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Re: [ox] Fwd: [Detlef Borchers] [WOS] Raymonds Reichtum



Hallo Oekonux'ler!

...melde mich zurück aus dem Off. Ich hatte zwar in der Vergangenheit
keine Zeit mehr, aktiv an der Mailingliste teilzunehmen, habe die
Debatte aber ein bisschen verfolgt.

Mir brennt eine Frage unter den Nägeln: 

Die Meldungen vom internationalen Börsenparkett haben sicher nicht nur
mich aufhorchen lassen. Da kommt Raymonds erschöpfender
Erfahrungsbericht über seinen plötzlichen Reichtum in dieser
Mailingliste gerade richtig...

Vorgestern lief die Nachricht über den Ticker, dass Linux "die Fantasie
der Investoren beflügelt" und die Aktien aller Unternehmen, die nur im
entferntesten was mit Linux zu tun haben, auf ungeahnte Höhen treibt.
Die Aktien von VA Linux Systems (Raymond's Baby) sind am ersten
Handelstag, am Donnerstag, um das Achtfache von 30 Dollar auf 239,25
Dollar (Tageshoch: 320 Dollar) gestiegen. Die "Berliner Zeitung"
schreibt: "Damit hat das Unternehmen die beste Performance aller
Börsendebütanten dieses Jahrzehnts hingelegt". 

Erstaunlich ist diese Entwicklung erst mal nicht. Investoren springen
auf jeden blöden Zug, der nur im geringsten künftige Rendite verheißt,
unabhängig von der tatsächlichen Bilanz des jeweiligen Unternehmens,
zumindest für die Internet-Techonologie ist das richtig. Da zählt
tatsächlich Phantasie, Erwartung, Spekulation in die Zukunft. Der
entscheidende Punkt dabei steckt in der Anmerkung eines Analysten bei
International Data verborgen, der sagt: "...Aber der Markt sucht nach
Alternativen zu Microsoft". Dies wird wohl (möglicherweise nicht ganz zu
unrecht) in Linux vermutet, daher das Fieber. 

Wieso und weshalb Linux an der Börse Phantasien anregt ist kein
Linux-Spezifikum, sondern ein börsentypisches Geschehen. Was ich mich
aber frage, ist, inwiefern dies einen Einfluss wiederum auf die
Produktionsweise von Linux selbst hat (rückwirkend).

Zum Vergleich: Angenommen ein Hersteller wie BASF oder Hoechst verkündet
eine positive Gewinnerwartung oder kündigt eine Umstrukturierung
(Entlassungen) an und gibt zugleich neue Aktien aus. Auch die Kurse
dieser Unternehmen würden ceteris paribus in die Höhe schnellen. Das
Unternehmen hätte damit neues Geld geschöpft und würde es investieren
und der Betrieb ginge weiter, die Lohnarbeiter dieser Unternehmer, also
die Produzenten würden davon in keiner Weise beeinflußt (außer die
Entlassenen, aber das ist eine andere Geschichte). Die Produktionsweise
bliebe unberührt.

Linux aber weckt mittels des Börsengangs nicht nur Phantasien bei den
Investoren, sondern auch bei den Produzenten... Ich weiß, die VA Linux
basiert auch auf normaler Lohn- und Gehaltsarbeit, die Mitarbeiter von
VA Linux habe ich nun auch nicht im Auge, sondern jene Entwickler, die
nicht bei VA Linux angestellt sind, sondern irgendwo an einem Fleckchen
der Erde sitzen und ihren Teil zur Gesamtentwicklung beigetragen haben
und dies nun beobachten und dann denken.....ja, was eigentlich?

Selbst wenn VA Linux, wie ich es der Zeitung entnommen habe, "nur"
Software und Hardware für Linux herstellt, ist es doch auf die
Weiterentwicklung von Linux als Betriebssystem angewiesen. Auch VA Linux
wird auf die Releases von Linux zurückgreifen müssen, die Releases von
Linux selbst aber entstehen gerade durch dezentrale Kooperation, durch
unentgeltliche Arbeit (ich rede jetzt nicht von Support-Geschichten, wie
SUSe oder so), kurz: in der nicht-kommerziellen Sphäre.

Meine Frage ist nun, ob der Boom in der kommerziellen Sphäre ihre eigene
Entstehungs-Voraussetzung, die ja in der nicht-kommerziellen Sphäre
liegt, ad absurdum führt, also zerstört? Ich weiß, das ist eine Frage in
die Zukunft und möglicherweise nicht zu beantworten, aber ich bin nicht
sicher, ob ich recht habe, mit der Annahme, dass der nicht-kommerzielle
Bereich wirklich auch weiterhin eine Entstehungsvoraussetzung für Linux
ist.

Möglicherweise reicht die Entwicklung von Linux, wie es bis jetzt
entwickelt wurde, hin, um es nun in die kommerzielle Welt zu entlassen
und die Art und Weise, wie es einmal entstand, gehört irgendwann als
historische Anektode dem Kapitel "Pionierarbeit", "Vorarbeit, Forschung
und Entwicklung", an. 

Es ist wohl eine technische Antwort, die ich mir hier selbst nicht geben
kann. Ist die Weiterentwicklung von Linux auch WEITERHIN auf ihre
bislang gewohnte Entstehungsart angewiesen? 

Liebe Grüße
Sabine

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