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[chox] TELEPOLIS: Free Society: Von der Utopie zum Alltag



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Free Society: Von der Utopie zum Alltag

Stefan Krempl   12.06.2004 

Idealismus und Realismus in der "Free Software"-Bewegung auf der 
Wizards of OS 

20 Jahre ist es her, dass Richard Stallman mit der Gründung der Free 
Software Foundation eine politische Bewegung zur Befreiung von Software 
von ihren proprietären Fesseln ins Leben gerufen hat. Längst geht es 
dabei nicht mehr nur um offenen Quellcode, sondern um eine komplette 
Lebensphilosophie für die digitale Gesellschaft. Dezentrale und auf 
offenen Standards aufbauende Netzinfrastrukturen dienen als Modell und 
Zündkerze für freie Hardware, ein freies Frequenzspektrum und eine 
freie Kultur, die in einer digitalen Wissensallmende wurzelt. Wie weit 
das Projekt gekommen ist und wo die Stolpersteine liegen, zeigt die 
Wizards of OS 3. 

Für Eben Moglen gibt es  keine Zweifel mehr [1]: Die Free Software 
Foundation (  FSF [2]), die sich eigentlich längst in Free Society 
Foundation umbenennen sollte, hat den Kampf so gut wie gewonnen: 

 Unsere Revolution ist aus der theoretischen Phase heraus. Die Beweise 
sind erbracht und wir haben den funktionierenden Code.   

Der offene Quellcode, mit dem alles anfing und der nun in Regierungen, 
Schulen und Unternehmen verstärkt implementiert wird, dient laut der 
rechten Hand des FSF-Gründers  Richard Stallman [3] als 
architektonischer Agent des Wandels auf dem Weg zu einer wahrhaft 
freien Gesellschaft. 

"Die Technologie lässt sich nicht mehr rückgängig machen", meint 
Moglen. "Das, was wir in Händen halten, gehört uns und es ist am 
Laufen", sagt der kleine und stämmige New Yorker Rechtsprofessor. Der 
jahrhundertelange Kampf um die Meinungs- und Gedankenfreiheit, der in 
den vergangenen 20 Jahren vor allem ein Kampf gegen Microsoft und gegen 
die Musikindustrie als Symbole der dunklen Mächte der Welt war, ist 
damit so gut wie beendet. Die Pfeiler sind unverrückbar in den 
digitalen und physikalischen Boden gerammt: freie Software, freie, von 
ihren Käufern zumindest noch selbst kontrollierte Hardware und freie 
Tauschkultur - das alles gehört zum Alltag vieler Internetnutzer. Fehlt 
nur noch die komplett freie und von den Usern selbst getragene 
Telekommunikation mitsamt Gratisgesprächen und schier unendlicher, 
ubiquitärer Bandbreite, um das Glück komplett zu machen. 

Es war eine ziemlich amerikanische Rede, durchtränkt mit geradezu 
biblischen dualistischen Motiven und aufklärerischen Impulsen, mit 
denen Moglen die Teilnehmer der bereits zum dritten Mal in Berlin 
stattfindenden "Open Everything"-Konferenz  Wizards of OS [4] begrüßte. 
Das Publikum reagierte gespalten: Die eine Hälfte war hingerissen von 
den bewegenden Momenten der Zelotenrede, die andere verzog das Gesicht 
angesichts der "Adorno-light-Show" des Free-Software-Veteranen. 

Der Glaube an die rationale Argumentation 

Ein wenig biss sich die Keynote jedenfalls mit den Zielen der 
Konferenz, die Volker Grassmuck, Projektleiter des "Wizards of 
OS"-Vereins, Moglens Vortrag vorangestellt hatte. Auch er sieht die 
Freiheit zwar als "einen Wert in sich selbst" an und verweist auf die 
wachsenden Massen, die an freien Funknetzen, freien Filmen, freien 
Musikstücken oder freien Schulungsprojekten werkeln. Doch "wir glauben 
an die rationale Argumentation", hatte Grassmuck als Motto ausgegeben. 
Nur soviel Utopie wie nötig, um eine bessere Gesellschaft nicht aus den 
Augen zu verlieren, ansonsten soviel Praxis wie möglich. 

Anhaltspunkte für das Entstehen einer Free Society zeigten sich im 
Laufe der ersten zwei Tage der noch bis Sonntag dauernden Konferenz so 
manche. Samyeer Metrani etwa stellte das  Simputer-Projekt [5] vor, das 
seine Wurzeln in Indien hat und einen rund 200 US-Dollar teuren PDA auf 
der Basis frei verfügbarer Hardware und Software kreieren will. Der 
zunächst als Volkscomputer für Entwicklungsländer gedachte Handheld 
erschien auch manchem Geek hierzulande als unabdingbares Gadget. 
Daneben gab es auch Fortschrittsberichte aus den Bereichen Free Science 
und Free Networks auf WLAN-Basis. 

Den Höhepunkte stellte am gestrigen Freitagabend zudem der Startschuss 
für die deutsche Version der "Creative Commons"-Lizenz (  CC [6]) dar, 
den der Stanforder Rechtsprofessor und  Free Culture [7]-Aktivist 
Lawrence Lessig persönlich gab. Das durch Techniken wie Digital 
Restriction Management (DRM) gestützte Copy-Verhinderungssystem 
erstickt seiner Meinung nach die "Remix-Kultur" der heranwachsenden 
digitalen Generation im Keim (s.a.  Creative Commons als Geheimwaffe 
der Künstler im Copyright-Krieg [8]). 

Die digitale Allmende wächst 

Um gegenzusteuern, baut Lessig auf den internationalen Erfolg seines 
freien Lizenzierungsprojekts zur Stärkung der "iCommons", der digitalen 
Allmende. Kreative können sich damit "einige" Rechte bewahren, die 
einfache Wiederverwertung von Inhalten ohne kommerzielle Absichten ist 
allerdings gesichert. Neben einem Schweizer  Filmemacher [9], mehreren 
auf die klassischen Labels als Promoting-Maschinen keinen Wert legenden 
Machern elektronischer Musik wie  Björn Hartmann [10] sowie Telepolis ( 
 Telepolis-Bücher zum kostenlosen Herunterladen [11]) sind vom Start 
weg im deutschen "iCommons" dabei. 

Doch das magische Wort "free" ist kein Patentrezept für die Rettung der 
Welt und zahlt nicht die Rechnungen aller Wissensarbeiter. "Wir sollten 
nicht vergessen, dass für manche Künstler das Urheberrecht auch sein 
Gutes hat", betonte Thomas Dreier, Leiter des  Instituts für 
Informationsrecht [12] an der Universität Karlsruhe und Vorstand des 
deutschen CC-Projekts. Journalisten etwa, die ihre hauptsächlichen 
Nutzungsrechte abgeben würden, könnten angesichts auf "Exklusivität" 
Wert legender Verlage gleich auch ihr Einkommen vergessen. 

Auch ein unabhängiger Open-Source-Programmierer zeigte sich in einem 
Panel über die wirtschaftlichen Aspekte freier Software wenig angetan 
davon, dass er seine Produkte schlicht nicht verkaufen könne, sondern 
immer nur Beratungs- und Service-Dienstleistungen drum herum. Die 
 dotKommunistische Revolution [13] Moglens ist so noch kein reiner 
Selbstläufer. Aber zumindest erweitert sich ständig das Feld der 
Alternativen für alle, die vom bisherigen System in der Computer- oder 
Informations- und Medienwirtschaft eh nicht profitieren. 

Links 

[1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/48133
[2] http://www.gnu.org/
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/6475/1.html
[4] http://www.wizards-of-os.org/
[5] http://:www.simputer.org/
[6] http://creativecommons.org/
[7] http://free-culture.org
[8] http://www.heise.de/newsticker/meldung/48184
[9] http://www.ch7.ch/
[10] http://www.textone.org/
[11] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/17630/1.html
[12] http://www.zar.uni-karlsruhe.de/iirdreier
[13] http://emoglen.law.columbia.edu/publications/dcm.html

Telepolis Artikel-URL: 
http://www.telepolis.de/deutsch/special/wos/17636/1.html 

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