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Re: Arbeit, war Re(2): Sinn der OX-Liste, war Re(2): [ox] Re: Wiki-Kommerz



Hallo Jakob,

Am 04.05.2006 um 16:57 schrieb Jac:

Tja, Wolfram, hier haben wir wohl einen Dissenz. Als revolutionärer
Psychoanalytiker kann ich nur feststellen, daß es nicht reicht, die inneren
Vorgänge des Kapitalismus zu begreifen, solange daß diesen zugrunde
liegende verinnerlichte Machtmodell als Modell sozialer Beziehungen
intakt bleibt und in eine freie Gesellschaft hinein fortgeschrieben wird.
Marx benötigt eine Ergänzung durch Otto Gross u.a., um zu erkennen,
daß die Annahme, die Entfremdung des Menschen vom Menschen sei
allein seinen (Re-)Produktionsbedingungen geschuldet, Teil dieser Ent-
fremdung des Menschen von sich selbst ist.

Ich hätte mich gefreut, meine Argumentation überhaupt wieder zuerkennen.
Ich hab doch nirgendwo behauptet, dass die "Entfremdung des Menschen vom Menschen allein seinen (Re-)Produktionsbedingungen" geschuldet sei. Wenn, dann ist sie zum einen dem Wert als Abstraktionsmacht zwischen den Menschen geschuldet und zum andern der Identitätslosigkeit von Menschen, die ihre Abhängigkeit von ihren Lebensbedingungen nicht zu überwinden vermögen (z.B. Konsumfixierung usw.), also unfähig zu einer Kritik ihrer eigenen abstrakten Bedingtheit sind.

Der Mensch wird nicht nur von äußeren Umständen geformt, sondern
von Beginn an vom Konflikt seines existentiell Eigenem im Verhältnis zu
den äußeren Umständen. Er ist nicht nur seinem Produkt, sondern auch
seinen in diesem Konflikt nicht erlaubten Anteilen seiner Selbst ent-
fremdet. Dadurch wird die schizophrene Spaltung jedes Menschen zum
gesellschaftlichen Normalzustand. Diese außeren Umstände sind
teilweise den aktuellen Produktionsbedingungen geschuldet, teilweise
jedoch  sehr viel älteren tradierten Bedingungen, deren Bezug auf
Produktionsbedingungen nicht erkennbar bzw. nicht  überliefert ist.

Vielleicht ist da bisher zu wenig begriffen von dem, was der Grund der Selbstentfremdung ist. Das hat nichts mit "älteren tradierten Bedingungen" zu tun, etwa Archetypen oder so was. Das hat mit der Kernspaltung der Menschen in ihrer Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung zu tun, die sie als bloße Geldbesitzer haben (das ist die allgemeinste Grundlage einer Dienstleistungsgesellschaft). Sie können das, was sie wahrnehmen, nicht mehr menschlich beziehen auf das, was sie wahrhaben. Sie haben, wie Du ja auch schreibst, eine Spaltung in sich. Diese begreift die Psychonanalyse allerdings nur als einen bloßen Dualismus und arbeitet daher auch nicht an dem Erkenntnisproblem, das die Menschen wirklich haben, sondern an einem ontischen, vorzeitlichen Gegensatz. Ich sehe nicht, wie das die Kritik an diesen Verhältnissen befördern soll und weiß daher nicht, was ein "revolutionärer Psychoanalytiker" ist.

Schönen Gruß
Wolfram Pfreundschuh

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