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Re: [ox] Zur Aufhebung und zu "jenseitiger" Produktion



Hi Sabine und alle!

4 days ago Sabine Nuss wrote:
Vor der Überprüfung, ob das Zitat auf Linux passt, wäre es vielleicht
ganz gut, zuvorderst das Zitat selbst zu prüfen...???

;-)

Aber das wichtigste ist doch: Nach Marx kann der Kapitalismus nur
durch eine soziale Bewegung der Aufhebung des Alten bewirkt werden.
Dieses soziale Subjekt muss natuerlich auf objektive Voraussetzungen
treffen, die es befaehigen, diese Aufhebung herbeizufuehren.

Ich finde es ein wenig sehr voraussetzungsreich, Marx-"Vorschläge",
speziell diese hier, auf Linux zu übertragen (versuchen), da erstens
eine größere Marx-Kenntniss sicher nicht bei allen vorausgesetzt werden
kann und selbst wenn sie vorhanden wäre, eine eindeutige Interpretation
sicherlich nicht zu erzielen ist,

Na, also das finde ich jetzt bei dem obigen Zitat nicht so nötig.

Die Frage, die ich spannend fand: Wenn Gnu/Linux die Potenz einer
Aufhebung des Kapitalismus hat - was ich hier bewußt offen lasse -,
wer könnte dann das soziale Subjekt sein, daß diese Aufhebung
befördert? Eine (ganz krude) These könnte ja sein, daß die
Gnu/Linux-EntwicklerInnen dieses konkrete, soziale Subjekt darstellen
- mithin also die Elite der kapitalistischen Gesellschaft!

Die objektiven Voraussetzungen wären nach dieser These dann die
Existenz und die Verbreitung des Internet (in dieser Form sollte ich
anmerken).

ausserdem landen wir dann in einer
tieferen Marx-Debatte. Beispielsweise wurden hier die Frühschriften von
Marx zitiert, gerade von jenen Schriften distanziert er sich später
selbst, das "Wesen des Menschen" gibt es nicht mehr in seinen späteren
Schriften, daher taucht auch der Entfremdungsbegriff im Kapital nicht
mehr in der Form auf, wie sie es in seinen Frühschriften taten.

Also in der Frage nach dem Wesen des Menschen bin ich mit dir sicher
einig: Gibbet et net! Menschen sind immer historisch und kulturell
bestimmt und ein überhistorisches, überkulturelles Wesen ist m.E.
nicht auszumachen.

...aber darum ging's auch m.E. nicht ;-) ...

Kurzum: Ich beziehe mich mit meinen Fragen daher auch nicht darauf "wie
hat Marx das gemeint", sondern darauf, wie ist es hier und heute zu
verstehen?

Äh, versteh' mich nicht miß. Mir geht es nicht darum, die Welt mit
Marx kompatibel zu machen, sondern ich benutze zuweilen das Marx'sche
Instrumentarium um meine Gedanken mit der Welt kompatibel zu machen -
hoffe ich jedenfalls.

Aufhebung heisst uebrigens:

1. Ueberwindung und Zerstoerung dessen, was unbrauchbar geworden ist
2. Aufbewahrung dessen, was in das Neue hineinzunehmen ist
3. das "gute" alte auf neue Stufe heben und transformieren,
gesellschaftlicher Neubeginn in Embryonalform...

Dazu naeheres: "Zerstoerung" heisst nicht, dass dies mit
Menschenschlachterei und Petrollieren verbunden ist, sondern es geht
um Zerstoerung ueberfluessiger Strukturen, wie des Ei, wenn ein Kueken
entschluepft...

Wo ist der aktive Part in dieser Geschichte?

Na, das soziale Subjekt natürlich ;-) .

Zwischen der Endlichkeit des Kapitalismus der gewuenschen
Unendlichkeit des Lebensprozesses der Materie (von der der Mensch der
am weitesten entwickelte Ausdruck ist) besteht also eine
Wechselbeziehung.

"Endlichkeit des Kapitalismus" - es gibt auch Leute, die sagen, der
Kapitalismus ist das Ende der Geschichte,

Na, es hat auch schon viele gegeben, die ein baldiges Ende des
Kapitalismus prognostiziert haben. Denen glaubst du ja auch nicht ;-) .

insofern ist er unendlich -
zumindest solange es Geschichte gibt. Weder das eine noch das andere
können wir mit Bestimmtheit sagen. Wer kann schon in die Zukunft
sehen.

"von der der Mensch der am weitesten entwickelte Ausdruck ist" - das
verstehe ich nicht (in obigem Kontext).

Das ist schon ziemlich Jargon, ja.

Zum Menschsein gehoert Gesellschaftlichkeit - also eine neue und
bessere Gesellschaft muss organisiert werden.

"muss"? Das riecht nach Anordnung, Autorität, Befehl, auf alle Fälle und
im schwächsten Falle normativ. Hm.

Nee, das riecht für mich erst mal nach Not-wendigkeit. Da die "neue
und bessere" Gesellschaft nicht vom Himmel fällt, wird sich jemensch
um deren Organisation kümmern müssen. Und die
Gnu/Linux-EntwicklerInnen machen uns gerade vor, wie diese
Organisation genau ohne das auskommt, was dir in der Nase steckt.

Was waere die Grundlage einer neuen Gesellschaft? Welche Elemente der
alten nehmen wir mit, die spaeter absterben werden, wenn sie nicht
mehr gebraucht werden - also eine Uebergangsloesung darstellen? Und
was waere das Wesen des Neuen?
...
Alles andere klingt sehr nach Gestaltbarkeit: "Welche Elemente der
alten nehmen wir mit, die spaeter absterben werden, wenn sie nicht mehr
gebraucht werden?" - Wer ist es nun, der hier frei entscheiden kann, was
mitgenommen wird

Theoretisch: das soziale Subjekt.

Demokratisch: die Mehrheit.

Konsensorientiert: alle.

und was nicht und vor allem, woraus speist sich sein
Wissen, darüber, was das "richtige" und das "falsche" ist?

Na, aus ihrem ganz konkreten Empfinden, d.h. aus ihren Bedürnissen -
oder eigentlich aus dem Bedürfnis aller.

Naja. Hier wird sicher Widerspruch kommen.

Ich hoffe, es produktiv gemacht zu haben.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan





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