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Streit um deutsche Betriebsrenten
Die Europäische Kommission will die Altersvorsorge der Unternehmen
ausweiten, dagegen wehren sich Unternehmer und Politiker vehement
Von Alexander Hagelüken
Brüssel - Was Ria Oomen-Ruijten am kommenden Mittwoch in Saal
A1E-2 des EU-Parlaments in Straßburg mitzuteilen hat, erwarten
ihre Kollegen mit Spannung. Der Auftritt der zuständigen
Abgeordneten aus den Niederlanden eröffnet den nächsten Akt
einer Auseinandersetzung, die seit Monaten tobt. Es geht um
betriebliche Altersrenten von mehreren hundert Euro monatlich,
von denen elf Millionen Bundesbürger profitieren. Deutsche
Arbeitgeber sprechen von einem Generalangriff auf ihr System -
und haben bereits gedroht, ihre freiwilligen
Milliarden-Leistungen zu reduzieren.
Stein des Anstoßes ist Vladimir Spidla. Der Brüsseler
Sozialkommissar fordert Konsequenzen daraus, dass die Europäer
in einer globalisierten Arbeitswelt häufiger den Job wechseln.
Wer ein Unternehmen verlassen will oder muss, soll keine
schlechtere Betriebsrente bekommen als derjenige, der in der
Firma bleibt. "Ich will alle Beschäftigten gleich behandeln",
erklärt der Kommissar aus Tschechien. Durch eine 2005
vorgeschlagene Richtlinie möchte er die Mobilität der
Arbeitnehmer fördern, die er durch das heutige System oft
bestraft sieht.
Spidlas Vorschläge rufen deutsche Arbeitgeber und Politiker auf
den Plan. Die Unternehmen sollen Zusatzrenten auch jenen
Pensionären zahlen, die nur kurzzeitig für sie arbeiteten. Auch
sollen schon 21-Jährige Ansprüche erwerben. In Deutschland gilt
bisher die Altersgrenze von 30 Jahren. Scheidet jemand aus, soll
das Kapital für die spätere Rentenzahlung an den neuen
Dienstherren fließen, statt weiter im Betrieb zu arbeiten.
Empfindliche Einbußen
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt fordert Spidla auf, die
Richtlinie zurückzuziehen. Schon in den Monaten zuvor hatte er
die Mehrkosten auf 30 Prozent veranschlagt - eine gewaltige
Summe angesichts von Betriebsrentenansprüchen, die sich derzeit
auf 350 Milliarden Euro belaufen. Viele Unternehmen könnten ihre
freiwilligen Leistungen zurückfahren. Für deutsche Beschäftigte
wäre das eine empfindliche Einbuße, warnt Hundt.
Nach Angaben der Bundesregierung erhielten Rentner, deren
Unternehmen keine Betriebsrente zahlt, zuletzt im Schnitt 700
Euro gesetzliche Rente im Monat. Wer dagegen einen Anspruch auf
gesetzliche plus betriebliche Altersbezüge hat, kassierte 1600
Euro. Ein deutlicher Unterschied, selbst wenn man
berücksichtigt, dass Pensionäre mit Betriebsrenten öfter
Gutverdiener mit höheren gesetzlichen Renten sind.
Der EU-Parlamentarier Thomas Mann (CDU) wettert schon lange
gegen Spidlas Pläne. "Die Kommission hat das deutsche System
nicht verstanden", kritisiert Mann. "Warum soll man alle
Beschäftigten gleich behandeln? Es ist angemessen, die
Arbeitnehmer durch eine höhere Betriebsrente zu belohnen, die
sich länger an ein Unternehmen binden". Das Jobhopping sei
längst keine Realität - im Schnitt bleibe ein Europäer zehn
Jahre bei einer Firma.
Ebenso wie Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hat
Mann darauf gedrängt, Spidlas Pläne zu entschärfen. Jetzt gibt
es einen Kompromissvorschlag, der die Mehrkosten deutscher
Unternehmen deutlich begrenzen würde. Unter anderem sollen sie
auch in Zukunft kein Kapital an neue Arbeitgeber übertragen
müssen und es bleibt dabei, dass ein Beschäftigter mindestens
fünf Jahre für eine Firma arbeiten muss, bevor er einen Anspruch
auf Betriebsrente erwirkt.
Die Auseinandersetzung geht dennoch weiter. Den deutschen
Politikern missfällt die Vorgabe aus dem Kompromiss, dass ein
Unternehmen sein Betriebsrentenprogramm bereits 25-Jährigen
anbieten muss - das wären Mehrkosten im Vergleich zur bisherigen
Grenze von 30 Jahren. Gestritten wird in den nächsten Monaten
auch darüber, wie hoch die Betriebsrente sein soll, die ein
Unternehmen einem Jobwechsler zahlen muss. Spidla will eine
Dynamisierung der Zahlungen an Ausgeschiedene durchsetzen, etwa
durch Anpassung an die Lohnentwicklung.
Großzügige Rechnung
Auch das bedeutet Mehrkosten- weshalb der Abgeordnete Mann vor
einer zu großzügigen Regelung warnt. Damit muss er sich jedoch
erst in der eigenen Fraktion durchsetzen. Seine Kollegin Ria
Oomen-Ruijten kämpfte bisher für eine weitreichende
Dynamisierung. Als zuständige Berichterstatterin zur Richtlinie
gab die Niederländerin im Parlament eine Linie vor, die sich mit
der von Spidla deckt. Nach monatelangen Gesprächen mit anderen
Abgeordneten geht Thomas Mann davon aus, genug Parlamentarier
auf seine Seite gebracht zu haben. Am Mittwoch ab 15 Uhr im Saal
A1E-2 des Parlaments wird sich zeigen, ob er Recht behält.
(Kommentare)
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.17, Montag, den 22. Januar 2007 , Seite 19
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