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[ox] Re: Lessig, die CC und die agnostizistische "Freie Software"



Hallo Christoph,

Am Donnerstag, den 29.06.2006, 22:02 [PHONE NUMBER REMOVED] schrieb Christoph Reuss:

Hans-Gert ist scheinbar der Einzige, der das "Problem" halbwegs konstruktiv
angegangen ist -- wobei nichtmal er auf die ursprüngliche Lessig-Kritik
inhaltlich eingehen wollte.  Warum ist *niemensch* hier auf diese inzwischen
über 9 Monate alte Frage wirklich eingegangen?  Zitat nochmal:

 "We find an organisation with an ideology and worldview
  that agrees too readily with that of the global 'creative' and media
  industries. ... The Creative Commons' ideological stance has the effect
  of narrowing and obscuring political contestation, imagination and
  possibility.  ... This plane of organisation ensures that legal licences
  and lawyers remain key nodal and obligatory passage points within the
  Creative Commons network, and thereby constitute blockages in the flow
  of creativity."

Das entspricht im Wesentlichen meiner "alter Wein.."-Kritik [...] 

Kritik? Kritik ist in erster Linie konstruktiv und somit im Normalfall
hilfreich für beide Seiten. Da Du auch die englische Liste fleissig
studierst, kennst Du mit Sicherheit diesen Text von Benjamin Mako Hill: 

http://mako.cc/writing/toward_a_standard_of_freedom.html

Hier einige Auszüge in Rohübersetzung:
"Freie Software als Konzept, als Bewegung, als Code und als Lizenz
existierte indes bereits vor der GPL, auch wenn die GPL die bekannteste
juridische Ausprägung der FOSS ist. Während die GPL revidiert und
verändert wird [2], bleibt Freie Software unverändert. Es gibt viele
Lizenzen der Freien Software, und die meisten ähneln der GPL nur wenig.

Das fundamentale Dokument der Freien Software ist Richard Stallman's
Freie Software Definition (FSD) [3]. In ihrem Kern listet die FSD vier
Freiheiten auf:

* die Freiheit ein Programm auszuführen, für jeden Zweck;
* die Freiheit zu studieren, wie ein Programm arbeitet, und es den
eigenen Bedürfnissen anzupassen;
* die Freiheit Kopien weiterzuverbreiten und damit seinem Nächsten zu
helfen;
* die Freiheit ein Programm zu verbessern und diese Verbesserungen der
Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, so daß die gesamte Community
etwas davon hat;

Bietet eine Software-Lizenz diese Freiheiten, kann man die Software als
freie Software ansehen. Wenn ein Teil einer Software-Lizenz dies nicht
bietet, ist sie nicht frei. [...] Eine Klausel nichtkommerziell schränkt
die erste Freiheit ein; im Endeffekt sind Lizenzen, welche kommerzielle
Verwendung beschränken, als nicht-frei zu betrachten - wie man es auch
dreht und wendet. Sind hingegen diese fundamentalen Freiheiten
gesichert, ist FOSS agnostizistisch, was die Lizenz betrifft.

Die Anwälte der Freien Software waren in der Lage, die Definition der
Freien Software zum Sammelpunkt einer machtvolle sozialen Bewegung
auszuprägen. Freie Software ist, wie das Konzept von Freiheit in jeder
Freiheitsbewegung, etwas, was man einfordern kann, etwas, wofür man
protestieren kann, und etwas, auf das man hinwirken kann. Indem sie für
diese Ziele weitergearbeitet hat, hat die Bewegung der Freien und
Offenen Software das GNU/Linux-Betriebssystem geschaffen, und Millionen
Zeilen an frei verfügbarem Computercode.

Für die Gründer von CC und viele, die die CC vertreten, ist der Erfolg
von FOSS eine Quelle der Inspiration. Dennoch - ungeachtet des erklärten
Wunsches von CC, vom Beispiel der Bewegung der Freien Software zu lernen
und auf deren Beispiel aufzubauen, setzt die CC keine definierten
Grenzen und verspricht keine Freiheiten, keine Rechte und keine
feststehenden Qualitäten. Der Erfolg der Freien Software basiert auf
einer ethischen Position. CC setzt keinen Standard dieser Art.

Im Kern der meisten CC-Lizenzen steht ein Mischmasch von
Auswahlmöglichkeiten (die oft untereinander inkompatibel sind) die
sowohl Verbote der kommerziellen Nutzung beinhalten können, die
Anforderung, abgeleitete Werke frei zu verbreiten und wiederzuverteilen,
die Anforderung, diese Verteilung nachhaltig zu sichern, und für alle
ein pauschales Verbot von abgeleiteten Versionen. Die einzige gemeinsame
Qualität all dieser Lizenzen war, daß wörtliche Kopien immer
nichtkommerziell zu verbreiten sind. Anders gesagt, während Werke unter
CC-Lizenzen nach einer Reihe von Begriffen lizenziert werden können,
erlaubten diese Werke das nichtkommerzielle Kopieren unmodifizierter
Versionen ohne Genehmigung."

Wenn schon eine Diskussion über diese Fragen, dann aus nachvollziehbarer
Quelle und unter Hinweis darauf, daß diese Debatte von Anbeginn auch
Teil (und Anliegen) von Oekonux ist.

Ansonsten: als ich Lessig auf der Open Innovation 2004 in Berlin
leibhaftig erlebte, konnte ich mich selbst davon überzeugen, daß es
schwerfallen würde, ihn "aus dem Saal zu lachen" - dazu ist er einfach
zu gut. Dort hatte er jedenfalls sofort die Lacher auf seiner Seite. 


Viele Grüsse

  Stefan






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Kontakt: projekt oekonux.de



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