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Message 02604 [Homepage] [Navigation]
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[chox] taktisch wählen



*Das Splitten von Erst- und Zweitstimmen könnte das Wahlergebnis so verfälschen, dass eine Partei sogar mit einer Minderheit die Mehrheit bekommt.*

Von Felix Berth, SZ


Die seltsamen Folgen des deutschen Wahlrechts ließen sich kurz nach der letzten Bundestagswahl beobachten. Im Wahlkreis Dresden I konnte am Wahltag, dem 18. September 2005, nicht abgestimmt werden, weil eine Kandidatin kurz zuvor verstorben war. Also ordneten die Behörden eine Nachwahl an, ... Nun aber sprach sich unter den Anhängern der Union herum, dass sie ihrer Wunschpartei schaden würden, wenn sie ihr die Zweitstimme gäben- im Internet kursierten glaubwürdige Modelrechnungen, dass im Bundestag letztlich ein Unions- Abgeordneter /weniger/ säße, wenn die CDU bei der Dresdner Nachwahl zu viele Zweitstimmen erhielte. Die kundige Webseite www.wahlrecht.de <http://www.wahlrecht.de/> empfahl CDU- Anhängern „Blos nicht der CDU die Zweitstimme geben“.


Diese Warnung, der die CDU nicht ernsthaft widersprach, nahm ein erheblicher Anteil der Unionsanhänger ernst. Zwar gingen im Wahlkreis Dresden I exakt 37 Prozent der Erststimmen an die Union, aber nur 24 % der Zweitstimmen. Die Taktik hatte Erfolg: Der lokale CDU- Kandidat zog in den Bundestag ein, aber das Gesamtergebnis ging nicht zu Lasten der Union.


Nun ist taktisches Wählen in der Bundesrepublik nicht neu: seit Jahrzehnten entscheiden sich Anhänger kleiner Parteien, ihre beiden Stimmen aufuteilen:

Der kleinen Partei geben sie nur die Zweitstimme, nicht aber die Erststimme, weil die geschätzte kleine Partei ohnehin keine Chance auf ein Direktmandat hat. Doch in Dresden war zum ersten Mal die Umkehrung dieses Prinzips zu beobachten: Wähler gaben ihre Zweitstimme der FDP, um der Union nicht zu schaden.


Was in Dresden erfolgreich war, könnte sich bei der Bundestagswahl am Sonntag wiederholen.Den in einigen Bundesländern wird die Union alle oder fast alle Direktkandidaten in den Wahlkreisen durchbringen. Deshalb kalkuliert mancher Wähler vielleicht, dass seine Zweitstimme für die CDU nutzlos wäre. Also könnte er seine Stimmen splitten wie es in Dresden geschah. Wahlrecht.de zum Beispiel rät Unions- Anhängern in Baden- Würtemberg und Sachsen dazu.


Die Parteien halten sich freilich mit solchen Empfehlungen zurück. Politisch ist das logisch: Würde ein CDU- Politiker in Baden- Würtemberg seinen Wählern empfehlen, der FDP die Zweitstimme zu geben, wären seine Parteifreunde entsetzt. Er würde für irritierende Schlagzeilen sorgen, könnte Wähler verunsichern und wäre wahrscheinlich bald nur noch ehemaliger Unions- Politiker. Dass er wahlmathematisch recht hätte, ist zweitrangig.


Nun kann man spekulieren, wie viele Wähler sich gleichwohl für die neue Variante des taktischen Wählens entscheiden, wie sie von den Wahlfreaks im Internet propagiert wird: Sind es ein paar hundert? Ein paar tausend? Zehntausende? Der Politologe Joachim Behnke hält es für möglich, dass sich in den betroffenen Bundesländern 15% der Unions- Anhänger so verhalten könnte; in diesem Fall kommen seine Modellrechnungen auf eine grotesk hohe Anzahl von Überhangmandaten für die Union- es könnten dreißig und mehr werden.


Behnke, der die profundesten Modellrechnungen für die erwarteten Überhangmandaten vorgelegt hat, skizziert freilich auch ein Szenario, dass der Union weniger gefallen würde. Möglicherweise werden nämlich Anhänger der Linkspartei in bisher ungekanntem Ausmaß taktisch wählen. Sie könnten-was sie bei vorherigen Wahlen kaum taten- Ihre Erststimmen in größerer Zahl der SPD geben. Dann gäbe es am Wahlabend eine große Überraschung: die SPD erhielte dank dieser Unterstützung möglicherweise sogar mehr Überhangmandate als die Union. Aber auch da gilt:Die Linkspartei hütet sich vor solchen Empfehlungen.

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