Message 05286 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05265 Message: 13/34 L11 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Knast fuers MP3 tauschen



Niemand mag, dass man ihm die Kontrolle über seine Werke entzieht,

Falsch. Eine ganze Reihe MusikerInnen hat geäussert, dass sie nix
dagegen haben, wenn ihre Sachen kopiert werden.

Viele von denen haben es wohl lieber, wenn sie selber entscheiden, unter
welche Lizenz sie ihr Werk stellen.

Einige von denen würden womöglich sogar Freie Musik machen, wenn das
denn schon so populär wäre wie bei Software. Die Lage bei Musik ist
IMHO momentan etwa so wie sie bei Software Ende der 80er war.
Raubkopieren war damals das angesagte Verhalten auch bei den Leuten,
die heute Freie Software hochhalten. Die hätten jedoch ohne diese
Kopiererei niemals eine solche Szene aufbauen können. Raubkopieren war
die Keimform der Freien Software und die Tauschbörsen sind die
Keimform der zukünftigen Freien Musik. (Heute mal optimistisch!)

Ich habe eher den Eindruck, dass es eine Szene der freien oder nahezu
freien Software schon längst gab, dass sie sogar in den 70er Jahren der
Normalzustand war.  Erst in den 80er Jahren kam die Welle der
"Emanzipation der Software zum eigenständigen Produkt" etc auf und wurde
mit euphorischen Fanfaren eingeläutet, bei denen die Probleme völlig unter
den Tisch gekehrt wurden.  Die bei Software wegen des funktionalen und
interoperierenden Charakters viel größer sind als bei Musik.  Dagegen
wandten sich einige Leute.  Aus der in China, auf den Philippinen etc weit
entwickelten Tauschkopiererszene hingegen entwickelte sich keine freie
Software.

Es besteht vielleicht auch die Gefahr, dass allerlei Leute mit
egoistischer Mentalität (die nicht glauben, sie seien anderen Menschen
etwas schuldig sondern zunächst mal von einer Bedürfnis- und
Anspruchshaltung aus die Welt beurteilen) versuchen, ihr eigenes Image
aufzupolieren, indem sie sich Legitimität bei der freien Software leihen,
diese aber im Zuge dieses Vorgehens schädigen.  Eine Musik, die sich aus
Tauschbörsen entwickelt, stünde nicht unter dem besten Vorzeichen.  Dann
schon eher eine, die aus dem Umfeld eines Straßenmusikprotokolls kommt.
Aber ich glaube sowieso, dass man alle drei Biotope der Kultur braucht:
den staatlichen Betrieb, den Markt und die noch zu entwickelnde virtuelle
Straßenmusikszene.  Welches wie viel zu leisten imstande ist, wird sich
zeigen. Für die Tauschkopierszene sehe ich keinen Platz.  Sie erscheint
mir nur destruktiv.  Man baut nicht auf, indem man zerstört (auch wenn der
Große Vorsitzende anderes gesagt hat).  Wer meint, den digitalen "Markt"
zerstören zu müssen, zeigt, dass er es sich nicht zutraut, konstruktive
Alternativen zu entwickeln.  Etwas anders wird das vielleicht, wenn die
"Markt"-Lobby ihrerseits mit unsinnigen Gesetzen alles kleinhaut und uns
in eine Art Bürgerkrieg stürzt.

-- 
Hartmut Pilch, FFII e.V. und Eurolinux-Allianz            +49-89-12789608
Innovation vs Patentinflation                       http://swpat.ffii.org/
120000 Stimmen 400 Firmen gegen Logikpatente    http://www.noepatents.org/




________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT05265 Message: 13/34 L11 [In index]
Message 05286 [Homepage] [Navigation]