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[ox] WG: [Hoppetosse] cee ieh zu oekonux-konferenz



Hallo!

Da ich den nachfolgenden Text noch nicht auf dieser Liste entdeckt habe,
leite ich ihn einfach mal weiter und distanziere mich von vornherein von
jeglicher Aussage der folgenden mail.

Bunte grüße

julian

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: hoppetosse-bounces listi.jpberlin.de
[hoppetosse-bounces listi.jpberlin.de] Im Auftrag von Micha
Gesendet: Montag, 16. Dezember 2002 17:03
An: hoppetosse listi.jpberlin.de
Betreff: [Hoppetosse] cee ieh zu oekonux-konferenz

Hallo,

da es vielleicht einige interessiert, jedoch wohl nicht jedeR auf der
Liste in den Genuss des
Leipziger Szeneblaettchens "cee ieh" kommt, poste ich das Teil einfach
mal.

Ciao
Micha

--
fuer selbstbestimmtes leben & lernen ...
--> das (bildungs)system ueberwinden!
* www.bildungskritik.de *
* www.fau.org/bsy *

*    *    *

Quelle: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/ci/nf/94/21.html

Widerruf und Bekräftigung: Oekonux-Konferenz.


Ich habe mich im CEE IEH #74 über das Buch von Stefan Meretz ?Linux &
Co? lustig gemacht. Dies war
falsch. Zur Entschuldigung fuhr ich zur Oekonux-Konferenz (Oekonux =
Ökonomie & Linux). Dies war
ebenfalls falsch. Denn darüber muss ich mich erneut lustig machen.

Widerruf

Es gibt in fast jedem Wissenschaftsbereich Menschen, die sich kritisch
dünken und gleichzeitig an
ihrem Gebiet hängen. Sie gründen dann Arbeitskreise, die sich ?Kritische
Medizin?, ?Kritisches
Bankwesen? oder ?Kritische Astrologie? nennen ? und nicht weiter von
Interesse sind. Eine Ausnahme
stellt vielleicht der Leipziger Arbeitskreis ?Kritische Psychologie?
dar, der immerhin in der Lage
war, zu einem interessanten Kongress nach Berlin zu fahren, in dem
untersucht wurde, inwieweit die
bürgerliche Subjektbildung im Kapitalismus mit der Psychologie
zusammenhängt. Ein Bericht steht
leider noch aus; hier soll nicht weiter die Rede davon sein. Die
kritischen InformatikerInnen
glauben allerdings, an einem großen Ding dran zu sein: Während die
anderen ?kritischen Menschen? nur
im Kopf herumanalysieren oder am System herumdoktern wollen, haben sie
den Dreh raus, sowohl
analytisch als auch praktisch ? und das volle Kanne systemsprengend. Auf
der Höhe der Wertkritik,
Abteilung Krisentheorie, sich befindend, postulieren sie, dass der
Kapitalismus eine
selbstregulierende, kybernetische Maschine sei, deren einziger Sinn
darin bestünde, Mehrwert zu
schaffen. Die Maschine namens Kapitalismus produziere innere
Widersprüche, gehe daran demnächst
zugrunde und trage Keimformen einer neuen Gesellschaft in sich. Diese
Keimformen sprießen jedoch
nicht zwangsläufig, sondern müssen entdeckt und gepflegt werden.
Eine der Keimformen sei die Freie Software, die sich mittels besonderer
Lizensen der Verwertung
entziehe. Die ?Kritischen InformatikerInnen?, die sich im
Oekonux-Projekt zusammengefunden haben,
wollen nun keine Freie Software programmieren, sondern untersuchen,
inwieweit Freie Software ihre
systemsprengende Kraft entfalten kann, wie dies befördert werden könnte
und wie gesellschaftliche
Utopien beschaffen sein müssten. Ein äußerst sympathisches Unternehmen,
welches sich daran macht,
auf der Höhe der Zeit eine Aufhebungsbewegung zu initiieren: ?Aber was
tun, wenn nicht am
Kapitalismus herumreformieren? Einfach: Dämme bauen und Schiffe bauen.
Dämme bauen bedeutet,
Erreichtes zu verteidigen, aber keinen Pfifferling zu geben auf den
Kapitalismus. Schiffe zu bauen
bedeutet, den Kapitalismus nicht nur gedanklich abzuhaken, sondern hier
und heute Neues erfinden.
 Dies klingt bei den ?Kritischen InformatikerInnen? so plausibel, da sie
einerseits nicht wie die
?Kritischen Landwirte? zurück (zur Natur, in die Vormoderne etc.)
wollen, anderseits nicht wie die
?Kritischen KritikerInnen? nicht über das Bestehende kühn hinaus. Sie
verbieten sich nicht das
Denken von Alternativen ? und das, ohne gleichzeitig kitschige
Gesellschaftsmodelle, die im
Bestehenden verhaftet bleiben, zu entwerfen. Die Lektüre der
entsprechende Texte und des damals
geschmähten Buches sei hiermit ausdrücklich empfohlen.

Bekräftigung

Vom 1. bis 3. November fand in Berlin die 2. Oekonux-Konferenz unter dem
Motto ?Wertfrei und Spaß
dabei! Von der Freien Software zur Freien Gesellschaft? statt. Die 100
TeilnehmerInnen enttäuschten
die OrganisatorInnen vor allem quantitativ ? sie hatten einfach mehr
erwartet. Dabei hätten sie mehr
über die Qualität der Referate und Diskussionsbeiträge erschrocken sein
sollen. Aber wahrscheinlich
sind sie das schon gewöhnt. An das Niveau der wenigen
Oekonux-MacherInnen kommt die Masse auf
absehbare Zeit nicht heran. Oekonux ist als politischer Zusammenhang so
ehrlich, dies nicht zu
vertuschen ? und so naiv, dies für eine politische Qualität zu halten.
Das Ergebnis ist
indymedia-like: Eine gute Idee wird von unterschiedlich stark verwirrten
Menschen dazu genutzt,
ihren Müll abzuladen.

Logovorschlag für Oekonux #1: Linux bringt Fortschritt und Freiheit.
Oekonux hatte im Vorfeld dazu eingeladen, eigene Vorträge und Workshops
anzumelden. Während wir in
Leipzig dachten, zu ?dumm? dafür zu sein, fehlten es einigen anderen an
der richtigen Mischung aus
Schüchternheit, Respekt und Schamgefühl, im Kontext der
Oekonux-Konferenz Diplomarbeiten einer
Zweitverwertung zuzuführen oder ? viel schlimmer ? krude Projekte, die
nicht einmal in einer Freien
Schule durchgeführt werden könnten, vorzustellen. Die MacherInnen
schienen dies schon geahnt zu
haben und versuchten erst gar nicht, ihren theoretischen Ansatz auf der
Konferenz zu vermitteln oder
zu diskutieren. Vielmehr begaben sie sich in eine Diskussion um
technische Detailfragen, denen das
Publikum aber auch nicht gewachsen war.

Ein paar Auszüge aus den Ankündigungen zu den Veranstaltungen mögen zur
Veranschaulichung genügen
(alle Rechtschreibfehler im Original): ?Virtuelle Welten ? Kulturelle
Aspekte ? Revolutionäres
Potential ... Im Vortrag geht es ... um die virtuelle Abbbildung einer
real existierenden Stadt als
Möglichkeitserweiterung der darin lebenden Bürger. ... zusätzliche
Persönlichkeiten, kreative
Möglichkeiten und revolutionäres und somit Weltfriedenspotential eines
solchen Projektes ? alles am
Beispiel der Friedensstadt Osnabrück :-)? Die Nazis von Osnabrück können
sich im Internet
transidentitäre Identitäten zulegen und ganz friedlich mit dem
türkischen Gangs chatten, während der
Bürgermeister auslotet, wieviel Schmiergeld von den örtlichen
Rüstungsfirmen die Bevölkerung
moralisch angemessen finden. Alles sehr revolutionär das.

Revolutionär ist auch die ?Revolutionäre Bildungsarbeit. ... Jeder
Mensch ist ein Experte ... Linux
ist ein Computer Betriebssystem ..., das viele Eigenschaften einer
?anderen Welt?, eines
solidarischen, kooperativenn Lebens und Arbeitens verbindet. ...
Gleichzeitig liefert diese Form der
Produktion ... die hoehere Qualität! Davon ist inzwischen auch die
deutsche Regierung ueberzeugt.
Der Bundestag stellt auf Linux um, andere Behoerden wollen nachziehen.?
Ein Linux-Bundestag führt
plötzlich nur noch friedliche Menschenrechtskriege und der
Verfassungsschutz kann mit Freier
Software effektiver Telefonate von bösen AntimilitaristInnen überwachen.
Was eigentlich zum
Nachdenken über das Potential von Freier Software anregen sollte (Linux
im Bundestag), wird
lediglich als mühsam erkämpfte Anerkennung von der Gegenseite
verstanden, für die mensch sich rühmen
kann. Aber weiter im Text: ?Linux Lernen, Lieben, Leben ist auch ein
ernsthafter Angriff auf das
Monopol von Micro$oft ... Mit selbstorganisierten, politischen Linux
Seminaren fuer AnfaengerInnen
und Fortgeschrittene wollen wir unser Wissen mit Euch teilen und Euch
die Moeglichkeit geben, Euch
aus den Klauen von M$ und anderen zu befreien. ... Auf der Oekonux
Konferenz moechten wir mit
anderen ueber einen ReferentInnenpool und Vernetzung der verschiedenen
Kurse nachdenken.? Sind
eigentlich Umlaute nach der Revolution noch erlaubt?
Dies wird vielleicht im Deutschunterricht geklärt, der ? wenn sich das
Projekt ?OpenWebSchool
 durchsetzen sollte ? nur noch im Internet stattfindet: ?Dabei sollen
die Vorteile des Internets für
Schulen und Schüler genutzt werden: Da diese Unterrichtseinheiten
jederzeit zur Verfügung stehen,
können alle Schüler und Lehrer diese zu beliebiger Zeit an beliebigem
Ort einsetzen.? Wenn die
Lehrinhalte nach Hause kommen, ist es Schluss mit der Zeit, als es
Kältefrei an der Schule gab. Aber
auch die Werbung soll verstärkt in die Bildung Einzug halten:
?Vielleicht gibt es auch Sponsoren,
die Preise für die interessantesten, witzigsten, schönsten, lustigsten
Programme aussetzen.? Die
perfekte Überwachung der SchülerInnen ? wer guckt ab oder schaut sich
die Werbung nicht lang genug
an ? ist gleich mit integriert: ?Interessant dürften in diesem
Zusammenhang die Möglichkeiten der
quantitativen Analyse von Lernverhalten am Computer sein: Durch
modifizierte Scripts können leicht
eine Menge von Daten über die Anwendung der Unterrichtseinheiten
gewonnen werden. Die Erkenntnisse
aus der Auswertung dieser Daten können umgehend in die Optimierung der
Lehreinheiten fließen.?

Logovorschlag #2 als Bildrätsel: Linux produziert Autos ? natürlich
copyleft.
Weniger revolutionär ging es im Vortrag über ?Kommerzielle Freie
Software? zu: ?Weiterhin wird die
These vertreten, dass kommerzielle Software im Umfeld von Freier
Software zu begrüssen sind und
positive Effekte für die gesamte demokratische Gesellschaft fördern. ...
Es wird skizziert, wie
Freie Software den Unternehmen und der Unternehmenskultur nutzen kann.
Also die
betriebswirtschaftliche Sichtweise im gegensatz zur reinen
Volkswirtschaftlichen.? Wie nur konnte
dieser konterrevolutionäre Spaltpilz innerhalb der revolutionären
Keimform übersehen werden?
Es gab noch andere giftige Pilze. Das ?Projekt Hostsharing AG? will ?die
Philosophie von Open-Source
auf ein wirtschaftlich, tragfähiges Geschäftsmodell übersetzen. ... Ziel
ist es, eine gesunde
wirtschaftliche Basis zu entwickeln um äußere finanzielle Zwänge
weitestgehend zu vermeiden.
Gesundes Wachstum, Qualität und Kontinuität statt Masse? ? Deutsche
Markenware eben! Im Vortrag
?Management and Virtual Decentralised Networks. The Linux Projekt?
interessiert sich der Referent,
wie sich die flachen Arbeitsstrukturen der Software-Entwicklung auf
andere Industrie-Bereich
übertragen lassen, z.B. in der Pharma-, Automobil- und
Telekommunikations-Industrie sowie im
Bankwesen.
Das Bankwesen hat allerdings Nachhilfe in Sachen modernem Management
dringend nötig ? schließlich
wird im folgenden Workshop der Aufstand der verkürzten
Kapitalismuskritik geprobt: ?freie vernetzte
kultur ... Sprachen darstellen und lernen im Web. ... Also z.B. suaheli
für tuerken, fuer basken,
fuer russen, fuer chinesen ... das web ermoeglicht es, wenn geeignete
werkzeuge vorhanden sind, auch
sehr seltene, vom aussterben bedrohte sprachen zu bewahren.? Das Web
ermöglicht es leider auch, sehr
weitverbreitete und krude Gedanken zu bewahren. ?Verwandt mit dem
vorstehenden ist,
sprachverwandtschaften aufzuspueren. ... die studien und ergebnisse
koennten und sollten via web
popularisiert werden. ... Beispielweise heisst in einer afrikanischen
sprachhe mit einer
nicht-monotheistischen goetterwelt ?gott? wodun. ... Die naehe von
?wodun? zum germanischen ?wotan?
ist nun mehr als verblüffend.? Wozu die ganze Sprachforschung gut ist?
Wahrscheinlich für das
babylonische Filmprojekt, welches im gleichen Workshop besprochen werden
sollte: ?weltweit via Web
ein Video zu produzieren, worin man der Frage nachgeht, wie man zu einer
Tasse Kaffee kommt. ... Das
Video soll nicht nur Mutti zeigen, wie sie Pappi den Kaffee in die Tasse
gießt, wie Männer in der
Kaffeepause an der Kaffeebude steht und sich den Kaffee in den Kopf
schütten, wie in Tiflis, in Rom
oder Paris, in New Orleans oder Rio, in Nairobi oder in Mekka der Kaffee
gereicht wird, in den Bars,
zu Hause oder wie er bei der Arbeit aus dem Kaffeeblech getrunken wird.
Das Video soll nicht nur
zeigen, wie ein Campesino mit seiner Familie die Kaffeebäumchen pflegt,
die Bohnen erntet, sortiert,
trocknet, irgendwie vermarktet. ... Zur Tasse Kaffee gehört auch die
Tasse: Den Kaffee in hohlen
Hand kochen, das geht nicht. Also, wo kommt die Tasse her, der
Wasserkessel? Wie werden diese
produziert? Auf welchem Ofen oder Herd, mit welcher Maschine wird das
Wasser für den Kaffee erhitzt?
Wo kommt diese Maschine her? Der Stahl, der dafür verwendet wurde? Woher
kommt das Wasser, durch
welche Rohre fließt es? Wer hat die Kaffeemaschine, den Herd gebaut, die
Rohrleitung für das Wasser,
den Brunnen? Usw.? Und wo in aller Welt kommen solche Menschen mit
solchen Gedanken her. Und in
welches Land können wir sie hinschicken, damit sie möglichst wenig
Schaden anrichten? Vielleicht
dahin: ?Warsteiner laesst in Ruanda eine Hi-tech-Limonadenfabrik bauen.
Die Limo wird spaeter nach
Suedafrika gekarrt. (Quelle: Oral-history von einem, dessen Freund an
der Fabrik mitbaut.)


Limo ist böse, Biogas ist gut! Denn ? so der Vortrag über
?Biogas-Nutzung und Freie Software? ? die
Forschung nach erneuerbaren Energien geschieht nicht ?in den Labors der
Großunternehmen ..., sondern
oft sind es geschickte Techniker, die als ?Bastler? abqualifiziert
werden oder Leute, die solche
Anlagen selbst betreiben und Verbesserungen ersinnen. ... Erst seit
neuem beginnen Großunternehmen
Fuß zu fassen. ... Wie es auch anders gehen kann, zeigt die Entwicklung
der Biogas-Technik in
Deutschland und den unmittelbar angrenzenden Nachbarländern. Vor etwa 2
Jahrzehnten haben Landwirte,
die den Platz und den Rohstoff in Form tierischer Exkremente hatten, in
Zusammenarbeit mit
entsprechend motivierten Technikern damit begonnen, Biogas als
Energieträger nutzbar zu machen. Mit
einfachsten Mitteln, die teils vom Schrott geholt wurden, sind die
ersten Anlagen entstanden ... Ein
wichtiger Akteur der ersten Stunde war die ?Bundschuh-Biogas-Gruppe?,
die Anknüpfend an die
Tradition des Bundschuh aus den Bauenkriegen in Hohenlohe in den 80er
Jahren des letzten
Jahrhunderts den Kampf gegen eine Teststrecke von Mercedes-Benz
aufgenommen und gewonnen hat. Man
wollte nicht nur gegen etwas sein, sondern etwas Sinnvolles mit den
Mitteln und Techniken der
Landwirtschaft machen. Diese Mentalität ist heute immer noch spürbar und
viele Landwirte, vom
bäuerlichen Familienbetrieb bis zum großen Agrarunternehmen sehen in der
Biogastechnik ein
Instrument, das ihnen ein größeres Stück Eigenverantwortung zurückgibt
...? Ein Vortrag, der bei der
NPD, der PDS oder der UNO-Umweltabteilung genauso gut aufgehoben wäre.
Als ebenfalls massenkompatibel erwies sich ein Vortrag über den Kampf
der armen Bibliotheken gegen
die ?grossen Wissenschaftsverlage?, deren Verbrechen nicht etwa darin
bestünde, Unsinn zu
publizieren und zu verkaufen, sondern nur darin, ?jahrelang enorme
Preissteigerungen? vorgenommen zu
haben. Der Referent nimmt zwar für sich in Anspruch, die ?Self-Archiving
oder Open-Access Community
... aus marxistischer Sicht kritisch unter die Lupe? zu nehmen ? zu
beklagen, dass reiche Profs für
ihre Zeitschriften etwas tiefer in den Geldbeutel greifen müssen, ist
aber weder marxistisch noch
lupenrein kritisch.
Im Workshop ?Freie Menschen in Freien Vereinbarungen? steht fest, ?was
den Menschen im Kern
antreibt: Sein Egoismus, der Wille nach einem besseren Leben, das
Bedürfnis nach Sicherheit bzw.
Geborgenheit, Lust und Befriedigung, Selbstentfaltung und Innovation ?
alles also Ziele, die vom
Egoismus gespeist werden.? Der Kapitalismus erzeugt also nicht den
Egoismus der Menschen, sondern
ist die falsche Hülle für den Egoismus. Der Mensch ist ein Wolf ? diese
Spielart des Anarchismus
leistete erst kürzlich in der graswurzelrevolution ihren
Offenbarungseid, als Pazifismus mit einem
mathematischen Modell begründet wurde: Statistisch seien die
Überlebenschancen im Krieg am höchsten,
wenn die Soldaten nicht aufeinander schießen...
Unser Top-Favorit ist aber die folgende Ankündigung: ?real-mapping. Wir
sind an den
?Voreinstellungen? Sozialen Lebens interessiert, wie sie durch
gesellschaftliche Interdependenzen
hervorgerufen werden. Davon möchten wir eine Globale ?Karte? (Map)
erstellen. Bei dem Projekt geht
es um eine Re-Aneignung von Wissen. ... Die Projektidee des ?realen
Mapping? basiert auf der These
ästhetischer und technischer, sowie ökonomischer/historischer
Verhaeltnisse. Davon ausgehend soll
eine Art Kartographie als programmierten Beziehungsgeflecht, die
Bedingungen und Möglichkeiten
dieser Verhältnisse qualitativ in ihre politisch gesellschaftliche
Relation setzen, um einen frei
zugänglichen Ansatz zu einer möglichen Übersicht zu bieten. Das Mapping
soll datenbankbasiert online
(im WWW) und offline (CD-Rom) visualisiert werden.? Wer sich darunter
nichts vorstellen kann,
der/dem sei gesagt, dass sie/er damit genau richtig liegt. Die beiden
Referenten vollbrachten die
rhetorische Meisterleistung, drei Stunden über dieses Nichts zu labern.
Aber selbst die MacherInnen der Konferenz glänzten nicht mit ihren
Vorträgen und Workshops. Zum
einen stellten sie das Buch ?Empire? von Hardt/Negri vor und versuchten,
die Freie Software-Bewegung
theoretisch einzugliedern. Da der Empire-Geist (InformatikerInnen als
Multitude-Avantgarde) über der
ganzen Konferenz schwebte, gelang ihnen keine Kritik an dem Buch.
Vielmehr versuchten sie zu
belegen, dass die Produktion der Freien Software alle Kriterien einer
kommunistischen, immateriellen
Produktion nach Hardt/Negri erfülle ? und waren stolz darauf. Die ?Freie
Software? wäre, selbst wenn
sie der kapitalistischen Verwertung nutze, ein ?vergiftetes Geschenk?,
denn sie transportiere mit
ihrem Code auch eine Idee. Außerdem solle nicht danach gefragt werden,
ob etwas dem ?System? nutze ?
da es kein Außen gibt, nutze ihm alles ?, sondern wie es uns nutzen
könne. Da wird aber die Mehrheit
der UserInnen sagen, dass Microsoft-Produkte für sie sinnvoller sind als
Linux-Programme.
In einem Workshop zur ?Verteilten Theorie-Entwicklung im Web? stellten
die Oekonux-ProtagonistInnen
ihre verschieden Internet-Werkzeuge zur Diskussion. Es handelt sich
dabei um Programme wie
Mailinglisten und Web-Datenbanken (Open-Theory, WikiWiki), die eine
theoretische Diskussion nach den
Prinzipien der Freien Software-Entwicklung ? dezentral, hierarchiefrei,
selbstbestimmt ? ermöglichen
sollen. Allerdings wurde in diesem Workshop lediglich technisch
diskutiert (wie kann ich die
Kommentare ausblenden und welche Exportformate gibt es) anstatt das
Konzept zu hinterfragen: Für
welche Inhalte werden die Plattformen genutzt und ist
Theorie-Entwicklung mit Software-Entwicklung
zu vergleichen, kann Theorie überhaupt im Internet entstehen. Ein Blick
auf Open-Theory ? das mit
Abstand ambitionierteste Projekt (wer mag, soll sich den Unsinn auf der
Oekonux-Mailingliste und das
WikiWiki selbst ansehen!) ? offenbart das Dilemma: Die anspruchsvollen
Texte von der Krisis und den
Oekonux-Leuten stehen da zwar im Netz, sie werden aber nicht diskutiert
und weiterentwickelt.
Mausebär z.B., dessen Texte im CEE IEH für viele Diskussionen sorgen,
bekam auf seinen Text zur
Krisentheorie auf Open-Theory nur einen Kommentar, an Robert Kurz traute
sich gleich niemand ran.
Lieber diskutieren die Menschen im Internet über Wasserräder, das
Parteiprogramm der PDS,
Kurzgeschichten mit geschlechtsneutraler Sprache (das Hauptheldis ist
sächlich und hat nur das
Problem, dass das Possessivpronomen von das sein und nicht ihr heisst)
oder das Perpetuum mobile ?
über das wir erfahren, dass es möglich ist, wenn nicht der Geheimdienst
wäre, der nicht will, dass
eins erfunden wird. Letztendlich ist Open-Theory eine mißlungene
Mischung aus anspruchsvoller
Internetzeitung und einem belanglosen Diskussionsforum wie Indymedia ?
und auf keinen Fall ein
hoffnungsvolles Projekt, welches sich die Erfahrungen der
Software-Entwicklung zu Nutze macht.
Obwohl auf der Konferenz etliche Nicht-InformatikerInnen anwesend waren,
wurde nicht die Chance
genutzt, die Computer-Ebene zu verlassen und zu diskutieren, ob sich die
Modelle der Freien
Software-Bewegung überhaupt auf andere gesellschaftliche Bereich
übertragen lassen. Dort, wo dies
doch geschehen ist (Biogas etc.), kam nicht nur im wahrsten Sinn des
Wortes ausschließlich Mist
raus. Das Hauptproblem dieser Idee, nämlich dass elektronische Güter
ohne Verlust teilbar und somit
unendlich verfügbar sind, materielle Güter aber nicht, wird zwar in den
Oekonux-Texten angesprochen,
jedoch nicht gelöst. So schreibt Stefan Merten in seinem Grundlagentext
?Gnu/Linux ? Meilenstein auf
dem Weg in die GPL-Gesellschaft?? davon, dass es ?Universalmaschinen?
geben wird, die
?computergesteuert mehr oder weniger beliebige Werkstücke herstellen?
könnten ? das Problem der
Endlichkeit der Ressourcen ist damit noch lange nicht gelöst. Und der
Frage, ob es strukturelle
Probleme bei der Übertragung auf andere Produktionsprozesse geben
könnte, ist noch nicht einmal
gestellt. Dies beweist schon die Euphorie, mit der versucht wird, die
Prinzipien der Freien Software
blind auf andere Bereiche zu übertragen (Bildung, Theorie-Entwicklung).
Die technokratische Vision
einer durch Computer freien Gesellschaft blamiert sich mit einem Blick
in die ?Länder der III. Welt
 ? deren Probleme kann Merten im gleichen Aufsatz zwar nicht weiter
erörtern, wie er in einer
Fussnote betont, er weist aber darauf hin, ?daß sowohl die
Kostenlosigkeit von Gnu/Linux als auch
die Verfügbarkeit des Source-Codes den Ländern der III. Welt Chancen
bietet, die diese auch
allmählich zu nutzen beginnen.? Dabei beantwortet die Freie Software nur
die Frage nach der
Verfügbarkeit des Wissens, nicht die nach dem Zugang zu dem Wissen. Wer
keinen Computer sein Eigen
nennt, ja, wer nicht einmal einen Telefonanschluss oder Strom in seiner
Hütte hat, wird sich darüber
freuen, dass nicht nur der deutsche Bundestag, sondern auch das indische
Parlament kostengünstige
Software einsetzen kann.

Martin

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Die großen Welterklärungen. Rezension von ?Linux & Co? im CEE IEH #74
http://www.oekonux.de
http://www.oekonux-konferenz.de
http://www.opentheory.org

http://www.kritische-informatik.de

http://www.gnu.de, http://www.gnu.org (Free Software Foundation,
GPL-Linzens)

http://www.co-forum.de (WikiWiki)

Stefan Meretz: Linux & Co. Freie Software ? Ideen für eine andere
Gesellschaft. AG Spak: 2000, 79
S.,




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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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