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[chox] TELEPOLIS: Handel mit IPR-Titeln als eine Form kuen...



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Handel mit IPR-Titeln als eine Form künftiger New Economy?

Erich Bieramperl   15.03.2004 

Gleichstellung von Ideen mit physischen Konstrukten gefordert 

Die zunehmenden Probleme bei der Umsetzung neuer Erfindungen - vor 
allem im NewEconomy- Sektor - bereitet vielen Staaten immer größeres 
Sorgen. Es kann einfach nicht schnell genug gehen, eine Idee in ein 
marktreifes Produkt und somit in klingende Münze zu verwandeln. Der 
Grund dafür ist nicht die hohe Nachfrage des Verbrauchers oder 
Anwenders, der nach neuen Innovationen giert, sondern das herrschende 
debitistisch/kapitalistische Wirtschaftssystem. 

Ein  debitistisches [1] - d.h. auf Krediten basierendes Geldsystem, mit 
dem wir es seit Ende des Goldstandards (Bretton/Wood-Abkommen) 1971 zu 
tun haben - scheitert nämlich unausweichlich, sobald die neue 
zusätzliche Kreditvergabe/Kreditnahme stockt oder gar abnimmt. Es ist 
auf Gedeih und Verderb der Erfordernis eines unaufhörlichen Wachstums 
ausgeliefert. Letzteres ist für die Existenz dieses etablierten 
kettenbriefähnlichen Wirtschaftssystems unverzichtbar, denn ansonsten 
würden alle zeitlich vorher liegenden offenen Positionen (d. h. fällige 
Kredite) nicht mehr zu schließen sein1 . Die "Kette" ist bereits durch 
die extrem hohen Staatsverschuldungen der meisten Länder bis zum 
Zerreißen gespannt. Kann also dieses Wachstum aus systemischen Gründen 
nicht nachhaltig generiert werden, beispielsweise durch stetes 
Hervorbringen genügend neuer schutzfähiger Innovationen, ist Feuer am 
Dach. 

Dieses Hauptproblem der debitistisch/kapitalistischen Wirtschaft 
spiegelt sich in seinem wundesten Punkt wider: im Patentwesen. Die Art 
der patentrechtlich geschützten Erfindungen ist ein Indiz für die 
Ökonomie jenes System, das sie hervorbringt. Je mehr man daran ging, 
vom Schutz umgesetzter, am Markt eingeführter 
materiell/technizistischer Konstrukte abzuweichen - in die Richtung 
eines Schutzes von Produkt-Ideen, die auf Papier bestehen, desto mehr 
verlagerte sich auch der prozentuelle Anteil des gesamtökonomischen 
Outputs in Richtung "virtuelle Wertigkeit". 

Vor 30 Jahren lag das Verhältnis von physisch realisierten Patenten zu 
reinen Ideen-Patenten etwa bei 50/50. Das heißt: Auf bereits 
vermarktete patentierte Produkte kamen etwa gleich viele, in 
Konstruktion befindliche patentierte Produkt-Ideen. Man konnte also die 
daraus resultierende Wirtschaft als ausgewogen und gesund bezeichnen. 
Nun aber, am Beginn des 3. Jahrtausends, liegt das Verhältnis etwa bei 
10/90, wobei erschwerend dazu kommt, dass selbst die besagten 90% 
"Ideen-Patente" eine andere Konsistenz aufweisen als früher. Sie werden 
selbst in ihrer "umgesetzten" Form nie etwas anderes sein als bloße 
"Ideen" . Ein  elektronischer Einkaufswagen [2] bleibt z. B. immer nur 
eine computer- bzw- monitor-ablauffähige Idee und ist kein realisiertes 
physisches Konstrukt. Zusammen mit den unzähligen anderen Patenten, die 
zwar Merkmale materiell/technizistischer Art aufweisen, jedoch 
vielleicht noch Jahrzehnte auf Realisierung warten, ergibt sich daher 
ein riesiges volkswirtschaftliches Problem für alle Industrieländer: 
Die Frage nach internationaler Anerkennung solcher Ideen-Patente - und 
mögen sie noch so geringe Erfindungshöhe aufweisen - wird zu einer 
Überlebensfrage. 

Finanzexperten aus vielen Ländern machen sich bereits Gedanken, wie man 
den hohen Anteil an "virtuellen Werten" (Patente, Urheberrechte) der 
direkten Vermarktung an der Börse zuführen könnte. In Deutschland soll 
es "verbriefbare Patentbestände" im Wert von 750 bis 940 Mrd. Euro 
geben. Eine Vorreiterrolle in Deutschland nimmt die Hamburger Börse 
ein. In einer  Artikel [3] in der Financial Times heißt es: 

 Die Hamburger Börse prüft den Einstieg in den Handel mit 
Patentrechten. Experten erwarten einen neuen Markt mit 
Milliarden-Volumen.   

Ohne staatlichen Beschluss geht es natürlich nicht. Schließlich will 
auch die Düsseldorfer, Stuttgarter oder Leipziger Börse ans Geschäft 
mit immateriellen Werten. Und da die Bundesrepublik dringenden 
Geldbedarf hat und neue Quellen erschließen muss, könnte der Segen bald 
ins Haus stehen: 

 Die Bundesregierung spielt derzeit die gesetzlichen Voraussetzungen 
für einen Handel mit Urheber- und Patentrechten durch. Danach könnte 
ein Investor Anteile an Patentrechten von Unternehmen erwerben und 
diese wie Aktien handeln.   

Nun wird es aber spannend: Die Patente und Urheberrechte müssen 
bewertet werden, ansonsten können sie nicht gehandelt werden. Ein 
solches Evaluierungssystem wäre an sich sehr wichtig (gerade z.B. für 
einen Einzelerfinder oder für eine Kleinfirma). Eine Evaluierung ergäbe 
eine einfachere und leichtere Objektivierbarkeit einer patentierten 
Erfindung auch durch Nicht-Experten. Außerdem könnten triviale Ideen 
und Erfindungen rasch als solche erkannt werden; teure 
Nichtigkeitsklagen würden überflüssig. Man könnte sich etwa endlose 
politische Debatten um Software- oder Geschäftsmethoden-Patente dadurch 
ersparen, indem man sie nicht für "nichtig", sondern für "wertlos" 
erklärt. Aber die Frage taucht auf: Wer soll den Wert eines Patentes 
bemessen, und nach welchen Kriterien? Der Staat plant anscheinend 
Unerhörtes. In dem Artikel der Hamburger Börse steht nämlich: 

 Mit von der Partie ist auch das Beratungsunternehmen Knowledge One 
Fonds AG (  K1F [4]), das sich auf immaterielle Vermögensgegenstände 
wie gewerbliche Schutzrechte (Patente) spezialisiert hat. Die Partner 
sollen den Aufbau der Plattform begleiten und dabei helfen, die Patente 
zu bewerten ...   

Also ein Privatunternehmen, das voraussichtlich weder über die 
erforderlich Kompetenz noch über die nötige Anzahl von 
hochqualifizierten Mitarbeitern verfügt, soll darüber entscheiden, ob 
ein Patent 1 Euro oder 100 Millionen Euro wert ist? 

Auch die USA machen sich Sorgen, wie es mit dem Ungleichgewicht weiter 
geht. Bereits im Oktober des Vorjahres warnte die  Federal Trade 
Commission [5], eine Art Verbraucherschutz- und Wettbewerbsbehörde, in 
ihrem  FTC-Report [6] vor weiterer Erteilung von Patenten mit 
unzureichender Erfindungshöhe, nachdem die Zahl von Nichtigkeitsklagen 
ständig zugenommen hatte. 

In den letzten Jahrzehnten suchte man dieses Dilemma durch Ausweitung 
des Patentregimes auf nicht-technizistische Bereiche zu bekämpfen. 
Erteilung von Patenten auf Software, SW-Derivate, Geschäftsmethoden, 
Gene, medizinische Behandlungsmethoden und biologische Strukturen 
(Tiere, Pflanzen usw.) waren die Folge. Seit 1990 hat ein Run von 
Patentanmeldungen auf diese Gebiete eingesetzt. Nun hat sich auch Alan 
Greenspan, der Chef der US-Notenbank, in einer  Rede [7] an der 
Stanford University zum Thema "Schutz auf Geistiges Eigentum" zu Wort 
gemeldet. 

 Reflecting that flexibility, the direction and the emphasis of 
legislative revision over the generations have mirrored the changing 
structure of our economy. In recent decades, for example, the fraction 
of the total output of our economy that is essentially conceptual 
rather than physical has been rising. This trend has, of necessity, 
shifted the emphasis in asset valuation from physical property to 
intellectual property and to the legal rights inherent in intellectual 
property. Though the shift may appear glacial, its impact on legal and 
economic risk is beginning to be felt.   

Greenspan verlangt ein neues global anerkanntes System zum Schutz 
geistigen Eigentums. Er erkennt die gewaltigen Schwierigkeiten, die dem 
debitistisch/kapitalistischen Wirtschaftssystem drohen. Von seinem 
Gesichtspunkt aus muss dieses neue IPR-Regime den Schutz von Ideen 
aller Art einschließen, denn ein Rückschritt in die patentrechtliche 
Welt des Jahres 1985 würde zum Kollaps führen. Es gibt nämlich ganz 
einfach nicht mehr genug Patentierbares, das ausschließlich 
technizistischer Natur wäre, um der Wirtschaft jenen stetigen Schub zu 
erteilen, der nötig wäre, um die Lücken, die der kapitalistische 
Super-Turbo immer weiter aufreißt, wieder zu schließen. 

 If our objective is to maximize economic growth, are we striking the 
right balance in our protection of intellectual property rights. How 
appropriate is our current system -- developed for a world in which 
physical assets predominated -- for an economy in which value 
increasingly is embodied in ideas rather than tangible capital?   

Literaturangaben

1) siehe P.C. Martin: Die Krisenschaukel sowie Heinsohn/Steiger:  Die 
kopernikanische Wende in der Ökonomie [8] 

Links 

[1] http://www.goldseiten.de/ansichten/pcm-03.htm
[2] http://swpat.ffii.org/patente/muster/ep807891/index.de.html
[3] http://www.ftd.de/ub/fi/1077951796856.html?nv=nl
[4] http://www.k1f.com/rs.php?page=index.html
[5] http://www.ftc.gov/
[6] http://www.ftc.gov/opp/intellect/index.htm
[7] 
http://www.federalreserve.gov/boarddocs/speeches/2[PHONE NUMBER REMOVED]/default.
htm
[8] http://www.berndsenf.de/pdf/Heinsohn_Steiger.pdf

Telepolis Artikel-URL: 
http://www.telepolis.de/deutsch/special/eco/16932/1.html 

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