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Re(7): [ox] Knast fuers MP3 tauschen



Hallo Hartmut!

Die Exklusivität ist notwendig, damit sich der
nicht-gemeinnützige Verein überhaupt bildet.  Mit gemeinnützigen
Konzepten ist es viel schwieriger, Mitglieder zu werben, denn die
Leute denken sich mehr oder weniger unverhohlen "Warum gerade
ich?"

...

Aber es ist zu unterscheiden zwischen gemeinnützig,
nicht-gemeinnützig und gewinnorientiert. Meine Behauptung ist, daß
Dein "nicht-gemeinnütziger Verein" in Wirklichkeit ein
"gewinnorientierter Verein" ist...

Es könnte z.B. ein Verein sein, der sich zum Ziel setzt, freie
Fonts zu schaffen.  Um dieses Ziel besser erreichen zu können, gibt
er den Mitgliedern 3 Jahre Exklusivität.  Einen Gewinn erreicht er
damit nicht, aber die Exklusivität gibt einen Anschub, der den
Verlust mindert und das Vertrauen in die Machbarkeit des
Vereinsprojekts aufzubauen hilft.
...

Da hast Du natürlich Recht -- ist das jetzt ein reales Beispiel? Oder
kannst Du skizzieren, wie viele solcher Projekte es gibt?

Wenn es sich mit einem solchen Projekt wirklich so verhält, daß es
seine Produkte nur zum Zwecke der Erwirtschaftung der Kosten
vermarktet, dann ist es in der Tat nur verwertungsorientiert, nicht
aber gewinnorientiert: es gewinnt die Möglichkeit, Entwickler zu
beschäftigen, die sonst anderweitig ihren Lebensunterhalt bestreiten
müßten, Produktionsmittel zu benutzen, die möglicherweise sonst nich
zugänglich wären, und in einer Weise zu arbeiten, die sonst nicht
finanzierbar wäre (z.B. Konferenzen abhalten oder so etwas) -- was
sonst nur auf Basis von expliziten oder impliziten Spenden
(abgezweigter Arbeitszeit und -geräts) möglich wäre... 

Andererseits ist mir das Motiv "freie Fonts zu schaffen" für einen
nicht-gemeinnützigen Verein nicht klar. Das sieht mir eher danach aus,
das der sogenannte Verein sein Produkt (Font) nach dessen
Amortisierung frei verfügbar macht, um die eigene Popularität zu
steigern -- nichts weiter als eine (durchaus zu begrüßende)
Marketing-Maßnahme, die der Gewinnorientierung untergeordnet ist.

Warum jetzt schon wieder Gewinnorientierung und nicht
Verwertungsorientierung?! Ich unterscheide jetzt mal drei
Konstellationen im Ausgangspunkt eines solchen Projekts: 


1) Der Verein hat nicht genügend eigene Mittel, um die Erstellung des
   Produktes selbst zu finanzieren und muß Fremdkapital herzuziehen,
   welches in der Regel die Verwertung des Produktes erzwingt und aus
   welchem sich von allein die Gewinnorientiertheit des ganzen
   Unternehmens ergibt.

2) Die fehlenden Mittel werden über Sponsoren beschafft. Exklusivität
   ist hier höchstens dann erforderlich, wenn das Sponsoring dem
   Sponsoren Nutzen bringen soll, entweder durch Marketing-Effekte
   oder durch die Möglichkeit der Besetzung strategischer Positionen
   im Produktivkraftgeflecht. Diesem Fall liegt eine indirekte
   Gewinnorientierung zugrunde, welche im Projekt selbst tatsächlich
   nicht zum Ausdruck kommt.
 
3) Der Verein hat genügend eigene Mittel, um das angestrebte Produkt
   herzustellen: 

   a) der eigene Nutzen rechtfertigt den Aufwand => Verwertung bis zur
      Kostengrenze bedeutet in diesem Fall, daß die Mitglieder die
      Finanzierung ihres Nutzens (teilweise) nach außen abwälzen,
      einen Nutzen haben, für den sie letztlich nichts ausgeben
      (Amortisierung), also einen Gewinn;

   b) der eigene Aufwand dazu ist größer als der eigene Nutzen,
      Exklusivität ist notwendig, um die 'Mehrkosten' abzudecken und
      wird auch nur dazu genutzt => Exklusivität und Vermarktung
      ersetzen hier (im m.E. unwahrscheinlichsten Fall) den wirklich
      vereinsmäßigen Zusammenschluß einer genügend großen Gruppe von
      Interessenten, die 'freiwillig' über den zu leistenden Aufwand
      verhandeln können, und zwar durch die nicht verhandelbare
      Vermarktung nicht verhandelter Vorleistungen.
      
      Für die Exklusivität in diesem Fall spricht das Moment der
      Innovation, der Entwicklung von Produkten/Technologien noch
      bevor der Bedarf sich breit genug entwickelt hat, um die
      Entwicklung konstitutiv zu tragen (dagegen spricht der daraus
      folgende Zwang zur Vermarktung, auch wenn sich die wirklichen
      Interessen zufällig anders entwickelt haben als antizipiert).
      
      Dagegen aufzuwiegen wären 'nur' noch die Nachteile der
      verdeckten Entwicklung (siehe die Öffnung des Quellcodes von
      Netscape, welcher unter den Entwicklern nicht nur Begeisterung
      ausbrechen ließ und überraschend schleppend als Vorarbeit
      aufgegriffen wurde) und die wirtschaftliche Fragilität eines
      solchen Ansatzes: führt er nicht doch zur klassischen
      Gewinnorientierung oder zum (diesmal selbsfinanzierten)
      Sponsortum zurück?

Du siehst, Du hast mich noch nicht ganz überzeugt:

Der einzige Fall (der letzte) eines nicht-gemeinnützigen Vereins, der
wirklich nicht gewinnorientiert ist, steht in seiner Stabilität und
Nachhaltigkeit weit hinter den 'bewährten' Modellen der kommerziellen
und freien Software-Entwicklung zurück. Um ihn trotzdem zu erhalten
bedarf es letztlich einer Stützung von außen, welche heutzutage
zunehmend den Subjekten der Privatwirtschaft zugeschoben wird: venture
capital & co. Da sieht es ja letztlich nicht anders aus, als beim
"Antichambrieren" bei Behörden und/oder Parteien usw.

Welche Rolle spielt das also wirklich? Aber vielleicht kannst Du diese
Erwägungen ja einfach mit praktischen Beispielen (--Ausnahmen?--)
relativieren.

Grüße, C.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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