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[ox-de] Call for Papers: Deutsche Gesellschaft für Wissenschafts- und Technikforschung



Hi Liste!

Anbei ein interessaner Call for Papers.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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   Im Spannungsfeld zwischen Intellectual Property Rights und Open
			       Source.

 Wissenschaft und Technik zwischen Privatisierung und Universalismus

	      Call für Papers für die Jahrestagung 2007

  der Deutschen Gesellschaft für Wissenschafts- und Technikforschung
		  am 23./ 24. 11. 2007 in Bielefeld

Zunehmend werden wissenschaftliche Entdeckungen und technologische
Funktionsprinzipien, Formen neuen Wissens, die bislang als
öffentliches Gut gegolten haben, patentierbar und damit zu
privatisierbarem Wissen. Hauptursache für diesen Wandel ist die
steigende wirtschaftliche Bedeutung immaterieller Güter. In so
unterschiedlichen Bereichen wie der Gentechnik oder der
Software-Industrie wird es für die wirtschaftliche Ausbeutung von
Erfindungen bedeutsam, nicht allein die Produkte oder
Herstellungsverfahren eigentumsrechtlich zu schützen, sondern bereits
die zu Grunde liegenden wissenschaftlich-technologischen
Funktionsprinzipien, weil deren Kenntnis die wesentliche Ressource für
die Nachahmung der entsprechenden Produkte und Verfahren ist. Die
gegenwärtig zu beobachtende Ausweitung der Schutzrechte geistigen
Eigentums wie sie im Bereich der Software-Patente oder auch bei der
Patentierung von Gensequenzen erfolgt, lässt sich als eine Reaktion
auf diese Situation interpretieren. Die Kehrseite ist eine
Einschränkung des Gemeingut-Charakters
wissenschaftlich-technologischen Grundlagenwissens.

Der unvermeidliche Trade-off zwischen dem öffentlichen Interesse am
freien Zugang zu Wissen (als volkswirtschaftliches Interesse wie auch
als soziales und kulturelles Interesse) und dessen
privatwirtschaftlicher Ausbeutung (nämlich einen komparativen Vorteil
aus der Wissenserzeugung ziehen zu können) begleitet den Urheberschutz
im Allgemeinen und das Patentrecht im Besonderen von Anbeginn. Die
zuvor erreichte Ausbalancierung dieser Interessengegensätze im
Patentrecht steht mit der enorm gewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung
bestimmter Formen wissenschaftlich-technologischen Grundlagenwissens
einerseits und den darauf reagierenden Veränderungen des Patentrechts
andererseits erneut zur Disposition. Dies betrifft etwa die Frage,
inwieweit es die akademische Forschung beeinträchtigt, wenn
akademische Forschungseinrichtungen patentiertes Grundlagenwissen
kaufen müssen, um Forschung betreiben zu können. Es betrifft genauso
aber auch die Frage nach der Ökonomisierung des gesellschaftlichen
Lebens insgesamt. Wenn etwa Wirkstoffe aus Urwaldpflanzen patentierbar
werden, wird deren traditionelle Nutzung durch Ureinwohner zu
Produktpiraterie.

Zugleich beobachten wir kulturelle Gegenbewegungen zu diesen Tendenzen
der Privatisierung von Wissen in der Wissensgesellschaft. Populär ist
dabei vor allem die Open-Source-Bewegung, die diametral entgegen der
industriell gängigen Praxis den Quellcode von Software zur kollektiven
Weiterentwicklung und individuellen Reproduktion und Variation
freilegt. Auch wenn genauere Analysen gezeigt haben, dass auch hier
implizite Hierarchien professioneller und kommerzieller Entwickler
existieren, ist doch das damit entworfene Modell eines zugänglichen
Entwicklungswissens, das zur freien Teilnahme aller einlädt - als
"Wissensallmende" bezeichnet - in dieser Explizitheit eine kulturell
neue Erscheinung. Und nicht nur die Softwareentwicklung wird von
dieser neuen Form der Wissensgenese erfasst. Auch die Produktion von
kulturellen Inhalten erfährt neue Kollektivmodi wie die
Online-Enzyklopädie Wikipedia beweist. Diese Formen der offenen
Wissensproduktion, sei es in der Technikentwicklung oder in der
Produktion von Inhalten, widersprechen so den Ansprüchen auf Eigentum
und Exklusivität von Wissen, indem sie beides explizit abweisen (z.B.
mit dem Instrument der General Public License).

Die Neupositionierung wissenschaftlich-technologischen Wissens im
Spannungsfeld zwischen neuen Formen seiner Privatisierung und neuen
Formen seiner Universalisierung ist Gegenstand der Jahrestagung 2007
der Gesellschaft für Wissenschafts- und Technikforschung (GWTF). Wir
laden alle InteressentInnen ein, theoretische oder empirische Beiträge
beizusteuern, die sich aus historischer, philosophischer,
politologischer oder soziologischer Perspektive mit den folgenden
Fragekomplexen auseinandersetzen:

* Welche Formen der Neuregelung von Eigentumsrechten an
  wissenschaftlich-technologischem Wissen zeichnen sich ab? Welche
  Konsequenzen haben sie für die akademische Forschung (etwa für den
  Zugang zu Forschungsgebieten oder für die auf dem Peer-Review
  beruhende Qualitätssicherung wissenschaftlichen Wissens? Wie
  verändert sich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Wissenschaft,
  wenn wissenschaftlich-technologisches Wissen zunehmend als Ware
  gehandelt wird? Welche Auswirkungen hat eine zunehmende
  Privatisierung von Wissen auf akademisch-industrielle
  Kooperationsforschung? Welche kulturellen und sozialen Konsequenzen
  sind zu erwarten?

* Wie lässt sich angesichts der Privatisierungstendenzen das
  gesellschaftliche Interesse an dem Gemeingut-Charakter
  wissenschaftlich-technologischen Wissens aufrechterhalten? Welche
  Optionen politisch-rechtlicher Regulierung stehen hierbei zur
  Diskussion? Gibt es historische oder zeitgenössische Vorbilder für
  diese Regulierungsfrage, aus denen sich lernen ließe?

* Reicht die Investition in die Entdeckung naturwissenschaftlicher
  Zusammenhänge und technologischer Funktionsprinzipien aus, um
  Besitzrechte an dem entsprechenden Wissen geltend machen zu können?
  Welche grundlegenden pilosophischen, ethischen und
  gesellschaftstheoretischen Fragen stellen sich diesbezüglich?

* Welche Wirksamkeit als Gegengewicht zur Tendenz der Privatisierung
  kann die Open-Source-Bewegung entfalten? Welchen Einfluss werden sie
  gegen den Trend zu Privatisierung von Wissen geltend machen können?
  Zeichnen sich hier neue Modelle für wissenschaftlich-technologischer
  Forschung und Entwicklung ab? Welche neuen Formen frei zugänglichen
  und zugleich privatwirtschaftlich genutzten Wissens lassen sich
  erkennen?

* Steuern wir auf eine neue Phase der Wissensgesellschaft zu, in der
  Wissen primär unter dem Primat der Wirtschaft produziert und
  verwertet wird - mit der Open-Source-Bewegung als subversiver
  Gegenströmung? Oder wird das gesteigerte Interesse an Wissen als
  wirtschaftlicher Ressource ausbalanciert werden durch die neuen
  Möglichkeiten der freien Verbreitung und der offenen Koproduktion
  wissenschaftlich-technologischen Wissens?

Abstracts im Umfang von 1 bis 1½ Seite werden erbeten bis zum 30.Juni
2007 an

Sandro Gaycken, Uni Bielefeld (sandro DOT gaycken AT iwt DOT uni-bielefeld DOT de)
Ingo Schulz-Schaeffer, TU Berlin (schulz-schaeffer AT tu-berlin DOT de)
Hürrem Tezcan, Uni Bielefeld (hürrem AT hotmail DOT com)
Cornelis Menke, Uni Bielefeld (cmenke AT uni-bielefeld DOT de)


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
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