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Re: [ox] Weltliche Religion



Hallo Hans-Gert,

Am Dienstag, 20. Juni 2006 18:35 schrieb Hans-Gert Gräbe:

Als neue Erkenntnis führt die revolutionäre Psychoanalyse die
Erkenntnis ein, daß der Mensch am Anfang seiner Existenz da-
zu gezwungen wird, sich nicht an seinen Bedürfnissen und Ge-
fühlen, sondern an einer äußeren Ordnung zu orientieren und
sich mit dieser zu identifizieren, durch die er sich selbst be-
trachten lernt. Durch diese Sichtweise erscheint uns jede un-
abhängige Existenz außerhalb dieser Ordnung als Illusion -
einerseits suchen wir nach einer Veränderung der Gesell-
schaft, verneinen diese aber sofort, wenn wir nur im Ansatz
unser angstbesetztes Primat über die Regeln der Gesellschaft
entdecken.

Ich weiß nicht, ob du den *historischen* Charakter dieser Aussage in
seiner voller Tragweite siehst. Diese Verhältnisse haben sich ja SO
ENTWICKELT, also muss es irgendwann mal Bedingungen gegeben haben, wo
eine solche gesellschaftliche Strukturierung für die Menschen als
Gattung einen Entwicklungsvorteil brachte.

Möglicherweise. Nur reicht unsere Schriftkultur eben nicht weit genug
zurück, um einen solchen Überlebensvorteil aufzudecken. Die münd-
liche durch Alte und Erzähler ist ja in den meisten autoritären Schrift-
kulturen aufgegeben und vergessen.

Evolutionär betrachtet kann Evolution aus einem Vorteil und einem
Nachteil erwachsen. Manchmal setzt erst ein Überlebensnachteil ge-
nügend Energien einer letztlich die Evolution begünstigenden Ent-
wicklung frei. Gäbe es nur die Möglichkeit des evolutionären Vor-
teiles (des Überlebens des Tüchtigsten), hätte nicht der Homo sa-
piens sapiens in Europa das Rennen gemacht, sondern der kalten
Klimaregionen weitaus besser angepaßte Neandertaler.

Diese verdrängungsmechanismen 
sind also UNTER GEWISSEN BEDINGUNGEN funktional. 

Ja, unter den Bedingungen der Reproduktion des Prozesses der ge-
störten Kommunikation sind die Verdrängungsmechanismen real
und funktional. Die dem Prozess der gestörten Kommunikation ent-
wachsende Persönlichkeit fast jedes Gesellschaftsgliedes erzeugt
Bedürfnisse nach einer die gestörte Kommunikation reflektierenden 
Gesellschaftsstruktur, nach diese reflektierenden Institutionen, einer
diese reflektierenden Produktion und Medien.

Das kommt in der Rev. 
PsA - auch bei W. Reich und F.E.Hoevels - m.E. deutlich zu kurz. M.E.
müssen die MENSCHEN ALS GATTUNG über das blinde Wirken dieser
Mechanismen hinauskommen, nicht unbedingt aber als individuelle Wesen,
da sonst viel von ihrer Affektivität verloren ginge. Die ja ein
wichtiger Teil der von dir geforderten (und da bin ich d'accord)
"Existenz in Übereinstimmung mit allen Gefühlen, Bedürfnissen und
Wünschen" ist.

Moment - die dazu notwendige Reflexion bzw. Selbstreflexion setzt
eine individuelle Auseinandersetzung mit sich selbst oder zwischen
Analytiker und 'Patient' voraus. Die Summe dieser Reflexionen kann
sich dann durchaus gesellschaftlich auswirken - man kann aber 
keine Gesellschaft auf's Sofa legen und mit ihr eine Analyse machen.

Kennst Du die angewendete Psychoanalyse von S. Freud in der 
Soziologie, nachzulesen bei Jürgen Habermas "Erkenntnis und
Interesse" (Suhrkamp tb wissenschaft) oder S. Freud?

Gruss,
Jacob
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