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Message 02397 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT02397 Message: 1/1 L0 [In date index] [In thread index]
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[chox] die grüne Revolution



Ökowelle im Silicon Valley
Öl aus Algen, Yacht mit Hybridmotor

Investoren entdecken alternative Energien

Hinter der Tür verbirgt sich die grüne Revolution. "Tut mir leid", sagt
Jungunternehmer Jonathan Wolfson. Den Arm auf die Empfangstheke
gestützt, hat er sich vor dem Zugang zu den Laboren aufgebaut. Seine
Firma Solazyme liegt in einem Gewerbebau in einem der weniger vornehmen
Viertel von Menlo Park im Süden San Franciscos. "Das fällt vorerst unter
das Betriebsgeheimnis", sagt er. "Aber wir sind zuversichtlich, dass
unsere Algenstämme innerhalb weniger Jahre Milliarden Liter Biodiesel
und Rohöl produzieren können - vorausgesetzt, wir bekommen das nötige
Kapital."

Wenn es um neue Ideen geht, hält man sich im Silicon Valley, der
legendären Heimat des Computer- und Internetbooms, bedeckt. Noch dazu,
weil Firmengründer, Risikokapitalgeber und Wissenschaftler derzeit
glauben, einen neuen Schatz zu heben: erneuerbare Energien. Ebenso wie
Hewlett Packard, Apple oder Google in dieser Region ihren Siegeszug
antraten, halten Wagnisfinanziers die Zeit jetzt für reif, um die
nächste Industrie-Revolution anzuschieben. Kein Wunder, denn der hohe
Ölpreis, wachsender Energiebedarf und der Klimawandel versprechen satte
Renditen. Entsprechend lassen sich die Investoren nicht lumpen: Im
vergangenen Jahr, schätzt das Londoner Beratungsunternehmen New Energy
Finance, investierten Venture-Capital-Firmen und private Geldgeber
weltweit 8,6 Milliarden Dollar in alternative Technologien, 68 Prozent
mehr als 2005. Dabei kommt der größte Teil des Geldes für Öko-Startups
aus den USA und dort wiederum aus dem erfolgreichsten Gewerbepark der
Welt, dem Silicon Valley.

Als Wolfson Solazyme 2003 mit seinem Partner, dem Genetiker und
Patentanwalt Harrison Dillon, nach altem Brauch in einer Garage
gründete, gab es dagegen kaum Interesse an grüner Technologie,
geschweige denn an Algen. "Die Investoren winkten ab." Das hat sich
geändert. Mit 15 Millionen Dollar haben sich mehrere Geldgeber in das
Unternehmen eingekauft. Sie hoffen, dass Solazymes Methode, Algenstämme
genetisch zu manipulieren, um Wachstum und Ölanteil zu erhöhen, eine
lukrative Grundlage für Biodiesel und Algenethanol schafft.

Abwegig ist das nicht: Algen haben im Vergleich zu dem bekannten
Rapsdiesel oder Bioethanol aus Getreide den Vorteil eines höheren
Fettanteils - bis zu 70 Prozent des Eigengewichts sind es allein bei
natürlich vorkommenden Algen. Außerdem verbraucht ihr Anbau weniger
Energie, kaum Dünger und vergleichsweise wenig Land. "Für uns ist es
nicht schwer, das Algenöl zu extrahieren", entgegnet Wolfson einer oft
geäußerten Kritik. Wie, darüber hüllt er sich jedoch in Schweigen - und
auch darüber, ob sie die Algen in Freiluftfarmen oder in transparenten
Bioreaktoren züchten wollen. Noch in diesem Jahr will man eine
Demonstrationsanlage vorführen.

Die erste Garde der Risikokapitalinvestoren residiert im Grünen - in der
Nachbarschaft eines Golfplatzes in Menlo Park. Sie geben sich
zuversichtlich. Kleiner Perkins Caufield & Byers (KPCB), führend unter
den Venture Capital-Firmen, half bereits Amazon, Yahoo oder Google mit
einer Anschubfinanzierung aus. Jetzt investiert die Firma in saubere
Energiequellen.

Vor einem Jahr hat das Unternehmen das "Greentech Innovation Network"
gegründet, ein Netzwerk von Experten, Politikern, Kapitalgebern und
Unternehmern, das sich zweimal im Jahr trifft, um neue Entwicklungen in
alternativen Energietechnologien zu diskutieren. Al Gore hat ihnen
Ratschläge gegeben. Dazu gehört wohl, politisch tätig zu werden.
Mitglieder der Gruppe trafen im vergangenen August sieben Abgeordnete
des kalifornischen Parlaments, um sie davon zu überzeugen, für das
bislang strengste Klimagesetz der USA zu stimmen - mit Erfolg. Innerhalb
der nächsten zwei Jahre will KPCB 200 Millionen Dollar in
Firmengründungen im alternativen Energiesektor stecken. Bill Joy,
Mitgründer von Sun Microsystems und vor Jahren Prophet der
High-Tech-Apokalypse, ist inzwischen Partner der Firma. Er geht mit
gutem Beispiel voran und lässt sich für 50 Millionen Dollar die erste
ökologische, von Windenergie und einem Hybridmotor angetriebene
Superyacht bauen.

Dynamik der neuen Welt

KPCBs liebstes Vorzeigeunternehmen ist die Biotechfirma Amyris, die auf
der anderen Seite der San Francisco Bay ihren Sitz hat - unweit der
Berkeley Universität. Anders als Solazyme arbeitet die Firma, wie es
Geschäftsführer John Melo ausdrückt, "an Treibstoffen der zweiten
Generation". Biodiesel sei zwar umweltfreundlich, könne aber gefrieren;
Ethanol habe weniger Energie als Benzin und ließe sich nicht durch
Pipelines pumpen. Stattdessen, so Melo, habe man sich einige Moleküle
herausgepickt, die sich als Alternativen für Kerosin, Biodiesel und
Benzin eignen würden.

Die Auswahlkriterien waren, dass diese Stoffe einen hohen Energiegehalt
haben, nicht sonderlich flüchtig und auch wasserunlöslich sein sollten.
Eine Substanz ist Butanol, das gegenüber Ethanol mehr Energie in seiner
chemischen Struktur speichert und leichter transportierbar sei. Amyris
optimiert nicht nur genetisch einen Organismus. Das Unternehmen ist
bekannt dafür, in Hefe- und Kolibakterien den Stoffwechsel so umzubauen,
dass ihre Gene, wie an einem genetischen Fließband, Schritt für Schritt
maßgeschneiderte Moleküle produzieren. Das klingt utopisch, doch für
eine Vorstufe des Antimalariamittels Artemisinin ist der Firma das
Kunststück bereits gelungen. Die Amyris-Ingenieure konnten den Ausstoß
von Artemisininsäure in einer manipulierten Hefezelle millionenfach
steigern. Der Erfolg spricht sich herum. Bei der letzten
Finanzierungsrunde für Amyris standen die Investoren Schlange - viele
mussten ihr Geld wieder mit nach Hause nehmen.

Ohne Kapitalfirmen würden viele Ideen nicht gedeihen. Aber bevor es zu
dem gegenwärtigen Ökoboom kam, haben viele Finanziers gar nicht
verstanden, wann sich ihnen eine Gelegenheit bot. Anders Erik Straser,
Partner der Venture-Capital-Firma Mohr, Davidow Ventures in Menlo Park:
"Ende 2002 sah es nicht gut aus. Da überlegte ich mir, was in den
nächsten 25 Jahren die wichtigsten Technologietrends sein würden." Er
kam zu dem Schluss, dass das Wachstum von Indien und China die Nachfrage
nach Rohstoffen und Energie nach oben schnellen lassen würde.
Gleichzeitig rückte der Klimawandel in den Vordergrund. "Eine Antwort
für beide Probleme", sagt der Ingenieur, "sind innovative Ideen für
regenerative Kraftquellen. Also sahen wir uns nach
Investitionsmöglickeiten um."

Zu dieser Zeit war der gebürtige Münchner Martin Roscheisen längst mit
seiner Firma Nanosolar aktiv. Der seit mehr als zwölf Jahren in
Kalifornien lebende Unternehmer, der mehrere Internetfirmen gegründet
und für hunderte Millionen Dollar an Branchengrößen wie Yahoo verkauft
hatte, entschied sich 2001, eine Solarfirma zu gründen. "Das war eine
einfache Rechnung. Die Möglichkeiten für Innovationen in der
Solartechnik schienen mir groß - und wenn man nur ein Prozent des
Energiemarktes besetzen würde, sind das einige Milliarden Dollar",
erklärt Roscheisen an einem angerosteten Gartentisch sitzend hinter
einem schmucklosen Flachbau in Palo Alto. Aus einer offenen Tür hört man
Maschinengeräusche: Nanosolars Forschungs- und Entwicklungslabor.

Die Neuerungen der Solarzellen liegen im Material. Statt Silizium nützt
Nanosolar Verbindungshalbleiter aus Kupfer, Indium und Gallium. Die
Herstellungsmethode ist auch neu, denn die Solarzelle wird auf eine
Metallfolie gedruckt. Das senkt die Herstellungskosten um den Faktor
Zehn. Der Wirkungsgrad liegt im zweistelligen Bereich; herkömmliche
Solarzellen schaffen nur wenig mehr.

Das überzeugte nicht nur Straser, der prompt investierte, sondern auch
die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin. Letztes Jahr erhielt die
Firma eine weitere Finanzspritze von 100 Millionen Dollar. Damit
errichtet sie jetzt im kalifornischen San Jose und in Luckenwalde bei
Berlin zwei Fertigungsstätten. Noch 2007 sollen die ersten Solarzellen
vom Band laufen. "Die Dünnschicht-Methode ist ein Erfolg", sagt Straser
zufrieden in seinem dunklen Konferenzsaal. "Auch bei diesem Boom werden
einige Leute Geld verlieren. Das ist die Dynamik der neuen
Welt."HUBERTUS BREUER

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.114, Samstag, den 19. Mai 2007 , Seite 10

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