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Re: [ox-de] Re: [ox-de] Re: [ox-de] keimform.de: Selbstorganisierte Fülle (3):



liste oekonux.de schreibt:
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Hallo alle zusammen,

Hallo Ludger!


da ist ja einiges zusammengekommen, ich will auch noch mal versuchen
da was beizutragen.

Mir scheint, dass das Verständnis dafür, was peer-production nun genau
ist, was die wesentlichen Merkmale oder auch Funktionsbedingungen
sind, im ganzen vielleicht eher intuitiv oder teilweise intuitiv und
mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Grundverständnissen hier
diskutiert wird. 

Mir scheint wichtig, bei allem folgendes zu verstehen und zu sehen: 

1) wir befinden uns in einer besonderen historischen Situation: es ist
zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit so, dass die Deckung
des privaten Konsums nicht mehr zur gesellschaftlichen
Vollzeitbeschäftigung gemacht werden kann. Die private Nachfrage wird
nie mehr so angestachelt und ausgeweitet werden können, dass
alle angebotenen Produktionsmöglichkeiten bei Vollbeschäftigung auch
genutzt und ausgelastet werden können. D. h.: diese kürzlich durch die
Presse geisternden 115 Bilionen Dollar Kapital auf der Welt können
sich nur noch dadurch verzinsen, dass irgendwo anders in der
Gesellschaft Werte vermindert werden, also Menschen etwas weggenommen
wird, sie also relativ verarmen, und nicht mehr durch eine Ausweitung
der gesamten Wirtschaftstätigkeit, wodurch Wohlstandserweiterung für
alle möglich wäre, und bis in die 1970er Jahre ja auch möglich war.
Also: Wohlstandserweiterung oder zumindest -erhalt der einen nur noch
auf Kosten der anderen. 

Das ist aber kein Naturgesetz, sondern hat was mit den Methoden der 
Reichtumsproduktion zu tun: Lohnsenkung und Arbeitseinsparung auf der
vollen Linie

Das sieht man auch daran, dass inzwischen
eigentlich alle Industriestaaten Exportüberschüsse erzielen wollen
bzw. müssen: offensichtlich kann das nicht lange funktionieren. Und
Wohlstandserweiterung der einen auf Kosten der anderen kann auch nicht
lange funktionieren: irgendwann ist da dann eben nix mehr zu holen.
Lange hat man versucht, durch diese geradezu verzweifelte Ausweitung
der Verschuldung (Subprime-Krise) die Konsumnachfrage auf einem hohen
Niveau zu halten: wie das geendet hat ist ja bekannt inzwischen. Also:
wie so schön beschrieben bei Konicz, ist der Kapitalismus in diesem
Sinne an einem Ende, das ZWINGEND nach einem Nachfolger, also nach
einer wirtschaftlichen Organisation oder nach Prinzipien der
Wirtschaftsorganisation verlangt, die diese Eigenschaft aufweisen, die
z B Karl-Georg Zinn Stagnationsstabilität genannt hat: wir brauchen
eine System, das (unter anderem) auch diese Fähigkeit aufweist, auch
bei einer stagnierenden, also konstanten oder sogar schrumpfenden
Nachfrage nach Konsumgütern stabil zu bleiben und eine stabile
Versorgung ALLER Menschen zu gewährleisten. 

Das mit der zwingenden Logik ist halt so ne Sache: es gibt immer wieder
die Phantasien von Massenkaufkraft und Grundeinkommen, die sich diesen
Einsichten
wiudersetzen....


Es gibt also von der wirtschaftlichen Seite ein ENFORCEMENT von
Änderung.  

2) dem entspricht ein ebenfalls historisch einmaliges, weil noch nie
dagewesenes ENABLING von seiten der Technik: es gibt diese neuen
technischen Möglichkeiten, die eine Art der Organisation von
Produktion ermöglichen, die es in der Geschichte der Menschheit noch
nie gegeben hat, nämlich eben diese hier beschriebenen Ökonux-
Prinzipien, also Kooperation von sonst vollkommen ungebundenen, von
anonymen und sich gänzlich unbekannten, frei sich
zusammenschliessenden Menschen, um eine bestimmte Leistung zu
erstellen. 

wobei ich mit ungebunden, anonym und unbekannt so meine Probleme habe.

DIes ist ohne a) das Internet und die damit verbundenen
Kommunikationsmöglichkeiten, sowie b) Programmiersprachen und die
damit gegebene Möglichkeit, erzeugtes Wissen und know-how vollkommen
verlustfrei irgendwo abzulegen und verwendbar zu machen, nicht
denkbar. Ein einmal erzeugter fehlerfreier Code kann 1. verlustfrei
kopiert, und 2. jederzeit verlustfrei genutzt, also zum Laufen
gebracht werden. Die Fehlerfreiheit des erzeugten Codes kann zu einem
gewissen Grad maschinell geprüft werden, jedenfalls ist die Prüfung
(im Sinne von Qualitätssicherung) so möglich, dass anonyme Produzenten
und Prüfer erfolgreich zusammenarbeiten können (in gewissen Graden, in
manchen Gebieten jedenfalls hinreichend). Bespiele sind die immer
wieder genannten Softwareprodukte. 

Damit eine Gesellschaft sich auf diese Weise mit Gütern versorgen kann
(und in dem Sinne dann autark ist, also nicht auf Hilfslieferung von
anderen Wirtschaftsgemeinschaften angewiesen ist), muss es möglich
sein, auf die gleiche Weise Konsumgüter zu erzeugen. Auch das ist in
Ansätzen technisch möglich geworden. Dazu ist m. E. das generative
Fertigungsverfahren nicht unbedingt der einzige Schlüssel, Schlüssel
ist m. E. die vollkommene Digitalisierbarkeit der Produktion, die zwar
mit additiven Verfahren ganz offensichtlich gegeben ist, aber auch mit
anderen maschinellen Fertigungsverfahren theoretisch (auch praktisch)
erreicht werden, ich erinnere da an ein theoretisches Modell einer
individualisierbaren vollautomatischen Automobilfabrik von
Jungclaussen, das dieser einfach nur als ein weiteres Modell eines
vollkommen church-turing-berechenbaren Prozesses aufgefasst hat. 

Es gilt nicht nur den Produktionsprozess zu betrachten, sondern den
gesamten 
Stoff- und Energiekreislauf.


Der Os-Car wäre m. E. dann möglich und produzierbar, wenn es irgendwo
ein Produktionsmittel gäbe, das das fertig entwickelte Modell
tatsächlich komplett bis zum ersten Anlassen des Motors maschinell
herstellen würde. Es müssten dann keine Bauteile von irgendwem gekauft
und gelagert werden, es müssten nicht irgendwo Menschen sich für
bestimmte Tätigkeiten bereithalten und dafür Zeit aufwenden und
einplanen, etc etc. 

und die Logistik, Wartung etc. - Wie kann man nur so abstrakt denken!


Jedenfalls: das den wirtschaftlichen Prozess dominierende
Handlungsmodell ist dann nicht mehr der Tausch von fertig produzierten
Waren gegen ein Tauschmittel, sondern das Beitragen von Leistung
(Programmieren, Codieren, Codifizieren von Wissen auf maschinenlesbare
und maschinenexekutierbare Weise) in einen Thesaurus, aus dem dann
individualisierte Konsumgüter oder Leistungen abgerufen werden werden.

Es werden zunächst nicht Güter abgerufen, sondern Modelle die
algorithmisch 
umsetzbar sind.

Dies ist eben der grosse Unterschied zu einer warenproduzierenden
Tauschgesellschaft: natürlich ist da jede Arbeit, jeder Input, jde
Arbeitsstunde auch ein Beitrag, aber nicht in diesem definierten,
systemspezifischen Sinn. In diesem Sinne - also Beitragen von z B
konstruktiven Ideen im Sinne von Produktkonstruktion,
Materialverbesserung, etc etc - wird dann auch nicht die eine
konstruktive Idee gegen die andere getauscht: im Wikipedia ist es
nicht so, das der Artikel des einen gegen einen Artikel des anderen
getauscht wird. Jeder der einen Artikel schreibt, trägt sein Wissen
bei, und alle Nutzer können dieses Wissen dann abrufen. Problematisch
bzw. zu klären wird m. E. sein, in welchem Verhältnis dieses Beitragen
und dieses Nutzen von Beiträgen stehen wird oder soll oder muss eines
Tages, Christian hat das ja problematisiert und einen Lösungsvorschlag
unterbreitet. 

Beiträge müssen koordiniert werden und das ist auch ein Beitrag.
Was im Kapitalismus amalgamiert ist, Herrschaft und Koordination, muss
mühsam wieder auseinandergenommen werden.


Was mir hier wichtig ist an dieser Stelle: ich denke in groben
Zügen besteht hier schon Einigkeit, dass die wesentlichen konstrukiven
Merkmale einer zukünftigen Wirtschaftsorganisation hiermit genannt
sind. Damit ist aber eine viel grössere Steuerbarkeit von Wirtschaft
(also von allem was in dieser Wirtschaft passiert, wie viel produziert
wird, aus welchen Materialien, wie Stoffumsatz inkl.
*Abfallverwertung* organisiert wird, wie Energie erzeugt wird etc.)
gegeben als in einer ausschliesslich preis- und
kapitalgesteuerten Wirtschaft: ich erinnere an all die Versuche von
Luhmann seit den 1970er Jahren nachzuweisen, dass es ein vollkommen
hoffnungsloses Unterfangen ist Wirtschaftsprozesse oder DIE Wirtschaft
steuern zu wollen, damals gegen die aufkommende ökologische Bewegung,
die sich ja darum bemühte. 

Ich habe da auch meine Zweifel, ob sich der IST Zustand der stofflichen
Verflechtung
steuern lässt bzw. ob da nicht gewaltige Entflechtungen notwendig sind!

Für eine preisgesteuerte Wirtschaft sind
solche Erwägungen wie Ökologie oder auch soziale Motive
(Arbeitsplatzsicherung, oder auch Chancengleichheit etc) immer extern
und kaum bis überhaupt nicht zu internalisierende Informationen, und
infolge der mit der Globalisierung geschwundenen politischen
Machtmöglichkeiten erst recht. Habermas hat damals das sich
verselbstständigende Wuchern der Systeme (Geld, Markt) kritisiert und
dagegen sprachlich, also vernunftgesteuerte Medien der Organisation
von Wirtschaft gefordert. 

Als ob Vernunft im Mittel residieren würde und nicht im Zweck !

Das alles ist m. E. prinzipiell mit diesen
Voraussetzungen gegeben, wenn also die beteiligten Akteure sich
darüber verständigen können, welche Rohstoffe sie verwenden wollen, ob
z B so ein Kreislauf von Rohstoffen (wie ja auch von Gershenfeld immer
wieder diskutiert) geschaffen werden kann, dass nicht mehr verwendete
Güter und Dinge volkommen in ihre molekularen Bestandteile zerlegt und
damit verlustfrei wieder zu Rohstoffen werden können. 

Siehe früher im Thread über Braungart zu diesem absurden Wort "vollkommen"
 
"Molekulares Recycling" ist Steinzeit-Recycling !!!

An der Stelle
bin ich persönlich relativ ahnungslos, klar ist aber dass die
Verantwortung für den gesamten Prozess an in einer Gemeinschaft von
Nutzern liegt, die sich eben über alles verständigen können, und damit
die Zugänglchkeit zu Vernunftargumenten prinzipiell höher als in einer
(fast) ausschliesslich kapitalgesteuerten Wirtschaft.  

Zu Theorie: mir persönlich geht es so, dass ich, wenn ich über diese
Dinge nachdenke, ganz schnell immer so eine systematische Ordnung von
all diesen Gedanken im Kopf habe, von der ich denke das sollte man
doch mal so irgendwo festhalten und dran feilen und sehen dass das
eine solide theoretische Konzeption ergibt, kaum fange ich aber damit
an fängt diese ganze Klarheit wieder an zu verschwimmen, weil die
Materiel doch einfach ganz übel komplex ist. Aber wichtig wäre es m E
auf jeden Fall, so etwas einmal zu haben bzw. geschafft zu haben, in
gewisser Weise ist das ja auch wie ein Programm, wie Code! wenns
einmal geschrieben ist und fehlerfrei und kompiliert, kann mans
einfach immer kopieren und laufen lassen. Das macht einfach nur
Ordnung im Denken, oder soll es jedenfalls.               

Demnächst kommt OYA 3 zumThema Wirtschaft heraus, das sollte hilfreich
sein.

Grüße

Franz



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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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