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[ox] Fwd: [chox] Rapid Prototyping, Selective Laser Melting, Projekt Ecomarble



Hi!

Zwischendurch muss ich doch mal kurz die folgende Mail von Helmuth an
[chox] hierher forwarden.

Interessant daran u.a. auch der konkrete Nutzen hochindividueller
Spezialanfertigungen - also keine Module o.ä.

Ansonsten natürlich wieder ein Beispiel für das immer weniger
notwendige menschliche Dazwischengehen zwischen digitalen Daten und
Materie. Den Dreh mit dem Standortfaktor hatte ich allerdings noch
nicht gehört ;-) .


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

------- Forwarded Message

Date:  Thu, 7 Aug 2003 20:19:41 [PHONE NUMBER REMOVED]
From:  Helmuth Supik <helmuth.s gmx.li>
Subject:  [chox] Rapid Prototyping, Selective Laser Melting, Projekt Ecomarble
To:  chat oekonux.de
Message-Id:  <200308072019.41288.helmuth.s gmx.li>

Über Kombinationen von PC + Technologien wurde in ´ox´ debattiert; hier eine
weitere ´Symbiose´
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Biss und Bytes

Computergesteuerte Laser und Fräsen machen bald Patienten glücklich und
Zahntechniker arbeitslos
http://www.zeit.de/2003/33/T-Zahnersatz

Von Dirk Asendorpf

Unternehmen, die ihre teuren Ersatzprodukte für lädiertes Kauwerkzeug, sprich:
Zahnersatz, demnächst ohne Kassenleistung auf dem freien Markt verkaufen
sollen, müssen sich schon etwas einfallen lassen. Eine echte Herausforderung
für die Reklame. So sieht es jedenfalls Michael Rückert, Marketingleiter der
Bremer Goldschlägerei (Bego), einer der großen deutschen Hersteller für
alles, was der Zahntechniker braucht. Rückert spart nicht an kräftigen
Sprüchen, wenn es um das neueste Produkt seiner Firma geht. "Wir haben das
Atomkraftwerk erfunden", behauptet er und meint damit: die Revolution bei der
Herstellung von Zahnersatz.

Völlig abwegig ist der Vergleich nicht. Denn genau wie ein Atomkraftwerk
Dutzende kleinerer weit verstreuter Kraftwerke ersetzt, so zentralisiert Bego
Medifacturing die Herstellung von Zahnersatz. Wie bisher fertigt der
Zahntechniker nach dem Gebissabdruck ein Gipsmodell der benötigten Krone oder
Brücke. Doch statt sie anschließend in Handarbeit und Gussverfahren selbst
herzustellen, legt er das Modell in einen Scanner, drückt am daneben
stehenden Computer den Startknopf und kann es kurz darauf am Bildschirm
begutachten. Mit Maus und Tastatur lässt sich der virtuelle Zahnersatz
beliebig drehen, wenden und nachmodellieren. Ein weiterer Knopfdruck
überträgt die Maße des Modells auf einen Computer der Bremer Bego-Zentrale.
Hier steht - hinter einer Panzertür gegen Industriespionage geschützt - die
Maschine, die aus den Daten das metallische Gerüst des Zahnersatzes herstellt
- oder "ausdruckt", wie der Physiker Axel Bauer vom Aachener
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik sagt. Er hat das "Selective Laser
Melting"-Verfahren gemeinsam mit der Bremer Goldschlägerei entwickelt.

Auf einer Platte wird feines Metallpulver aus Titan, Gold oder einer
Kobald-Chrom-Legierung verteilt. Ein scharf gebündelter Laserstrahl schmilzt
es nach den exakten Vorgaben aus dem Computer und verhärtet es zu einer 100
Mikrometer dünnen Schicht - das entspricht etwa dem Durchmesser eines Haares.
Anschließend wird wieder Pulver darauf verteilt, und der Laser fertigt die
nächste Schicht. Rund 100-mal läuft dieser Prozess ab, dann liegt das fertige
Ersatzteil auf der Platte. Es wird getestet, verpackt und verschickt,
spätestens 72 Stunden nach Dateneingang ist das Päckchen beim Zahntechniker.
Das wird in einem Vertrag ebenso garantiert wie mindestens fünf Jahre
Haltbarkeit und eine Passgenauigkeit, die so hoch ist, dass Karies-Bakterien
nicht durch den Spalt zwischen Zahn und Krone passen.

"Rapid Prototyping" heißt so etwas im Fachjargon und liegt im Trend - nicht
nur beim Zahnersatz. Auch im Maschinenbau werden Gussformen inzwischen immer
öfter aus mikroskopisch dünnen Schichten im Laserverfahren aufgebaut, und ein
Ersatzteil, das gerade nicht mehr auf Lager ist, kann auf die gleiche Art
schnell nachproduziert werden. Eine Schweizer Firma stellt Hörgeräte im Rapid
Prototyping her, die perfekt an den Gehörgang ihres Trägers angepasst sind.
Geht das kleine Gerät einmal verloren, kann die Firma mit den gespeicherten
Daten für schnellen Ersatz sorgen. Und im EU-Projekt Ecomarble werden exakte
Kopien antiker Büsten in feinsten Schichten aus Marmorstaub und Kleber
zusammengelasert.

Jedes Produkt ist ein Unikat, trotzdem läuft die Herstellung weitgehend
automatisch ab. Beim Zahnersatz hat solch "individualisierte
Massenproduktion" viele Vorteile. Der Zahntechniker kann in seinem Labor auf
teure Geräte und giftige Chemikalien verzichten, mit der zentralen Fertigung
sinken die Stückkosten, und der Patient kann schneller wieder zubeißen.
Spätestens nach einer Woche hat er die fertige Krone im Mund - kein Ärger
mehr mit provisorischen Füllungen, die natürlich immer dann herausfallen,
wenn kein Zahnarzt in der Nähe ist.

Zahntechniker müssen aufpassen, dass ihr Beruf nicht genauso verschwindet wie
der des Schuh- oder Uhrmachers. Noch dauert die Ausbildung dreieinhalb Jahre.
Der Zahntechniker lernt alles über die Funktionalität und Ästhetik des
Zahnersatzes, und er kann vom Modellieren mit Wachs über den Guss bis zur
keramischen Verblendung jeden Produktionsschritt auch selbst ausführen. Doch
schon ist eine Technik auf dem Markt, die nicht nur die Herstellung des
Gerüstes für Kronen und Brücken automatisiert, sondern gleich einen
kompletten Ersatzzahn liefert.

Andreas Kurbad hat solch einen Wunderapparat von der Firma Cerec in seiner
Zahnarztpraxis stehen. Vor dem Bohren steckt Kurbad seinen Patienten eine
Spezialkamera in den Mund. Die vermisst den Zahn, der erneuert werden soll;
eine CAD/CAM-Maschine im Nebenraum fräst sein exaktes Ebenbild aus einem
Keramik-Rohling heraus. "Nach einer Dreiviertelstunde kann der Patient mit
seiner neuen Krone nach Hause gehen", sagt Kurbad. Noch kostet das doppelt so
viel wie eine Keramik-Krone, die der Zahntechniker manuell herstellt.
"Trotzdem rennen uns die Leute die Bude ein", sagt Kurbad, denn eine Krone
aus Vollkeramik erspart nicht nur endlose Sitzungen beim Zahnarzt, sie sieht
zudem schöner aus als die bisher übliche Verblendung.

Auch aus Schweden, der Schweiz und den USA drängen Verfahren für die
maschinelle Herstellung von Zahnersatz auf den deutschen Markt. Acht
unterschiedliche Systeme sind schon im Einsatz. Eine Verlagerung der
Produktion ins Ausland ist jedoch nach Ansicht der Experten unwahrscheinlich.
Zwar wäre es technisch kein Problem, die Scanner-Daten anstatt in den
Nachbarraum oder nach Bremen nach Ungarn oder China zu übertragen. Da die
Produktion aber weitgehend ohne menschliches Zutun abläuft, ließe sich durch
Billiglöhne nicht viel sparen. Außerdem müssten die Patienten dann doch
wieder länger auf ihr neues Kauwerkzeug warten.

Und wie steht es um die Haltbarkeit der industriell gefertigten Ersatzzähne?
"Besser als beim Gießen" seien die Materialeigenschaften beim
lasergesteuerten Metall-Drucken, versichern die Bremer Goldschläger. Andreas
Kurbad ist sogar überzeugt, dass der vollkeramische Zahnersatz länger lebt
als der Patient, der ihn im Mund trägt. Doch dann nimmt er seinen flotten
Reklamespruch schnell wieder zurück: "Ich kann ja nicht behaupten, dass es 50
Jahre hält, wenn es das Verfahren erst seit ein paar Jahren gibt."

(c) DIE ZEIT 07.08.2003 Nr.33
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Rapid Prototyping:
http://www.google.com/search?q=Rapid%20prototyping&ie=UTF-8&oe=UTF-8
Ecomarble:
http://www.google.com/search?q=Ecomarble&ie=UTF-8&oe=UTF-8
Selective Laser Melting:
http://www.google.com/search?q=Selective%20Laser%20Melting&ie=UTF-8&oe=UTF-8



_______________________
http://www.oekonux.de/


------- End of Forwarded Message


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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