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Message 00742 [Homepage] [Navigation]
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[chox] TELEPOLIS: Arbeit, Arbeit ueber alles



Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Helmuth Supik <helmuth.s gmx.li> gesandt.

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Die ´Bundesanstalt gegen Arbeit´ hat in den vergangenen 6 Jahren ein 
MegaMobbing gegen Arbeitslose betrieben, falls diese legal den Wechsel 
der Steuerklassen mit dem Ehepartner vorgenommen haben. 43% des 
erhaltenen Arbeitslosengeldes war dann binnen 14 Tage zurückzuzahlen !!!
Rechtens war diese Grausamkeit nach einem Duzent Sozialgesetze aus dem 
3. und 10. ´Sozialgesetzbuch´.

Diese Gesetze erklärte dann das Bundessozialgericht anhand von 2 Klagen 
als verfassungswidrig.
H.S.

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Arbeit, Arbeit über alles

Marcus Hammerschmitt   07.03.2004 

Eigentlich sollten wir ja alle froh sein, dass die Arbeitsgesellschaft, 
wie wir sie kennen, zu Ende geht - aber die Arbeitsgesellschaft kann 
sich mit ihrem Ende nicht abfinden 

Wenn man sich das ganze Gewese um die Demissionierung Florian Gersters, 
die Reden des Superministers Wolfgang Clement und des Bundeskanzlers, 
sowie das übrige politische Gequatsche bis hinunter zum 
Dorfbürgermeister anhört, könnte man auf die Idee kommen, dass es 
nichts Wichtigeres gibt als Arbeit. 

Die Bundesanstalt für Arbeit, bisher ein staatlicher 
Gastronomiebetrieb, wird in ein bundesweites Frittenimperium 
verwandelt, das seine Kunden genauso quält, nur mit einem verordneten 
Lächeln auf dem Gesicht und kürzeren Reaktionszeiten, wenn es um 
Überwachen und Strafen geht. Surreale Programme werden aufgelegt, die 
ebenso kreative Namen tragen, wie die Duschshampoos in den 
tiefergelegenen Drogeriemarktregalen:  Hartz-Reformen [1],  Job 
Floater [2],  PSA [3],  Ich AG [4] heißt dieses Zeug, damit auf den 
ersten Blick klar ist, dass man es sich eigentlich auch gleich in die 
Haare schmieren kann. 

Pausenlose Mobilmachung an der Arbeitsfront 

Allerorten werden neue Arbeitsplätze angedroht, wenn das politisch 
opportun ist (zum Beispiel vor Wahlen). Die "Drückeberger", "Faulenzer" 
und  "Arbeitsscheuen" [5] will man auf Vordermann bringen. Auch 
Konzepte, die man eigentlich nur noch faschistisch nennen kann - wie 
die Zwangsverpflichtung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern zu 
rein symbolischen Löhnen - werden offen diskutiert und zum Teil schon 
praktiziert. Arbeit, Arbeit über alles. 

Aber warum eigentlich? Es kann kein wirklicher Zweifel daran bestehen, 
dass zur Selbsterhaltung der Gesellschaft eigentlich immer weniger 
Arbeitskraft verausgabt werden muss, und die pausenlose Mobilmachung an 
der Arbeitsfront wirkt in diesem Zusammenhang eigentlich nur noch 
bizarr. Der Widerspruch klärt sich, wenn man sich klarmacht, dass hier 
eine andere Rationalität als die der Selbsterhaltung herrscht. Weil die 
Verausgabung menschlicher Arbeitskraft immer noch das Einzige ist, was 
tatsächlich Wert erzeugt, ist sie so wertvoll wie eh und je. 
Diejenigen, die über ihre Inwertsetzung (sprich Ausbeutung) zu verfügen 
haben, werden den Teufel tun, nur deshalb darauf zu verzichten, weil 
beim Stand der Technik viel mehr davon verfügbar ist, als gebraucht 
würde, um uns alle zu versorgen. 

Sie tun etwas ganz anderes. Um die Wertschöpfung anzukurbeln, senken 
sie den Preis der Arbeitskraft (den Lohn) so nachhaltig wie es nur geht 
("Sozialreform", "Senkung der Lohnnebenkosten", "Gesundheitsreform", 
"Agenda 2010") und möchten darüber hinaus über Arbeitskraft verfügen, 
für die sie überhaupt keinen Preis zu entrichten haben (Überausbeutung 
durch unbezahlte  Überstunden [6], Sklavenarbeit illegal angeheuerter 
ausländischer Arbeitskräfte (vgl.  Wie im Lager [7]), 
 Gefängnisarbeit [8], Ehrenamt (vgl.  Powered by Oma und Ehrenamt [9]), 
Einforderung unbezahlter Arbeitsleistungen zur "Standortsicherung" 
usw.) 

Und so arbeiten die einen immer mehr (ob legal, schwarz, prekär, 
ehrenamtlich oder sonstwie) und die anderen schöpfen immer mehr Wert 
ab, um damit zu tun, was immer sie möchten. Die einen leisten 
unbezahlte Arbeit im  Callcenter [10] und die anderen erhalten eine 
Abfindung von 30 Millionen Euro dafür, dass sie sich  dünne 
machen [11]. 

Das Evangelium der Arbeit 

Dies alles, während die Menge an eigentlich benötigter 
gesellschaftlicher Arbeitskraft abnimmt. Selbstverständlich ist der 
Motor dieser Entwicklung nicht individuelle moralische Verworfenheit, 
wie z.B. weite Teile des globalisierungskritischen Milieus zu glauben 
scheinen (Stichworte "Gier", "Turbokapitalismus", usw.) 
Produktionskosten senken, Profite erzielen, Marktpositionen ausbauen, 
bei der Globalisierung mitziehen - das alles liegt nicht im Belieben 
eines einzelnen Unternehmens, sondern ist Wesens- und Funktionsprinzip 
des Gesamtsystems selbst. Und weil dieses System nun einmal auf der 
erzwungenen Verausgabung von Arbeitskraft und der Enteignung ihrer 
Produkte beruht, ist das gültige Evangelium das der Arbeit. 

Selbst diejenigen, die keine Arbeit mehr haben und nie mehr eine 
bekommen werden, weil ihre Arbeitskraft für die erwünschte 
Wertschöpfung schlicht und ergreifend nicht tauglich ist, sollen 
arbeiten müssen. Arbeitslos zu sein oder Sozialhilfe zu empfangen ist 
in diesem Land schon lange ein Fulltimejob. Ständig muss der Beweis 
geführt werden, dass man das Almosen auch zu Recht erhält. Sich das 
Existenzminimum durch tausenderlei Anträge, Belege und Rechtfertigungen 
zu verdienen, ständig den Verdacht im Nacken, man sei ein Betrüger, ist 
ein Stress, der in Spitzenzeiten sehr wohl mit den Verpflichtungen 
eines gut beschäftigten Managers zu vergleichen ist. 

Zwangsarbeit für diesen ständig wachsenden Sektor der Gesellschaft ist 
ein offenes Thema. Der Druck muss um jeden Preis aufrechterhalten 
werden, damit nicht die Ahnung aufkeimt, es könne beim gegenwärtigen 
und noch zu erwartenden Grad der Automation zu einer rationalen 
Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit kommen, die ein nie 
da gewesenes Maß an Freizeit und Freiheit für alle ermöglichen würde - 
selbst unter der Voraussetzung, dass die Wertpumpen abgeschaltet 
werden, die die dritte Welt leer saugen. Grotesk, aber wahr: Zu Beginn 
des 21. Jahrhunderts schickt sich der Kapitalismus an, die Utopie von 
einem Leben ohne Arbeit zu verwirklichen - und kann aus seinen eigenen 
inneren Zwängen heraus dieser Tatsache nicht ins Gesicht sehen. 

Links 

[1] 
http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/modelle/hartz/roth
-rede.html
[2] 
http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/derneuearbeitsmarkt/267657.html
[3] http://www.mobbing-net.de/forum/messages/1620.html
[4] 
http://www.teamarbeit-fuer-deutschland.de/servlet/PB/menu/1004831/index.
html
[5] http://www.taz.de/pt/2001/04/27/a0116.nf/text
[6] http://www.mdr.de/umschau/archiv/153573.html
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14880/1.html
[8] http://www.iuscrim.mpg.de/forsch/krim/fischer.html
[9] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16501/1.html
[10] http://sakemaki.blogger.de/stories/57959
[11] 
http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/15/0,1367,WIRT-0-2034319,0
0.html

Telepolis Artikel-URL: 
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/mein/16721/1.html 

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