Message 00036 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00002 Message: 8/48 L6 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Verschwinden des Staates/Marktes (was: Re: [ox] Re: Vorstellungsrunde)



Hi Sabine!

Danke zunächst für deine ausführliche Antwort :-) .

Ich splitte meine Antwort mal und geb' ihr jeweils ein eigenes
Subject.

Today Sabine Nuss wrote:
....puh...man kommt ja kaum hinterher...:-)

Aber echt! Heute haben wir schon wieder ca. 15, oft lange Mails
produziert - das wird ein Full-Abend-Job...

Gut.

Ja :-) .

Today Oliver Hillmann wrote:
On Sat, 24 Jul 1999, Pit Schultz wrote:
in etwa. der begriff "open" wurde soviel ich weiss von eric raymond,
ins spiel gebracht, seines zeichens waffenfreak und neolibertarian
(sowas wie ein rechter anarchist). "open:good closed:bad" ist ein
Waffenfreak und Neolibertarian sowie 'rechter Anarchist' klingt ja
schröcklich,

Ich habe auch schon gehört, daß er den Libertarians zuzurechnen ist.
Diese Leute bezeichnen sich zwar selbst als AnarchistInnen, aber sie
verfolgen eigentlich nur das urliberale Modell des Nachtwächterstaats,
der alles dem Markt überläßt, bis er sich konsequenterweise auflöst.


...."bis er sich konsequenterweise auflöst". Klingt erst mal nicht
unverlockend, oder? Könnte doch sein. Wißt ihr, wir ackern uns ab,
denken und gübeln und reden und machen und tun und dabei löst sich der
olle Markt sowieso irgendwann auf. Ts! Schön blöd. Würde mich wirklich
interessieren, wie dieses "sich-auflösen" aussehen soll. Schmilzt die
Deutsche Bank weg? ....Nee, mal Ernst: Gibt es eine nähere Erklärung
dieser Idee, oder ist das nur Blablabla ???

Wie du bereits bemerkt hast, soll sich der Staat auflösen. Nun, diese
Theorie ist m.W. ja nun auch bei den Liberalen insgesamt nicht gerade
neu. Allerdings in dieser Extremität wohl nur bei den Neoliberalen und
Libertarians zu finden. Die ganze "Deregulierungs"hysterie ist
vielleicht der bekannteste Ausfluß dieser Ideologie.

Das Problem ist nur, daß genau das im Kapitalismus nie gehen wird -
einen Kapitalismus ohne (i.d.R. bürgerlichen) Staat kann es nach aller
historischer Erfahrung nicht geben. Ganz im Gegenteil ist die
staatliche Organisation gerade dort von Vorteil, wo ein gescheit
funktionierender Kapitalismus erst noch aufgebaut werden soll(te).

Aber auch die KapitalistInnen brauchen eine "über" ihnen stehende,
allgemein anerkannte Instanz, die Rahmenbedingungen und Recht setzt -
ohne vereinheitlichtes Recht kein Markt - ohne Markt kein Kapitalismus
(sag' ich mal so ;-) ). Die Entwicklung in der EU dürfte illustrieren,
was hier gemeint ist.

Das Problem an deren Modell ist also schlicht, daß sie unmögliches
fordern: Die gesamte gesellschaftliche Organisation soll sich per
"invisible hand" durch radikale Freisetzung aller privater Interessen
ergeben - mit Geld, Markt und privaten Wachdiensten. Das klingt für
meine Ohren schon absurd.

Nun fände ich die Abschaffung des Staates natürlich auch eine tolle
Sache. Allerdings erst dann, wenn an seine Stelle einge
gesellschaftliche Bewegung getreten ist, die es schafft, die
hochkomplexe (zumindest da wo es noch nötig scheint) Organisation
aufrechtzuerhalten, zumindest aber nicht im Chaos versinken zu lassen.

Hier läßt sich m.E. ein prima Bogen zu Gnu/Linux schlagen: Dies ist
m.E. eine Form, wie ein gesellschaftliches Bedürfnis ohne staatliche
Struktur und ohne privatwirtschaftliches Vorantreiben sich aufs Beste
verwirklicht. Ähnlichkeiten sind mir da in gewisser Weise zu NGOs wie
Greenpeace oder amnesty international aufgefallen, die auch ein
gesellschaftliches Interesse auf globaler Basis vertreten, ohne daß es
hier um Profitmaximierung geht. (Ich weiß die Strukturen bei
Greenpeace und so - aber ich denke das ist ein Randphänomen.)

Das spannende an Gnu/Linux aber ist, daß es so einen umwerfenden
Erfolg hat. Da sehen die Menschen endlich (mal wieder), wozu sie ohne
die ach so nötigen Staaten und Firmen in der Lage sind. Das ist
vielleicht mit das spannendste an der ganzen Entwicklung: Das die
Menschen ihre (revolutionäre) Kraft spüren.


Aber vielleicht noch zu der Frage des Verschwindens des Marktes.
Festzuhalten bleibt, daß der "Welt"markt sich heute bereits aus weiten
Teilen der Welt zurückgezogen hat. So ist Afrika schon länger
praktisch komplett vom Weltmarkt abgekoppelt (d.h. kein nennenswerter
Austausch mehr).

Und auch die fortschreitende Prekarisierung unserer
Arbeitsverhältnisse und die damit einhergehenden prekären Tauschformen
wie Tauschringe o.ä. deutet m.E. darauf hin, daß sich der Markt auf
immer weniger Menschen zusammenzieht - schlicht weil die noch das Geld
haben um sich daran zu beteiligen.

In diesem Sinne können wir vielleicht wirklich von einem Absterben des
Marktes sprechen. Und mit ihm geht der bürgerliche Staat - siehe die
geradezu ekelhafte nachlaufende (Trittin) bzw. voreilende (Schröder)
Unterwürfigkeit unter aber auch jeden Pfurz des Großkapitals.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan





[English translation]
Thread: oxdeT00002 Message: 8/48 L6 [In index]
Message 00036 [Homepage] [Navigation]