Re: Arbeit, war Re(2): Sinn der OX-Liste, war Re(2): [ox] Re: Wiki-Kommerz
- From: Wolfram Pfreundschuh <wolfram pfreundschuh.de>
- Date: Thu, 4 May 2006 20:05:58 +0200
Hallo Jakob,
Am 04.05.2006 um 16:57 schrieb Jac:
Tja, Wolfram, hier haben wir wohl einen Dissenz. Als revolutionärer
Psychoanalytiker kann ich nur feststellen, daß es nicht reicht, die
inneren
Vorgänge des Kapitalismus zu begreifen, solange daß diesen zugrunde
liegende verinnerlichte Machtmodell als Modell sozialer Beziehungen
intakt bleibt und in eine freie Gesellschaft hinein fortgeschrieben
wird.
Marx benötigt eine Ergänzung durch Otto Gross u.a., um zu erkennen,
daß die Annahme, die Entfremdung des Menschen vom Menschen sei
allein seinen (Re-)Produktionsbedingungen geschuldet, Teil dieser Ent-
fremdung des Menschen von sich selbst ist.
Ich hätte mich gefreut, meine Argumentation überhaupt wieder zuerkennen.
Ich hab doch nirgendwo behauptet, dass die "Entfremdung des Menschen
vom Menschen allein seinen (Re-)Produktionsbedingungen" geschuldet
sei. Wenn, dann ist sie zum einen dem Wert als Abstraktionsmacht
zwischen den Menschen geschuldet und zum andern der
Identitätslosigkeit von Menschen, die ihre Abhängigkeit von ihren
Lebensbedingungen nicht zu überwinden vermögen (z.B. Konsumfixierung
usw.), also unfähig zu einer Kritik ihrer eigenen abstrakten
Bedingtheit sind.
Der Mensch wird nicht nur von äußeren Umständen geformt, sondern
von Beginn an vom Konflikt seines existentiell Eigenem im
Verhältnis zu
den äußeren Umständen. Er ist nicht nur seinem Produkt, sondern auch
seinen in diesem Konflikt nicht erlaubten Anteilen seiner Selbst ent-
fremdet. Dadurch wird die schizophrene Spaltung jedes Menschen zum
gesellschaftlichen Normalzustand. Diese außeren Umstände sind
teilweise den aktuellen Produktionsbedingungen geschuldet, teilweise
jedoch sehr viel älteren tradierten Bedingungen, deren Bezug auf
Produktionsbedingungen nicht erkennbar bzw. nicht überliefert ist.
Vielleicht ist da bisher zu wenig begriffen von dem, was der Grund
der Selbstentfremdung ist. Das hat nichts mit "älteren tradierten
Bedingungen" zu tun, etwa Archetypen oder so was. Das hat mit der
Kernspaltung der Menschen in ihrer Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung
zu tun, die sie als bloße Geldbesitzer haben (das ist die
allgemeinste Grundlage einer Dienstleistungsgesellschaft). Sie können
das, was sie wahrnehmen, nicht mehr menschlich beziehen auf das, was
sie wahrhaben. Sie haben, wie Du ja auch schreibst, eine Spaltung in
sich. Diese begreift die Psychonanalyse allerdings nur als einen
bloßen Dualismus und arbeitet daher auch nicht an dem
Erkenntnisproblem, das die Menschen wirklich haben, sondern an einem
ontischen, vorzeitlichen Gegensatz. Ich sehe nicht, wie das die
Kritik an diesen Verhältnissen befördern soll und weiß daher nicht,
was ein "revolutionärer Psychoanalytiker" ist.
Schönen Gruß
Wolfram Pfreundschuh
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