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Re: [chox] Re: [ox] Re: Interesse als Abstraktion



Hi Matti und Liste!

Nur noch wenig hierzu. Mir deucht ich habe Vieles schon so oder
ähnlich gesagt und (weitere) Wiederholungen bringen zumindest momentan
eher wenig.

Allerdings habe ich mal so ein bisschen auf der englischen Liste
versucht, die Ausgangsfragen, bei denen es mir (mittlerweile) bei OHA
u.a. geht, nochmal einfach so ganz unschuldig in den virtuellen Raum
zu stellen. Vielleicht kommen wir ja so herum weiter, ohne dass
ständig irgendwelcher Ideologieverdacht im Raum steht - was hier ja
aber auch nachgelassen hat.

Last month (40 days ago) Matthias Schulz wrote:
Am Sonntag, 31. August 2003 21:06 schrieb Stefan Merten:
Last month (33 days ago) Matthias Schulz wrote:
Am Sonntag, 20. Juli 2003 17:23 schrieb Stefan Merten:
Es würde mich sehr wundern, wenn das Abstrakt-Allgemeine dir fremd ist.
Das würde nämlich bedeuten auf der Ebene der Erscheinungen zu verharren.

???

Das Konkret-Allgemeine verharrt auf der Ebene der Erscheinungen?

Nein, aber das Konkret-Allgemeine enthält doch das sinnlich Konkrete und das
Abstrakt-Allgemeine.

Aha. Es ist also quasi die dialektische Synthese?

Das Abstrakt-Allgemeine selbst ist kein Teufelswerk ;-) . Es ist eine
wichtige Denkform um das Wesentliche, das Stabile zu erkennen.

Dazu geht auch das Konkret-Allgemeine - hatte ich verstanden.

Das Konkret-Allgemeine erfasst ein Ding in seiner Totalität, in seiner
Bewegung und Entwicklung.

Totalitäten sind IMHO nichts für Menschen. Macht mir den Begriff
verdächtig :-( .

Für
mich ist es aber etwas völlig anderes, als das Interesse, zu dem wir
gleich kommen.

In der 1. Person Plural: Ich kommuniziere mit anderen, denke mit ihnen
darüber nach, was für Gründe wir haben, reflektieren diese mit der
Realität, denken (vieldimensional) über Mühe und Nutzen bestimmter
Handlungen nach und finden uns irgendwann (hoffentlich) bei einem für
den jeweiligen Augenblick angemessenen gemeinsamen Interesse
[euer-Begriff-hier] wieder. Dieses Interesse [euer-Begriff-hier] wird
dann für's Erste für uns handlungsleitend.

Ja, das ist das Interesse, von dem ich rede.

Gut.

Nicht das Interesse ist handlungsleitend, sondern weiterhin der
Handlungsgrund bzw. das Interesse der 1. Person Singular. Sicherlich ist
das gemeinsame Interesse ein Moment der konkreten Handlungsgründe, aber
es ist nicht selbst der Grund.

Hier nimmst du eine Trennung vor, die m.E. nicht sachgemäß ist. Auch
hier scheint wieder das Sartre'sche Verhältnis von Ich und Anderen
auf, dass er als ein unüberbrückbares verstanden hat - IIRC. Das halte
ich aber für Blödsinn.

Ja, ich auch.
Ich schrieb ja, dass das Interesse ein Moment der Handlungsgründe ist. Ich
trenne also nicht.

Vielleicht liegt der Konsens in dem einen Moment ;-) .

Vielmehr kann ich die konkreten Handlungsgründe bzw. das
Interesse der 1. Person Singular nur in ihrem Verhältnis und ihren
Wechselwirkungen mit den Handlungsgründen anderer konkreter Menschen
begreifen.

Na, sage ich doch. Wobei das nur dann von Interesse (sic!) ist, wenn
du eine Totalität begreifen willst. Warum ist das *immer* nötig? M.E.
steht dieser Totalitätszwang momentan mehr im Weg als er hilft.

Ich gehe also nicht von der Monade aus, weil ein vereinzelter Mensch für mich
gar nicht denkbar ist.
Ich habe eher das Gefühl, das du von der Monade ausgehst. Dein Interesse 1.
Person Singular unterschiedet sich ja gerade vom gemeinsamen Interesse. D.h.
für mich, dass das individuelle Interesse ein vereinzeltes ist, dem du dann
das gemeinsame Interesse hinzufügen musst.
Dieses vereinzelte individuelle Interesse existiert aber für mich nicht,
weshalb auch das gemeinsame Interesse überflüssig ist.

Damit kann ich meinetwegen auch leben: Kein individuelles Interesse
und kein gemeinsames. Alles geht in Handlungsgründen auf. Meinetwegen.

Außerdem ist ein gemeinsames Interesse noch aus einem anderem Grund
problematisch. Wo sollte dieses sich denn befinden?

Na, auch die Gesellschaft befindet sich in diesem Sinne nirgendwo.
Findest du den Begriff deswegen auch problematisch? (Zur Vorbeugung:
Ich will *nicht* andeuten, dass Gruppe o.ä. in der gleichen Sphäre
liegt wie Gesellschaft!)

Wenn ich davon ausgehe,
das es nicht in der Luft schwebt, ;-) muss es sich in den Individuen
befinden. Damit unterstelle ich ihnen aber ein gemeinsames, ein gleiches
Interesse. Das kann ich nicht wissen und ich mache sie damit gleich.

Ein letztes Mal obwohl ich das wirklich schon x Mal gesagt habe: Du
wechselst hier in die 3. Person. Ich frage die Menschen bzw.
kommuniziere mit ihnen und befinde mich damit in der 1. und 2. Person
und kann auf diese Weise zu einer 1. Person Plural kommen. Du
postulierst den Außenstandpunkt - nicht ich.

Ist das gemeinsame Interesse handlungsleitend, würde ich vom entfremdeten
Fall sprechen.

Die Handlungsgründe / individuellen Interessen sind im gemeinsamen
Interesse für mich quasi verdichtet. Was für dich eine andere
Kategorie ist - die dann natürlich flugs eine äußerliche wird - ist
für mich bestenfalls ein anderer Aggregatszustand des gleichen Stoffs.
Hier liegt m.E. unser zentraler Dissens. Und der speist sich aus der
grundlegenden Auffassung vom Individuum und seinem Verhältnis zu den
Anderen.

Kannst du das mit dem "verdichtet" näher erläutern?

Ich denke, dass du es mit der Vernichtung des Begriffs Interesse
einigermaßen beschrieben hast.

Wenn ich die Totalität betrachten will, muss ich m.E. eben auch das
Werden der Handlungsgründe betrachten und dann kann ich da
vernünftigerweise schon differenzieren.

Eine Fokussierung ist leicht änderbar und schon das Wort beschreibt
die Tatsache, dass ein Ausschnitt aus einer Vielheit hervorgehoben
wird. Wie bei einer Lupe ist der Rest dadurch aber nicht weg sondern
eben nur gerade nicht im Fokus. Politik, etc. *kann* ich jetzt als
eine solche Fokussierung auf einen bestimmten Ausschnitt aus Themen
der menschlichen Existenz ansehen. So würde *ich* *alle* Begriffe
bilden wollen.

So funktioniert IMHO das Abstrahieren. Das ist eine wichtige
Voraussetzung. So siehst du aber nur lauter einzelne Elemente, die du
dann später irgendwie zusammen bringen musst.

Nein, nein, nein!! Das ist die Stanze!! Es sind *nicht* lauter
unverbundene Elemente. Wenn du mit einer Lupe auf einer Straßenkarte
operierst, dann siehst du auch, dass die Straßen am Rande deines
aktuellen Fokus weiter gehen. Die Lupe berücksichtigt das und von
daher ist gar nicht die Notwendigkeit, da irgendwas a posteriori
wieder zusammen zu bringen. Die Stanze sagt, dass die Straßen da
enden. *Dann* machst du allerdings einen kapitalen Fehler.

Was ist, wenn das Element nur aus dem Ganzen herraus
begreifbar ist?

Das ist genau das, was ich meine! *Alles* ist nur aus dem Ganzen
heraus zu begreifen. *Alle* Straßen führen am Rand weiter. *Alles*
andere ist Humbug bzw. ein kapitaler Fehler. Und ich hatte verstanden,
dass ihr diesen Humbug mit allgemein-abstrakt bezeichnet. Aber dennoch
kann ich mir die Straßenkarte einer Stadt anschauen und Sinnvolles
daraus lesen.

Hm, aber warum sind diese Straßen denn dort und warum verlaufen sie so und
nicht anders?

Eine Frage, die für die Totalität von Interesse ist.

Wenn ich aber nur von der Karl-Marx-Straße zum Richard-Stallman-Platz
kommen will, dann finde ich das reichlich nebensächlich. Mein Fokus
liegt dann auf dem Finden eines Weges - alles andere ist höchstens in
zweiter Linie wichtig.

Ich denke, ich kann den Verlauf der Straßen innerhalb einer Stadt nur als ein
Moment eben dieser Stadt begreifen. Eine Stadt bringt die Straßen hervor, die
ihr entsprechen. Also kann ich auch die Stadt nur begreifen, wenn ich sie als
ein Moment des Straßennetzes betrachte. Und das kann ich nicht sehen, sondern
nur begreifen.
Weiß ich nicht, das die Stadt die Straßen ihren "Bedürfnissen" entsprechend
hervorbringt, betrachte ich die Straßen als der Stadt äußerlich. Halte ich
nun das für die Wahrheit und gestalte die Welt so, baue ich die Straßen für
die Stadt, die ihr dann nicht entsprechen und somit real äußerlich sind
(Realabstraktion).

Ich sprach nicht gleich von der Totalität sondern von Fokussierung.
Aber dennoch Dank für die erhellenden Erläuterungen.

Es geht also darum Straßen (Strukturen) zu bauen, die mir selbst entsprechen
und nicht zu überlegen, wie sie aussehen müssten, damit sie anderen
entsprechen. Das kann ich nicht wissen.

Wissen kann ich sowieso nie etwas - nicht mal über mich. Ich kann
immer nur mehr oder weniger gut begründete Vermutungen anstellen.

Ansonsten kann ich andere fragen und mich von der Sphäre der 3. Person
in die der 1. und 2. begeben. Ich frage mich mittlerweile sehr
ernsthaft, warum diese Denkmöglichkeit bei dir nicht vorkommt.

Des Weiteren kann ich Vermutungen an Hand einer (zukünftigen) Realität
falsifizieren und in eingeschränktem Maße auch verifizieren. Auf einer
solchen Basis kann ich mein Handeln auch auf Menschen beziehen, die
ich nicht mal eben fragen kann. Meine Thesen von neulich sind sicher
ein Ausdruck diesen Herangehens. Wenn du so willst habe ich nach
meiner Kenntnislage eine Theorie über das soziale System Oekonux, sein
Umfeld und die Öffentlichkeit gebildet, in die es eingebettet ist, und
diese Theorie fließt jetzt in meine Handlungsgründe ein - um mal dein
Sprachspiel zu verwenden.

Außerdem kommen die Straßen, welche
ich für mich baue, auch anderen zu Gute, weil ich eben nicht vereinzelt bin.

Das kann, muss aber nicht so sein. Zufall reicht mir aber nicht, wenn
ich Ziele habe, die ich erreichen möchte, sondern ich möchte - nach
aktuellem Kenntnisstand - sinnvoll handeln um diese Ziele zu
erreichen und nicht unterwegs zu scheitern.

Was wäre die Alternative zu der in den Thesen niedergelegten
Theoriebildung? Ich sehe zwei Möglichkeiten.

Entweder ich interessiere mich für all diese Fragen nicht, tue
einfach, was mein Bauchnabel diktiert und hoffe mal, dass das eben
auch anderen über den zufälligen Prozess, den du skizzierst, schon
irgendwie zu Gute kommen wird. Und zwar den anderen, die ich
interessant finde - wenn ich denn für solche Fragen dann noch
Interesse aufbringe. Auf diese Weise entsteht so etwas, wie unbewusste
Maintainerschaft. Das kann funktionieren, kann aber eben auch
scheitern, weil mein Handeln eben nicht diese Zufälle evoziert - ähm
die Zufälle eben nicht eintreten. Hinsichtlich eines zielgerichteten
Handeln würde ich ein solches Vorgehen als dumm bis fahrlässig
bezeichnen.

Oder aber mich interessieren diese Fragen, ich postuliere aber, dass
ich über eine aktuelle Öffentlichkeit nichts wissen kann, begnüge mich
damit und betreibe dementsprechend keine Theoriebildung. Ich kann mein
Handeln nicht begründen und wende mich letztlich wieder meinem
Bauchnabel zu bzw. was mir ohne großes Nachdenken gerade so einfällt.
Kommt eigentlich das Gleiche raus wie im ersten Fall. Es kann zufällig
klappen - oder auch nicht.

Für zielorientiertes Handeln finde ich es aber wichtiger, solche
Theoriebildung zu betreiben. Nur so kann ich m.E. vernünftige
Handlungsweisen finden - und mich auch irren und etwas lernen. Diese
Theorie muss natürlich immer an die beobachtbaren Folgen des Handelns
gekoppelt bleiben - muss jede Theorie soll sie sich nicht von ihrem
Gegenstand entfremden. Alles andere ist für mich ein Blindflug ("ich
kann nichts wissen") und ich kann nicht erkennen, warum das unbedingt
der Weisheit letzter Schluss sein soll.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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