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Gruppen als Beziehungsgeflechte (was: Re: Re: [ox] Gibs Gruppen?)



Hi StefanMz, Liste!

Last week (10 days ago) Stefan Meretz wrote:
On Monday 21 April 2003 12:19, Stefan Merten wrote:
Die eine ist die, die mir StefanMz zu vertreten scheint: Das Handeln
der Einzelnen sollte im emanzipatorischen Interesse immer als völlig
losgelöst betrachtet werden.

Der Schein trügt, ich vertrete das Gegenteil: Die Einzelnen handeln
stets als gesellschaftliche Wesen, oder anders formuliert: Ihr
Handeln ist gesamtgesellschaftlich vermittelt. Daher kann das Handeln
überhaupt kein bisschen losgelöst betrachtet werden.

Gut. Das geht auch aus allem anderen hervor, was ich von dir gelesen
habe. Nur in dieser Debatte schien mir das anders zu sein. Das fand
ich selbst reichlich paradox.

Vielleicht bekommen wir es langsam so aufgedröselt, dass sich die (IMHO
scheinbare) Paradoxie irgendwann mal auflöst.

Ja, lass uns uns weiter bemühen. Danke auch für deine Ausführungen.
Wenn ich auch noch nicht alles verstehe, so weiß ich jetzt doch
wenigstens wieder ein bisschen besser, wo du entlang argumentierst.
Schauen wir, wie's weiter geht.

Aber vielleicht kann ich ja hier auch nochmal zwischendrin anknüpfen.
Du sagst, dass das Handeln gesellschaftlich vermittelt ist. Ja,
sicher. Aber wie sieht denn die Vermittlung konkret aus? Denkst du
nicht, dass z.B. die Menschwerdung / Kulturalisierung / Sozialisation
von Menschen sehr stark unter Bezug auf die jeweils vorhandenen
Gruppen stattfindet? Ist hier eine Betrachtung der Gruppe als Phänomen
nicht wichtig?

Das ist ein negativ formulierte Frage. Ich möchte sie umdrehen: Warum ist
eine Betrachtung der "Gruppe" als solcher wichtig? Was sagt sie über die
Menschwerdung aus?

"Gruppe" ist da IMHO ungeeignet, weil viel zu allgemein. Konkreter finde
ich z.B. die (personale) Kooperation, was auch nichts anderes als eine
Gruppe ist, aber eben eine inhaltlich qualifizierte.

Das klang jetzt in mehreren Mails von dir durch: Du würdest den
abstrakteren Begriff "Gruppe" nicht verwenden wollen und statt dessen
nur konkretere Gruppen wie Horden, Kooperationen (ähm - worin
unterscheiden sich eigentlich Interessengruppen und Kooperationen?)
usw. verwenden. Begründen tust du das damit, dass bei der Abstraktion
hin zur Gruppe alles (für dich) Spannende entfällt und deswegen der
Begriff sinnlos wird. Habe ich das richtig verstanden?

Ok, das sehe ich ein, dass das ein Standpunkt sein kann. Ich würde
allerdings meinen, dass allein die Tatsache, dass wir unproblematisch
einen gemeinsamen Begriff für alle diese konkreten Formen finden
können - deskriptiv stimmst du mir da ja zu -, einen Hinweis darauf
gibt, dass all diesen konkreten Formen etwas gemeinsam sein muss.
Dieses Gemeinsame wäre dann für mich erstmal das Spannende an diesem
Begriff. Oder? Außerdem sagst du, dass das Gemeinsame nur transzendent
sein kann - und damit emanzipatorisch verbrannt. Richtig?

Oder anders gefragt: Wie kürzen sich nach deiner
Ansicht die analytischen Elemente, die durch den Begriff Gruppe
möglich werden, durch eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung raus?

Welches sind denn die analytischen Elemente, die sich rauskürzen? Ich
kenne die nicht - wie soll ich das also beantworten?

Das Beziehungsgeflecht scheint mir ein wichtiges Element, was mit rein
gesellschaftlichen Betrachtungen nur unzureichend beschrieben werden
kann. Zum Beziehungsgeflecht gleich.

Fortsetzung anderenmails.

Gleich weiter.

Last week (10 days ago) Stefan Meretz wrote:
Weiter mit Gruppen:

On Monday 21 April 2003 13:49, Stefan Merten wrote:
Analytisch: Keine Ahnung. Was soll das sein?

Ich versuch's mal.

Gruppe bezeichnet für mich erstmal ein über einen gewissen Zeitraum
fortdauerndes Beziehungsgeflecht konkreter Menschen (das ist jetzt wie
andernmails bemerkt vor allem die Interessengruppe). Das kann explizit
konstituiert sein - durch eine entsprechende Erklärung. Oder es gibt
implizit entstehende Beziehungsgeflechte, die durch das mehr oder
weniger zufällige Aufeinandertreffen von Menschen entstehen können
(z.B. die Wartenden an einer Bushaltestelle). Kann spontan und
temporär sein oder auch fortdauernd.

So weit, so deskriptiv ok.

Ok. Bleiben wir erst mal dabei.

Wichtig hier: Das Beziehungsgeflecht hat einen Grund. Bei der
Interessengruppe ist es das gemeinsame Interesse, das alle verbindet.
Gibt es einen solchen Grund nicht, gibt es auch kein
Beziehungsgeflecht.

Ok. Vielleicht nochmal die obigen Sätze von mir lesen. Deine
Interpretation stellt jedenfalls meine Intention völlig auf den Kopf.
Wie schon bei der Diskussion um Repräsentation und auch bei der
aktuellen um Identität habe ich das Gefühl, dass du manche Begriffe
einfach halbierst und die Hälfte, die dir nicht ins Konzept passt,
einfach wegwirfst. Das finde ich ärgerlich - gelinde gesagt. Aber
wenigstens verstehe ich damit, warum ich dich nicht verstehe. Und ich
verstehe, warum das (für mich) auch nicht sinnvoll wäre: Halbierte
Begriffe zeigen nur (aber wahrscheinlich nicht mal) die halbe Welt.

[Später in der Mail ist deine Hälfte die Außenperspektive.]

Hier möchte ich "Grund" und "Interesse" unterscheiden.

Ich auch.

Der Grund liegt bei
der Person, er ist "erster Person".

Nein. Der Grund so wie ich es oben meinte ist eine Tatsache, die
erstmal völlig unabhängig von einem konkreten Menschen ist. Der Grund,
dass Menschen essen, liegt darin, dass sie Nahrungsaufnahme zur
Fortsetzung ihrer physischen Existenz brauchen. Gründe für das
Entwickeln Freier Software gibt es eine Reihe. Darunter Notwendigkeit
und Spaß am Programmieren. Ein Grund ist also sicher nicht "erster
Person". Und der muss auch gar nicht festgestellt werden um
wirkmächtig zu werden. Du musst nicht feststellen, dass du Nahrung
aufnehmen musst um hungrig zu sein.

D.h. ob der Grund für eine Software-Entwicklung Spaß oder
Notwendigkeit oder sonstwas ist, muss nicht festgestellt werden damit
das Entwickeln beginnt. Er kann aber festgestellt werden und wenn es
nicht entfremdet geschieht, wird die handelnde Person dem auch
zustimmen können - oder sich den Grund sogar selbst überlegen.

Für Gruppen gilt dann, dass es einen Grund für deren Existenz gibt.
Bei Interessengruppen z.B. um gemeinsam etwas zu erreichen. Wobei
dieser Grund, ein Ziel zu erreichen gar nicht unbedingt so
super-bewusst sein muss. Aber um das Phänomen Gruppe zu verstehen ist
es m.E. wichtig, dass es diesen Grund immer gibt.

Kurz: Es gibt keine grundlosen Gruppen. Es gibt aber grundlose
Menschenansammlungen. Das scheint mir sogar eine wichtige
Differenzierung zwischen Menschenansammlungen und Gruppen zu sein.
Oder anders formuliert: Gibt es eine Gruppe, dann muss es einen Grund
für sie geben. Ob der festgestellt wird, feststellbar ist und ggf. von
wem ist für ihre Existenz aber unerheblich.

Das persönliche Interesse liegt auch
bei der Person, es ist jedoch "dritter Person" - es wird von anderen
festgestellt

Wie bitte? Entschuldige, aber diese Bedeutung von Interesse ist mir
bisher wirklich noch nie über den Weg gelaufen. Ich würde ganz im
Gegenteil sagen, dass Interesse eben erstmal *nur* von den konkreten
Personen festgestellt werden kann. Zumindest im emanzipatorischen
Sinn. Alles andere ist natürlich Ideologie. Aber das beschadet ja
nicht, dass Menschen ihre eigenen Interessen feststellen können -
einzeln oder gemeinsam.

(Ich klammere mal das "Ich habe das Interesse, dass..." aus,
denn es ist für mich die mit dem Wort "Interesse" formulierte Angabe
meines Handlungsgrundes).

Ach so, du klammerst aus, was meine Bedeutung ist. Oh je, die
babylonische Sprachverwirrung muss ja geradezu paradiesisch gewesen
sein gegenüber diesem Bedeutungschaos :-( ... Die hatten damals aber
wohl wenigstens den Vorteil, dass sie merkten, dass sie völlig
verschiedene Sprachen sprechen...

Das Interesse hängt natürlich mit dem Grund zusammen. Interesse ist
für mich eine durch das Bewusstsein gegangene, konkrete und
individuelle Widerspiegelung von Gründen. Die kann beliebig verzerrt
oder auch adäquat sein. Was wiederum auch niemensch feststellen muss,
sondern sich durch den praktischen Erfolg irgendwelcher Bemühungen
zeigt.

Das Interesse am Herumkauen auf Gras beispielsweise ist für Menschen
eine Möglichkeit. Es hat aber nicht geeignet was mit einem Grund der
Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme zu tun - wie sich am praktischen
Erfolg zeigt. Da muss niemensch von Außen was feststellen. Die Praxis
lehrt hier völlig hinreichend.

Dies wird insbesondere deutlich, wenn es darum
geht, "gemeinsame Interessen" festzustellen, die z.B. Gruppen
konstituieren.

Das behauptest du so und es mag deiner Erfahrung entsprechen.

Dass die Welt immer und überall so sein *muss*, davon hast du mich
schon bei der Repräsentation nicht überzeugen können. Was ist "dritte
Person" wenn sich eine Gruppe von Menschen einstimmig auf etwas
einigt? Z.B. auf ein gemeinsames Interesse? Diese simple Frage hast du
nie beantwortet IIRC.

Das alles ist kein Problem, wenn man das konstatiert: Aha, die wollen wohl
mit dem Bus fahren, es scheint ein gemeinsames Interesse zu sein.

Die Gruppe kann das auch selbst klären. Ein Außen braucht es dazu gar
nicht.

Es wird
zum Problem, wenn "man" - irgendwer - darauf etwas aufsetzt. Denn der
Anschein kann trügen. Es kann sich um eine Kunstaktion handeln, oder die
scheinbar Wartenden haben nur Schutz vor einem Platzregen im
Wartehäuschen gesucht usw.

Das ist der Grund, warum ich bei Klassen / soziologischen Gruppen,
über die ich andern-subthreads geschrieben habe, sehr vorsichtig wäre.
Unsere Probleme sind hier wohl die gleichen (Hurra!). Dennoch nimmst
du *ausschließlich* die Außenperspektive ein während ich auch die
Innenperspektive stark machen möchte.

Bei "gemeinsamen Interessen" muss es sich also um eine "objektive"
Konstruktion handeln, deren Bezug solange transzendent ist, wie keine
Handlung erfolgte.

Das scheint mir in die Richtung zu gehen, was ich als den Grund für
eine Gruppe bezeichnen würde. Ich würde dir sogar zustimmen, dass ein
solcher Grund gewisse transzendente Qualitäten hat - insbesondere wenn
er nicht immanent festgestellt ist. Na und? Der Grund ist doch
lediglich eine analytische Kategorie um ein Phänomen wie Gruppe in
Abgrenzung z.B. zu Menschenanzahl fassen zu können. Das Problem im
emanzipatorischen Sinne entsteht doch erst dann, wenn jemensch einen
nicht-immanenten Grund projiziert - oder?

Wenn die Leute in den Bus steigen, ist die Sache
aufgelöst.

Oder wenn sie sich darüber verständigen.

Ich gehe also auch von "gemeinsamen Interessen" aus, aber erst
in der Handlung zeigen sie sich.

Die Handlung kann aber auch eine Einigung sein. Kommunikation ist auch
Handlung.

"Davor" ist es Mutmaßung. Ich kann zwar
annehmen, dass "Frieden" ein gemeinsames Interesse ist, oder "Freiheit",
aber was ist das schon - konkret?

Ja, ja, d'accord.

Aber wie ist die Innenperspektive? Ich kann mich mit anderen
verständigen und kann mit ihnen gemeinsame Interessen formulieren.
Auch wenn ich vielleicht keinen Grund dafür angeben kann, so gibt es
ihn doch irgendwo. Aber wen juckt das eigentlich in einer konkreten
Situation (mal abgesehen davon, dass die Kenntnis von Gründen
Effektivität steigern kann)? Warum ist diese *analytische Kategorie*
*per se* und ganz konkret wirkmächtig? Und "per se" meint hier, *ohne*
dass sie jemensch festgestellt hat.

Dieses Beziehungsgeflecht und die in ihm sich bewegenden Individuen
wechselwirken miteinander.

Das Beziehungsgeflecht tut gar nichts. Die Individuen mögen wechselwirken,
und die resultierende Gemengelage mag man Beziehungsgeflecht nennen.

Menschen nehmen Einfluß auf das Beziehungsgeflecht, sie agieren darin
und "es macht" auch etwas mit ihnen.

"Es macht" gar nichts. "Beziehungsgeflecht" ist doch nur ein Begriff, eine
Metapher, um die Vielfalt der je konkreten Beziehungen zu beschreiben.
"Beziehungsgeflecht" ist wie "Gruppe" kein handlungsfähiges "etwas".

War ja klar, dass du darauf springen würdest. Ich hatte "es macht"
extra in Anführung gesetzt, weil es natürlich nicht im engeren Sinne
"etwas macht".

Aber das Beziehungsgeflecht hat Einfluss auf die konkreten Individuen,
da es ihr Handlungsrahmen ist. Menschliches Handeln muss sich nun mal
am je gegebenen Handlungsrahmen orientieren. Wird der Handlungsrahmen
(zu heftig) ignoriert, wird das Handeln ineffektiv und im Extremfall
bedeutet dies den Tod des Individuums.

Ich
verhalte mich nicht zu Geflechten, sondern zu den konkreten Menschen.

Das ist ja nun die Frage. Bringt es vielleicht ganz gut auf den Punkt.

Ich will es mal ein bisschen anders formulieren, hoffend, dass du dem
noch zustimmen kannst: Du sagst, du hast eine Beziehung immer nur zu
ganz konkreten Menschen - jedenfalls insofern es für dich
handlungsrelevant ist. Kannst du das teilen?

Wenn diese Einzelbeziehungen so säuberlich separiert werden können,
dann macht es also keinen Unterschied, ob in eurer gemeinsamen Gruppe
auch andere konkrete Mitglieder Beziehungen zu anderen konkreten
Mitgliedern haben. Denn wenn diese Beziehungen zwischen anderen
Mitgliedern irgendetwas mit deinen Beziehungen zu tun hätten, dann
könnten sie nicht säuberlich separiert werden. In der Tat ist dies für
mich dann eine Menschenansammlung.

Ich behaupte aber, dass auch du sehr wohl auch die Beziehungen der
anderen Mitglieder untereinander im Blick hast. Dass es auch für dich
handlungsrelevant ist, wie die Beziehungen zwischen anderen
Mitgliedern konkret aussehen. Und damit ist - im Rahmen einer Gruppe
und im Gegensatz zu einer Menschenansammlung - das Beziehungsgeflecht
eben sehr wohl und unmittelbar handlungsrelevant. Damit wird das
Beziehungsgeflecht *als solches* zu einer handlungsleitenden Kategorie
(unter anderen). Und damit ist das Beziehungsgeflecht eben nicht mehr
vernachlässigbar.

Kurz: Das Beziehungsgeflecht ist der Handlungsrahmen, in dem
sich Menschen immer bewegen. Und genau da wird der Begriff für mich
*absolut* spannend: Es ist der Rahmen, in dem Menschen handeln!

Die Beziehungen mögen spannend sein, und ich finde es sehr problematisch
darüber eine vereinheitlichende Maske zu legen.

Beziehungsgeflecht legt über die Beziehungen genausowenig eine
vereinheitlichende Maske, wie der Begriff der Gesellschaft über
Individuen eine vereinheitlichende Maske legt. Es handelt sich einfach
um eine andere Kategorie. Sie ist für Menschen (neben anderen)
handlungsleitend und damit relevant.

Dann nötige ich mich
selbst, dem "Beziehungsgeflecht" ein Wesen zuzuschreiben, dass nur einen
transzendenten Bezug haben _kann_. Es gibt keine Gesetzmäßigkeiten der
Beziehungsgeflechte.

Das klingt nach: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf."
Beziehungsgeflecht muss transzendent sein, also kann es das nicht
geben. Darauf kommst du, weil du konsequent und ausschließlich die
Außenperspektive einnimmst. Nimm mal die Innenperspektive ein und die
Welt sieht radikal anders aus.

Den Rest, der überwiegend nach - m.E. unbegründeten - Anschuldigungen
riecht, schenke ich uns mal weitgehend.

Können wir Kriterien angeben, die zu
der einen oder anderen Sorte Einflüsse führen?

Ich glaube nicht. Aber um es konstruktiv zu wenden: Eine sinnvolle Frage
finde ich die nach Handlungsmöglichkeiten, mit denen sich ich und andere
selbst Einfluss und Handlungsspielraum verschaffen können. Das führt weg
von Spekulationen über Einflüsse _auf_ die Leute und ihren Reaktionen.

Ist der Unterschied deutlich geworden?

Der wichtigste Unterschied, der für mich deutlich geworden ist, ist
der, dass du in diesem ganzen Begriffsfeld konsequent und
ausschließlich den Außenstandpunkt betrachtest. Das ist für mich nicht
mal die halbe Wahrheit.

Wobei ich dir andererseits bei dieser Hälfte ja auch inhaltlich immer
wieder zustimme. Wo ist deine immanente Perspektive, der
Innenstandpunkt, der Standpunkt erster Person? Wo ist das "Wir" im
Gegensatz zum "Sie" (3. Person Plural)? Ich behaupte, dass das, was du
von Außen kritisierst von Innen andere Qualitäten hat. Darunter
durchaus emanzipatorische. Für mich ist - mal wieder - der Knackpunkt
die Entfremdung. Die ist problematisch.

Wenn es wirklich um
Selbstentfaltung geht, dann um jene Möglichkeiten, die je meine und so
auch die aller Entfaltung begünstigen. Das ist eine Frage "erster
Person", aus eben je meiner Perspektive. Im Unterschied dazu guckt die
Frage "dritter Person" nach Bedingungen und Kriterien, ob diese dies oder
jenes Verhalten (z.B. für Freie Software) günstig beeinflusst. Etc.

Du irrst dich vollständig: *Für mich* (erste Person!) ist es wichtig,
so zu handeln, dass *ich* effektiv bin. Dazu muss *ich* den
Handlungsrahmen kennen und dazu gehören eben auch die je wirksamen
Einflüsse und ggf. wie ich mich in diesem Rahmen bewegen kann. Kurz:
Ich muss den Handlungsrahmen kennen um überhaupt handlungsmächtig sein
zu können...

So
"funktionieren" Menschen aber nicht, und wenn sie es doch tun, ist jede
Emanzipation am Ende. Das ist für mich der Knackpunkt: Drittstandpunkt
(Aussenstandpunkt) und Emanzipation gehen nicht zusammen.

...Diese Handlungsmacht *kann* manipulativ oder sonstwie
anti-emanzipatorisch eingesetzt werden - und dann würde ich es als
entfremdet bezeichnen. Aber Handlungsmacht *kann* auch emanzipatorisch
eingesetzt werden. (Klingt irgendwie nach Potestas vs. Potentia. Wohl
kein Zufall, dass wir immer wieder in der Ambivalenz von Macht
hinsichtlich Emanzipation landen...)

Deine Position ist jetzt - so verstehe ich es: Diese Handlungsmacht
*kann* ausschließlich anti-emanzipatorisch eingesetzt werden. Hier
bist du aber für meinen Geschmack zu schnell. Denn wer entscheidet
denn, was konkret anti-emanzipatorisch ist? Du gehst hier mit einem
extrem äußerlichen Kriterium her und sagst: "Handlungen, die auf
dieser Grundlage vorgenommen werden, können immer nur
anti-emanzipatorisch sein." Ich wäre da ein Stück vorsichtiger und
würde lieber die konkret Betroffenen nach ihrer Meinung fragen.

Ein analytischer Begriff
"Gruppe" macht für mich keinen Sinn - was soll der Inhalt sein, was
seine Qualität?

Die Frage verstehe ich nicht, weil ich die Begriffe nicht verstehe so
wie du sie verwendest.

Ein analytischer Begriff (=Kategorie) hat für mich inhaltliche
Bestimmungen, die eine bestimmte Qualität des so gefaßten Gegenstands
(das Wesentliche an ihm) fundieren.

Ein deskriptiver Begriff vermag hingegen direkt Phänomene zu benennen, was
eine Kategorie nicht kann.

Vereinfacht zielt ein analytischer Begriff auf das Wesen und ein
deskriptiver Begriff auf die Beschreibung einer Sache. Perfekt verwirrend
wird es dann, wenn dies mit ein und demselben Wort geschieht (was nämlich
möglich ist).

Ich glaube fürs Erste werde ich erstmal das Beziehungsgeflecht als die
bestimmte Qualität einer (Interessen)gruppe betrachten. Das
Beziehungsgeflecht unterscheidet die (Interessen)gruppe von einer
Menschenansammlung. Außerdem gibt es immer einen Grund für eine
(Interessen)gruppe. Auch dies unterscheidet sie von der
Menschenansammlung.

Auf das Moluekülbeispiel gewandt: Haben alle möglichen
Gruppen unterschiedlicher Atome etwas gemeinsam, was dem Begriff des
Moleküls Sinn gibt? Oder ist diese Anzahl von Menschen / Atomen exakt
die Gleiche und durch nichts unterscheidbar, wenn sie völlig
beziehungslos in äquidistanten Abständen auf diesem Globus verteilt
sind?

Wie schon dargestellt: Atome und Menschen sind nicht vergleichbar. Und
Menschen wären keine Menschen, wären sie äquidistant über den Globus
verteilt - wie sollten sie dann z.B. kooperieren?

Nun, von den x Milliarden Menschen auf diesem Globus kannst du leicht
10, 100, 1000 herausgreifen, die äquidistant verteilt sind und die
nicht im Entferntesten kooperieren. Und natürlich nichts voneinander
wissen - nicht mal, dass du sie als eine Anzahl betrachtest. Diese
bilden zwar eine Anzahl Menschen - aber keine Gruppe. Ihnen fehlt der
Grund. Wenn sie nur wüssten, dass du sie gemeinsam betrachtest, wäre
das übrigens schon ein hinreichender Grund - und die Betrachtung als
reine Anzahl beendet.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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