nicht
entrichtet, wird mit Überflüssigkeit weggespült. Die ist einfach und
arbeitsfrei zu erzeugen.

Die Informationsgesellschaft bringt eine neue Produktionsweise und neue
Produktionsverhältnisse nach dem Kapitalismus; er geht über in einen
Medienfeudalismus. Dieser wird zunehmend hinderlich für die Entfaltung
lebendiger Arbeit.


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http://www.oekonux.de/



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