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Die ´Bundesanstalt gegen Arbeit´ hat in den vergangenen 6 Jahren ein
MegaMobbing gegen Arbeitslose betrieben, falls diese legal den Wechsel
der Steuerklassen mit dem Ehepartner vorgenommen haben. 43% des
erhaltenen Arbeitslosengeldes war dann binnen 14 Tage zurückzuzahlen !!!
Rechtens war diese Grausamkeit nach einem Duzent Sozialgesetze aus dem
3. und 10. ´Sozialgesetzbuch´.
Diese Gesetze erklärte dann das Bundessozialgericht anhand von 2 Klagen
als verfassungswidrig.
H.S.
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Arbeit, Arbeit über alles
Marcus Hammerschmitt 07.03.2004
Eigentlich sollten wir ja alle froh sein, dass die Arbeitsgesellschaft,
wie wir sie kennen, zu Ende geht - aber die Arbeitsgesellschaft kann
sich mit ihrem Ende nicht abfinden
Wenn man sich das ganze Gewese um die Demissionierung Florian Gersters,
die Reden des Superministers Wolfgang Clement und des Bundeskanzlers,
sowie das übrige politische Gequatsche bis hinunter zum
Dorfbürgermeister anhört, könnte man auf die Idee kommen, dass es
nichts Wichtigeres gibt als Arbeit.
Die Bundesanstalt für Arbeit, bisher ein staatlicher
Gastronomiebetrieb, wird in ein bundesweites Frittenimperium
verwandelt, das seine Kunden genauso quält, nur mit einem verordneten
Lächeln auf dem Gesicht und kürzeren Reaktionszeiten, wenn es um
Überwachen und Strafen geht. Surreale Programme werden aufgelegt, die
ebenso kreative Namen tragen, wie die Duschshampoos in den
tiefergelegenen Drogeriemarktregalen: Hartz-Reformen [1], Job
Floater [2], PSA [3], Ich AG [4] heißt dieses Zeug, damit auf den
ersten Blick klar ist, dass man es sich eigentlich auch gleich in die
Haare schmieren kann.
Pausenlose Mobilmachung an der Arbeitsfront
Allerorten werden neue Arbeitsplätze angedroht, wenn das politisch
opportun ist (zum Beispiel vor Wahlen). Die "Drückeberger", "Faulenzer"
und "Arbeitsscheuen" [5] will man auf Vordermann bringen. Auch
Konzepte, die man eigentlich nur noch faschistisch nennen kann - wie
die Zwangsverpflichtung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern zu
rein symbolischen Löhnen - werden offen diskutiert und zum Teil schon
praktiziert. Arbeit, Arbeit über alles.
Aber warum eigentlich? Es kann kein wirklicher Zweifel daran bestehen,
dass zur Selbsterhaltung der Gesellschaft eigentlich immer weniger
Arbeitskraft verausgabt werden muss, und die pausenlose Mobilmachung an
der Arbeitsfront wirkt in diesem Zusammenhang eigentlich nur noch
bizarr. Der Widerspruch klärt sich, wenn man sich klarmacht, dass hier
eine andere Rationalität als die der Selbsterhaltung herrscht. Weil die
Verausgabung menschlicher Arbeitskraft immer noch das Einzige ist, was
tatsächlich Wert erzeugt, ist sie so wertvoll wie eh und je.
Diejenigen, die über ihre Inwertsetzung (sprich Ausbeutung) zu verfügen
haben, werden den Teufel tun, nur deshalb darauf zu verzichten, weil
beim Stand der Technik viel mehr davon verfügbar ist, als gebraucht
würde, um uns alle zu versorgen.
Sie tun etwas ganz anderes. Um die Wertschöpfung anzukurbeln, senken
sie den Preis der Arbeitskraft (den Lohn) so nachhaltig wie es nur geht
("Sozialreform", "Senkung der Lohnnebenkosten", "Gesundheitsreform",
"Agenda 2010") und möchten darüber hinaus über Arbeitskraft verfügen,
für die sie überhaupt keinen Preis zu entrichten haben (Überausbeutung
durch unbezahlte Überstunden [6], Sklavenarbeit illegal angeheuerter
ausländischer Arbeitskräfte (vgl. Wie im Lager [7]),
Gefängnisarbeit [8], Ehrenamt (vgl. Powered by Oma und Ehrenamt [9]),
Einforderung unbezahlter Arbeitsleistungen zur "Standortsicherung"
usw.)
Und so arbeiten die einen immer mehr (ob legal, schwarz, prekär,
ehrenamtlich oder sonstwie) und die anderen schöpfen immer mehr Wert
ab, um damit zu tun, was immer sie möchten. Die einen leisten
unbezahlte Arbeit im Callcenter [10] und die anderen erhalten eine
Abfindung von 30 Millionen Euro dafür, dass sie sich dünne
machen [11].
Das Evangelium der Arbeit
Dies alles, während die Menge an eigentlich benötigter
gesellschaftlicher Arbeitskraft abnimmt. Selbstverständlich ist der
Motor dieser Entwicklung nicht individuelle moralische Verworfenheit,
wie z.B. weite Teile des globalisierungskritischen Milieus zu glauben
scheinen (Stichworte "Gier", "Turbokapitalismus", usw.)
Produktionskosten senken, Profite erzielen, Marktpositionen ausbauen,
bei der Globalisierung mitziehen - das alles liegt nicht im Belieben
eines einzelnen Unternehmens, sondern ist Wesens- und Funktionsprinzip
des Gesamtsystems selbst. Und weil dieses System nun einmal auf der
erzwungenen Verausgabung von Arbeitskraft und der Enteignung ihrer
Produkte beruht, ist das gültige Evangelium das der Arbeit.
Selbst diejenigen, die keine Arbeit mehr haben und nie mehr eine
bekommen werden, weil ihre Arbeitskraft für die erwünschte
Wertschöpfung schlicht und ergreifend nicht tauglich ist, sollen
arbeiten müssen. Arbeitslos zu sein oder Sozialhilfe zu empfangen ist
in diesem Land schon lange ein Fulltimejob. Ständig muss der Beweis
geführt werden, dass man das Almosen auch zu Recht erhält. Sich das
Existenzminimum durch tausenderlei Anträge, Belege und Rechtfertigungen
zu verdienen, ständig den Verdacht im Nacken, man sei ein Betrüger, ist
ein Stress, der in Spitzenzeiten sehr wohl mit den Verpflichtungen
eines gut beschäftigten Managers zu vergleichen ist.
Zwangsarbeit für diesen ständig wachsenden Sektor der Gesellschaft ist
ein offenes Thema. Der Druck muss um jeden Preis aufrechterhalten
werden, damit nicht die Ahnung aufkeimt, es könne beim gegenwärtigen
und noch zu erwartenden Grad der Automation zu einer rationalen
Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit kommen, die ein nie
da gewesenes Maß an Freizeit und Freiheit für alle ermöglichen würde -
selbst unter der Voraussetzung, dass die Wertpumpen abgeschaltet
werden, die die dritte Welt leer saugen. Grotesk, aber wahr: Zu Beginn
des 21. Jahrhunderts schickt sich der Kapitalismus an, die Utopie von
einem Leben ohne Arbeit zu verwirklichen - und kann aus seinen eigenen
inneren Zwängen heraus dieser Tatsache nicht ins Gesicht sehen.
Links
[1]
http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/modelle/hartz/roth
-rede.html
[2]
http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/derneuearbeitsmarkt/267657.html
[3] http://www.mobbing-net.de/forum/messages/1620.html
[4]
http://www.teamarbeit-fuer-deutschland.de/servlet/PB/menu/1004831/index.
html
[5] http://www.taz.de/pt/2001/04/27/a0116.nf/text
[6] http://www.mdr.de/umschau/archiv/153573.html
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14880/1.html
[8] http://www.iuscrim.mpg.de/forsch/krim/fischer.html
[9] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/16501/1.html
[10] http://sakemaki.blogger.de/stories/57959
[11]
http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/15/0,1367,WIRT-0-2034319,0
0.html
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/mein/16721/1.html
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