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[ox] Re: Ehrenamt und Tauschwert



Hi Stefan Mz.!

Zu deinem brauche ich nichts mehr hinzuzufügen - da sind wir uns wohl
einig :-) . (Daß allerdings mein Emacs bei deinem `text/enriched'
momentan mit einem Bug aussteigt, fuchst mich schon gewaltig ;-) .)

BTW: Zu der Debatte auf Joint komme ich auch wieder zurück - bin etwas
zu sehr unter Wasser mit Interessantem momentan :-(-: .

Hi Sabine!

Ich beantworte mal deine letzen beiden Mails in diesem Thread.

6 days ago Sabine Nuss wrote:
Stefan Meretz schrieb:
Inhaltlich umkreisen wir uns noch alle hier in der Liste

...ja, das ist wirklich wahr. Deshalb bin ich immer so beharrlich dabei,
mal zu kl?ären, was nun eigentlich die Frage ist. The one and only.

M.E. haben wir es hier mit einem komplexen, bislang nur schlecht
verstandenen und womöglich unseren derzeitigen Horizont (noch ;-) )
übersteigenden Sachverhalt zu tun - "the one and only" wird's da wohl
nicht geben.

Aber
selbst das ist schwierig. Selbst ?über die Wichtigkeit der Fragen besteht
Uneinigkeit. Daran merkt man, wieviel bereits (vermeintlich) gekl?ärte
Sachverhalte in einer Frage drinstecken, ihr also vorausgesetzt
sind...schwierig...

Die richtigen Fragen zu stellen ist oft eine größere Kunst als die
richtigen Antworten geben...

Insofern find ich schon den bereits
erw?ähnten "Wert" des "Gebrauchs" als prim?ärer Produktionszweck das
charakteristische und wichtige an Linux & Co.

Und das nicht kapitalistische! Ich beton's nochmal, weil es ein
Element des Gedankens ist, daß Gnu/Linux über den Kapitalismus
hinausweisen könnte - aber ich denke, daß es so sein könnte denken wir
mittlerweile alle.

Das ist sehr pragmatisch:
Ich mach was, weil ichs gut finde und weil es mir nutzt. Wenn die Folge
daraus meine Selbstentfaltung ist, beziehungsweise die damit einhergeht,
ist das wunderbar. Wahrscheinlich wird es wohl auch so sein. Demnach ist
der eigentliche Zweck und Antrieb der Leute, die da arbeiten, jener
Gebrauchswert, nicht jener der Selbstentfaltung, den kriegen sie quasi
als gratis-Erfahrung mit, vielleicht deckt sich das auch,

Spannend! In der Tat denke ich, daß sich hier zwei Sachen treffen: Die
Produktion von Gebrauchswert *und* die kreative Selbstentfaltung. Also
ungefähr das, was ein Künstler macht nur mit anschließendem
praktischen Nutzen - vielleicht ähnlich klassischen Handwerkern wenn
sie nicht nur für Lohn arbeiten.

Ich finde das deswegen wichtig, weil ich schon seit langem nach einer
Vorstellung suche, wie gesellschaftlich nützliche produktive Tätigkeit
jenseits des Kapitalismus sich real buchstabiert - diese Form scheint
eine Antwort zu sein!

So, siehst Du, nun habe ich widersprochen. Hm...Stephan Merten merkte
                                                     ^^
Auf das `f' lege ich schon irgendwie Wert ;-) .

schon an, da?ß mein Geschriebenes immer etwas "hart" klinge...aber ich
meine das gar nicht so, wei?ß gar nicht woran das liegt.....soll ich mehr
Smileys machen???

Schon ok. Wir kennen uns ja jetzt auch besser :-) .

:-)

Naja. Ihr werdet mich schon zurecht weisen.

Bisher fand ich das nicht nötig. Und ich finde den Ton der Debatte
**ausgesprochen** angenehm.

4 days ago Sabine Nuss wrote:
Stefan Meretz schrieb:
Dennoch kurz dazu: "...sekund?äre Effekte.
Aber sie sind da, werden gesp?ürt, und es entsteht eine Ahnung von
Power..." - Dies Gef?ühl...das ist doch erst mal eine Wahrnehmung, deren
Konsequenzen verschiedene Richtungen einnehmen
k?önnen...Allgemeinplatz...und um nun ins konkrete zu gehen: wie sich
diese Wahrnehmung niederschl?ägt, welche Richtung sie also einnimmt, das
h?ängt sehr von ihrer konkreten, historischen Wirklichkeit, also von den
gegenw?ärtigen Produktionsbedingungen ab, weil doch das was *ist*, jenes
bestimmt, was kommt und nicht umgedreht, gell....umgedreht m?ü?ßten die
Entwickler auf Basis ihrer Wahrnehmung von "Power" und so, ein
Bewu?ßtsein entwickeln, was sich wiederum auf die Praxis aus?übt...nun
wei?ß ich von den Linux/OS-Entwicklern wirklich zu wenig, aber mein
Eindruck von der Konferenz war nicht dergestalt, dass wir es hier mit
Menschen zu tun haben, die sich ihrer Sache bewu?ßt sind/werden und
solange das nicht so ist, ist diese "Sache" auch nicht
existent...sondern Projektion von Menschen, die es gerne so h?ätten...na,
bi?ßchen durcheinander, nicht?

Ich hatte zur Frage der Notwendigkeit von Bewußtsein für die
Durchsetzung einer Bewegung andernmails schon etwas geschrieben.

Meine Argumente f?ür eine Nicht-Vergleichbarkeit:

...okay. Nochmal....*?Ärmel hochkrempel*

Im Sommer ist das ja leicht ;-) .

1. Linux steht f?ür die Spitze der PK-Entwicklung im toyotistischen Kapitalismus

....erkl?är mal bitte ganz kurz was das genau ist, "toyotistischer
Kapitalismus"?

Ich würde sagen das ist der Kapitalismus in seiner heutigen Form
(`Spätkapitalismus' darf ich vermutlich (noch) nicht sagen? ;-) ).

Der Toyotismus hat wesentlich den Fordismus abgelöst und ist u.a.
durch eine andere Form der Arbeitsorganisation gekennzeichnet (z.B.
Gruppenarbeit und Flexibilisierung anstatt starres Fließband). Schon
dort sind also Elemente zu finden, die uns in der
Gnu/Linux-Entwicklung in reiner und geballter Form wieder begegnen.
Allerdings konnten sie im Kapitalismus eben nur begrenzt umgesetzt
werden. Stefan Mz.: verbessere mich bitte nötigenfalls.

Du sprichst eine Knackfrage an: Kann der Kapitalismus ?Linux? integrieren oder nicht. Hier mu?ß Produkt und
Proze?ß unterschieden werden, sonst gibt?s Konfusion. Ja, auf jeden Fall wird das Produkt Linux geschluckt
oder besser integriert, das sieht man bei der Welle der Linux-Bekundungen der Big-Player (fehlt nur noch M$).
Was verwertbar ist, wird auch verwertet. Daher das sch?öne Bild des Stricks, den der Kapitalist verkauft und
dann daran aufgehangen wird. Anders beim Proze?ß: Die Basar-Produktionsweise kann nicht integriert werden, da
die immanenten Grenzen das nicht zulassen.

Was meinst Du nun mit immanenten Grenzen. Hat nicht Rainer neulich
erz?ählt, es g?äbe schon Wege, in irgendeiner Form zu messen, welcher
Programmierer sich wie sehr an einem Produkt beteiligt hat, ich wei?ß
nicht mehr wie genau, aber wenn schon solche Gedanken im ?Äther
rumschwirren, ...ick h?ör 'se trapsen, die Verwertung.... ;-)

Der Punkt ist nicht die Messung des Tauschwerts - da wäre letzlich
auch irgendeine Phantasiezahl möglich (siehe einen anderen Thread zur
Preisbildung).

Die immanente Grenze wäre vielleicht so zu fassen: Die
Basar-Produktionsweise ist ein fundamentaler Widerspruch zum
kapitalistischen Konkurrenzprinzip. Deswegen ist - zumindest im Kern -
eine Integration in kapitalistische Verwertung nicht möglich.

Ich versuch's mal auf ein anderes Open-Source-Beispiel zu übertragen:
Rezepte. Zwar läßt sich im Randbereich des weltweiten Rezeptwissens
Geld verdienen - mit Kochbüchern. Kochbücher sind dann so etwas wie
Linux-CDs.

Der Kern der Open-Source-Rezepte läßt sich aber nicht kapitalisieren.
Ein kapitalistisches Rezeptwesen sähe dann vermutlich so aus, daß es
einige wenige Rezepte gäbe, die als Betriebsgeheimnis mehr oder
weniger großer Firmen geheim gehalten würden. Als NutzerIn kannst du
vielleicht noch die Zutaten in deinem Essen identifizieren (wie bei
einem Auto) - an das Originalrezept kommst du aber nicht heran.

Kannst du dir vorstellen, wie klein, fad und langweilig eine
kapitalistische kulinarische Welt wäre - ein Graus!! Vermutlich müßten
wir dann noch Werbung für den ungenießbaren Fraß ertragen...

Ist jetzt vielleicht noch etwas holperig, aber ich arbeite - gerade
auf so unbekanntem Terrain halt gerne mit Analogien, die leicht zu
verstehen, nachzuvollziehen und hochzurechnen sind.

Ähm aber noch was zur immanenten Grenze: Die Gnu/Linux-Entwicklung
konnte nur stattfinden, weil eben kein Chef das angeordnet hat und
weil kein Markt das "gefordert" hat (Märkte fordern natürlich nicht,
dewegen die Anführungszeichen). Stefan Mz.s These ist ja gerade, daß
die Basar-Produktionsweise neue Produktivkräfte freisetzt, die sofort
wieder verschwinden, wenn sie unter kapitalistischen Druck gesetzt
werden.

Ich kann das im übrigen nachvollziehen. Auch wenn ich einen Job habe,
der mir schon öfter Spaß macht und wo ich viele Freiheiten habe: Die
Fremdbestimmung und der Zwang in einem bestimmten System funktionieren
zu müssen ist schon spürbar - und das ist was anders, als wenn ich mit
anderen gemeinsam eine Entwicklung um der Sache willen mache. Das
kennen wohl die meisten Leute, die schon mal lohngearbeitet haben.

Das ist vielleicht die wichtigste immanente Grenze, die nicht
überschritten werden kann.

Nat?ürlich werden sie?s versuchen, sogar M$ empfiehlt (siehe Halloween-Papiere), intern ?linuxm?ä?ßig?
vorzugehen und zwischen den Abteilungen den Sourcecode offenzulegen

...ups...da siehst Du. Andersrum wird auch ein Schuh draus. Die
Offenlegung der Quellen wird als Potential erkannt, schlichtes Entdecken
einer modernen Produktionsmethode...

Ja - nur daß sie's nicht tun werden. Selbst wenn sie es nach innen tun
würden, nach außen erst nach der Revolution - und dann als Lachnummer
;-) .

Deine
Grenzen oben!

Also, langsam komme ich dahinter, was Du meinst. Wenn man Linux mal als
kommerzielles Produkt fassen w?ürde und berechnen wollte, wieviel
Personal da beteiligt war/ist, wieviele Arbeitsstunden es gebraucht hat,
wieviele "Filialen" weltweit das Netz bilden, wieviele "Vertriebskosten"
aufgewendet werden mu?ßten und werden...blabla...Linux h?ätte unter rein
marktwirtschaftlichen Aspekten niemals entstehen k?önnen, viel zu teuer!
Meinst Du das? Weil Du die von mir genannten Schranken erw?ähnst...

Wie gesagt ist die Wertbestimmung zwar nicht der Punkt, aber...

Da ist also ein Produkt au?ßerhalb des Marktes entstanden, weil es am
Markt keine Verwirklichungsbedingungen vorfindet...Der Markt quasi als
Schranke f?ür Produktion und Entwicklung...Fesseln abstreifen, wenn es zu
eng wird ????????? Hm....meinst Du ungef?ähr das?

...BINGO!!! Genau das ist es!

Der Bedarf ist da, das Kapital ahnt wo?s lang gehen mu?ß, aber tausende B?ücher zum selben Thema sprechen f?ür
sich: KEINER hat bisher den Stein der Weisen gefunden, und zwar wie der Widerspruch zwischen Selbstentfaltung
und Verwertung aufgehoben werden kann. In ihrer Denke geht das auch nicht.

Gibt es zu einem Thema so viele Ratgeber-B?ücher, weil das Problem nicht
gel?öst werden kann oder weil so viele Leute dieses Problem haben? Du
sagst ersteres, ich letzteres. Vielleicht schlie?ßt das eine das andere
nicht aus.

Daß es viele Ratgeberb?ücher gibt, ist auf jeden Fall ein Beweis
dafür, daß es keine allgemein anerkannte Lehrmeinung zu einem Problem
gibt - so viel scheint klar.

Ob es eine Integration des Prozeßes gibt wissen wir heute nicht. Nach
den immanenten Grenzen sieht es aber so aus, als könnte es nicht
gehen. Ungefähr so, wie die freien Lohnarbeiter, derer der aufkommende
Kapitalismus bedurfte, ein Widerspruch zu den immanenten Grenzen der
Leibeigenschaft waren.

Aber noch zum Stichwortwort Anerkennungs?ökonomie: Das ist ein Wort von Leuten (wie Raymond), die nicht
jenseits von Handel, Tausch und Verkaufen denken k?önnen. Wenn Anerkennung, dann bitte auch ?Ökonomie. Das
Denken jenseits der Verwertung von Kapital ist auch schwer

.........siehst Du. Damit hast Du den eigentlichen Grund, wieso sich nix
schieben wird, selbst genannt. Wer bitte, wer denkt schon jenseits
davon, da?ß an der Kasse vom Supermarkt das Bier bezahlt werden mu?ß, da?ß
das, was man arbeitet, nach Stunden auseinandergerissen oder in Monate
gepfercht abgerechnet und via Lohn- und Gehalt vergolten wird ---- "nach
Leistung", wer denkt schon jenseits von 30 Tagen Urlaub im Jahr, von
Rentenbeitr?ägen und Sozialversicherungen? Und wie soll das auch gehen,
wenn man schon als kleiner Knirps auf die Finger kriegt, weil man das
Hanuta an der Kasse einfach gegriffen hat.

Hier illustrierst du sehr schön das Gewaltverhältnis, das das
Geldsystem im Kern ist.

Und dann h?ör Dir an, wie die
Erkl?ärungen der M?ütter und mitunter V?äter gehen.....da steckt die ganze
Naturnotwendigkeit drin...

(Aristoteles konnte Freiheit nicht denken, >Sklaverei erschien ihm naturgegeben).

Yops. Genau. Sklaverei war damals naturgegeben und das was heute ist,
ist eben heute naturgegeben.

Um das mal klarzustellen: Mit Natur hat das alles nichts zu tun. Immer
handelt es sich um menschliche Kultur, die ja nur historisch gedacht
werden kann.

Ich habe mir mal gemerkt, daß wenn irgendwelche Leute anfangen von
naturnotwendig zu reden, daß dann nur noch pure Ideologie kommt.
Vielleicht gut sichtbar bei unseren "Freunden" von der braunen Seite.

Ich finde, daß das ein sehr wichtiger Punkt ist. Leider ist es immer
wahnsinnig schwer, sich aus einer Dominanzkultur hinauszudenken. So
bin ich z.B. davon überzeugt, daß wir heute strukturell nicht mehr in
der Lage sind, die Denkweise eines mittelalterlichen oder gar antiken
Menschen nachzuvollziehen.

Letzlich spricht dieser Punkt die "zweite Natur" an, zu der der
Kapitalismus mindestens in den Metropolenstaaten wird.



Soviel mal für heute abend. Ich hoffe, ich habe nicht zuviel
durcheinander gelabert.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan





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