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Re: [ox] Zur Aufhebung und zu "jenseitiger" Produktion



Stefan Merten schrieb:

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Hi!

Hier ein Ausschnitt aus einer Mail aus der Krisis-Liste.

Wichtig ist mir daran die Definition der Aufhebung und das wörtliche
Marx-Zitat. Zu überprüfen wäre in dieser Liste, inwieweit Linux dieses
Zitat erfüllt.

Vor der Überprüfung, ob das Zitat auf Linux passt, wäre es vielleicht
ganz gut, zuvorderst das Zitat selbst zu prüfen...???

Aber das wichtigste ist doch: Nach Marx kann der Kapitalismus nur
durch eine soziale Bewegung der Aufhebung des Alten bewirkt werden.
Dieses soziale Subjekt muss natuerlich auf objektive Voraussetzungen
treffen, die es befaehigen, diese Aufhebung herbeizufuehren.

Ich finde es ein wenig sehr voraussetzungsreich, Marx-"Vorschläge",
speziell diese hier, auf Linux zu übertragen (versuchen), da erstens
eine größere Marx-Kenntniss sicher nicht bei allen vorausgesetzt werden
kann und selbst wenn sie vorhanden wäre, eine eindeutige Interpretation
sicherlich nicht zu erzielen ist, ausserdem landen wir dann in einer
tieferen Marx-Debatte. Beispielsweise wurden hier die Frühschriften von
Marx zitiert, gerade von jenen Schriften distanziert er sich später
selbst, das "Wesen des Menschen" gibt es nicht mehr in seinen späteren
Schriften, daher taucht auch der Entfremdungsbegriff im Kapital nicht
mehr in der Form auf, wie sie es in seinen Frühschriften taten.

Und genau zu dieser Haltung, die ich hier grad wiedergegeben habe, gibt
es auch Gegenmeinungen. Das wäre also eine endlos Diskussion, die wir -
so ungeklärt - nicht auf Linux anwenden können. Oder sollen wir diese
Diskussion führen? Ich will das nicht so abgeklärt wegtun, aber es läuft
auf die Frage hinaus "gibt es ein Wesen des Menschen?": Weil in den
Frühschriften noch impliziert wird, dass es ein dem Menschen gemässes
Produktionssystem gibt (welches u.a. durch die Aufhebung des
Privateigentums erreicht werden würde...), wird damit ja automatisch
gesagt, es gibt ein Wesen des Menschen (sonst könnte ich nicht sagen, es
gibt eine ihm gemässe Produktionsform,...). So. Und diese Frage, "gibt
es ein Wesen des Menschen" ist wirklich nicht zu lösen, nicht empirisch,
nicht philosophisch. Sie führt daher zu nix. Aber daher können auch
Theorien nicht so recht gehaltvoll (in unserem Falle für die Anwendung
auf Linux) sein, die mit dieser Prämisse arbeiten. Wie die
Frühschriften. Blubblubbb...also. Gegenrede? ;-) 

Kurzum: Ich beziehe mich mit meinen Fragen daher auch nicht darauf "wie
hat Marx das gemeint", sondern darauf, wie ist es hier und heute zu
verstehen? 
 
Aufhebung heisst uebrigens:

1. Ueberwindung und Zerstoerung dessen, was unbrauchbar geworden ist
2. Aufbewahrung dessen, was in das Neue hineinzunehmen ist
3. das "gute" alte auf neue Stufe heben und transformieren,
   gesellschaftlicher Neubeginn in Embryonalform...

Dazu naeheres: "Zerstoerung" heisst nicht, dass dies mit
Menschenschlachterei und Petrollieren verbunden ist, sondern es geht
um Zerstoerung ueberfluessiger Strukturen, wie des Ei, wenn ein Kueken
entschluepft...

Wo ist der aktive Part in dieser Geschichte?

Zwischen der Endlichkeit des Kapitalismus der gewuenschen
Unendlichkeit des Lebensprozesses der Materie (von der der Mensch der
am weitesten entwickelte Ausdruck ist) besteht also eine
Wechselbeziehung.

"Endlichkeit des Kapitalismus" - es gibt auch Leute, die sagen, der
Kapitalismus ist das Ende der Geschichte, insofern ist er unendlich -
zumindest solange es Geschichte gibt. Weder das eine noch das andere
können wir mit Bestimmtheit sagen. Wer kann schon in die Zukunft
sehen.   

"von der der Mensch der am weitesten entwickelte Ausdruck ist" - das
verstehe ich nicht (in obigem Kontext).
 
Zum Menschsein gehoert Gesellschaftlichkeit - also eine neue und
bessere Gesellschaft muss organisiert werden.

"muss"? Das riecht nach Anordnung, Autorität, Befehl, auf alle Fälle und
im schwächsten Falle normativ. Hm. 
 
Was waere die Grundlage einer neuen Gesellschaft? Welche Elemente der
alten nehmen wir mit, die spaeter absterben werden, wenn sie nicht
mehr gebraucht werden - also eine Uebergangsloesung darstellen? Und
was waere das Wesen des Neuen?

Wenn wir das mit dem Wesen einfach mal weglassen - ein Wesen des
Menschen zu konstruieren hat stark etwas von einem Glauben an eine
"Natur des Menschen", die aber immer zu Ideologie verführt und es auch
nicht gibt m.A.n. Man kommt auch ohne den Wesensbegriff aus.

Alles andere klingt sehr nach Gestaltbarkeit: "Welche Elemente der
alten nehmen wir mit, die spaeter absterben werden, wenn sie nicht mehr
gebraucht werden?" - Wer ist es nun, der hier frei entscheiden kann, was
mitgenommen wird und was nicht und vor allem, woraus speist sich sein
Wissen, darüber, was das "richtige" und das "falsche" ist? 

Ich finde die Marxschen Gedanken wirklich der Rede wert, so ist es
nicht, aber es ist ein wirklich "weites Feld" und ich finde die
Frühschriften eher literarisch "schön", sehr philosophisch aber Bezüge
auf diese Schriften bleiben romantisch-normativ und latent
moralisierend. 

Naja. Hier wird sicher Widerspruch kommen. 
Sodenn ma los.

Grüße
sabine




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