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[ox] Fwd: Pharmapatente



Liebe Liste,

auf der englischen Liste hatten wir neulich die Frage, was eigentlich
die Herstellung von Medikamenten kostet - was wir mangels Fachwissen
nicht klären konnten.

So hatte ich Barbara, die sich da fachlich auskennt, gebeten, hier ein
paar Informationen zusammenzustellen - was sie ohnehin vor hatte und
ihr eigentlich nur dieser Anstoß zur Umsetzung fehlte :-) . Ihre
umfangreiche Recherche - ohne Attachments und persönliche Daten - habe
ich angehängt. Natürlich hat sie einer Veröffentlichung zugestimmt.

Für die englische Liste werde ich noch ein paar Kernabsätze
übersetzen.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

------- Forwarded Message

Date:  Sat, 15 Jun 2002 21:27:05 [PHONE NUMBER REMOVED]
From:  barbara gruen <barbara.gruen gmx.de>
Subject:  pharmapatente
To:  smerten oekonux.de
Message-Id:  <3AB12599.8090802 gmx.de>

Hallo Stefan,
ich weiss nicht, wie eilig die Beantwortung der simplen Frage nach den
Herstellungskosten eines Medikamentes war - was ich in der Zwischenzeit
herausgefunden habe, ist lediglich, dass es wohl kaum eine schwierigere
Frage gibt ;) (Es sei denn, man ist BWLer, dann gibts ja für alles eine
Kostenkalkulation).

Kurzum, ich habs _nicht_ vergessen, sondern mich verzettelt und
verlaufen, weil das Thema für mich natürlich ein  sehrsehr spannendes ist.
Und vor lauter TRIPs und MSF und cptech.org hatte ich schon ganz die
Ausgangsfrage vergessen, auf die ich aber nun leider keine klare Antwort
geben kann.
Fest steht, dass die Forderung nach Preistransparenz sowohl national als
auch international an oberster Stelle steht und immer wieder -
vergeblich - erhoben wird.

-------------------------------------------------------------------------------
Kurzes Resümé der Eckpfeiler Preiskalkulation:
Ausgaben:

- Ausgangssubstanzen + Anlagen + Personalkosten etc

- Forschung & Entwicklung

- Lizenzen & Gebühren  wie z.B. Betriebserlaubnis, Zulassung inkl.
  Studien (regulatorischer Overhead)

- Marketing

- Vertrieb

=> für Herstellerabgabepreis

= obige Kosten

+ Shareholder Value :)

+ welche Spanne trägt das Gesundheitssystem des jeweiligen Landes?

=> wer zahlt letztlich? Anteil öffentlicher Mittel / private Mittel /
   Preisregulierungsmassnahmen der jeweiligen
   Länder-Gesundheitssysteme

------------------------------------------------------------------------------

Die Ausgaben für Forschung & Entwicklung werden vom Verband forschender
Arzneimittelhersteller (VfA)  selbst auf  14-16,5 % des gesamten
Umsatzes angegeben, die Investitionen auf ca. 5,5 % beziffert, von denen
ganze 20% in F&E fliessen - aber Tatsache scheint auch zu sein, dass der
Aufwand für Marketing  in der Regel doppelt so hoch  ist wie der für die
Forschung (mit eigenen Ohren auf der Betriebsversammlung von Boehringer
Ingelheim vernommen, und das dürfte für die anderen Firmen auch nicht
anders aussehen).
Das pdf-file statistics2001 leg ich mal mit bei, daraus ist schon sehr
viel ersichtlich, z.B. dass der Anteil des Herstellers am
bundesdeutschen Apothekenverkaufspreis bei "nur" ca 55% liegt. Woraus
sich nun aber diese unbekannte Grösse "Herstellerabgabepreis"
zusammensetzt, das bleibt das ewige Geheimnis der Hersteller, allenfalls
aus der Existenz der in Europa erlaubten und als Instrument zur Senkung
der GKV-Kosten forcierten, den Entwicklungsländern aber verbotenen
Parallelimporte lässt sich schliessen, dass da einiger Spielraum zu sein
scheint bzw. die Mischkalkulation eine globale ist.

In dem Zusammenhang verweise ich mal auf den Geschäftbericht der STADA
AG
(http://www.stada.de/unternehmen/zum_unternehmen/Geschaeftsberichte/),
die sowohl Generica als auch "Marken" herstellt und die Herstellung von
Biogenerika plant.
Dort ist auch die Position "Herstellungskosten" aufgeführt, wenn ichs
richtig gerechnet habe, wären 50% des Umsatzes Herstellungskosten, was
immer die da auch drunter zählen (das ist wieder was für einen BWLer).
STADA ist insofern ein schönes Beispiel, da diese Firma selbst sich
rühmt, die reine Herstellung  weitestgehend  outgesourct zu haben.
Lohnherstellung und Konfektionierung ist meines Wissens weit verbreitet,
und wie es um diese Lohnhersteller steht, würde ich gerne auch weiter
ergründen, denn letztlich scheint sich für diese das Geschäft trotz
"intensiven Wettbewerbs" noch zu "lohnen".
Das nährt den allgemein verbreiteten Verdacht, dass irgendwo
(Mecklenburg?) eine Halle mit Rundläufern steht, deren Tablettenausstoss
je nach Auftragslage in die Schachteln von Originalanbietern oder
Generikafirmen gepackt werden. Die Firma, der diese Halle gehört, ist
mit Sicherheit eine verschämt verschwiegene 300%ige Tochter von
Aventis-Bayer-Boehringer-Novartis ;)

Aber das sind vielleicht alles Fakten, die Dir nicht neu sind,
ebensowenig wie die folgenden Links zur Information rund um das Thema
Patente und Menschenrecht auf Arzneimittel:

http://www.cptech.org/ip/health/
======================
hier gibts offenbar einfach Alles Gute Schöne und Wahre. Das ist die
Site von dem James Love, der auf der Wizards of OS2 war und auch sonst
ein Name, über den man immer stolpert. Scheint mir der Dreh- und
Angelpunkt zu sein - eher ein Dreh- und Angellabyrinth für mich, sehr
viel fundierte Information. Da hab ich dann ganz vergessen, was ich
eigentlich wissen wollte....
Unweigerlich kommt man von da natürlich zu

http://www.genericsnow.org
http://www.healthgap.org/
http://www.accessmed-msf.org/
=====================
Ärzte ohne Grenzen - sagte ich ja schon. Ihrer Schätzung nach sterben
jährlich 17 Millionen Menschen, weil die Kosten für die Arzneimittel,
die sie retten könnten, nicht aufgebracht werden können. (Wieviele WTCs
sind das jährlich und wer entsetzt sich darüber und ruft einen Heiligen
Krieg aus?)

http://www.cipla.com/
===============
ist der indische Generikahersteller, der die HIV-Tripel-Therapie für 350
$ pro Patient im Jahr anbietet  - in den USA kostets nach Angaben von
Cipla 10-15000 $. MSF halten allerdings erst einen Preis von 200$ für
hilfreich. Cipla wird in der Liste der WHO als einer der Hersteller
sicherer HIV-Medikamente genannt, d.h. es darf seine Medikamente in die
entsprechenden Länder exportieren, wenn die jeweiligen Regierungen dort
dafür sorgen, dass die rechtlichen Voraussetzungen stimmen. (§30 TRIPs,
glaub ich, die Zwangslizenz, "compulsory licence")
Der Trick des Erfolgs von Cipla dürfte der sein, dass in Indien Patente
nur auf Herstellungsverfahren, nicht aber auf Stoffe anerkannt werden
(bis 2003 sollen die Gesetze allerdings den WTO Standards angepasst
werden, wenn Indien den intellectual property treaty der WTO ratifiziert
- hat es das schon??).
So stellt Cipla die im Westen patentgeschützten Substanzen eben auf eine
andere Weise her - in Deutschland war das früher auch so geregelt, nicht
die Substanz, sondern das Herstellungsverfahren war patentierbar. Wann
und wie das genau geändert wurde (60er Jahre) - ich würd mich gern
schlau machen, bins aber noch nicht :(
Übrigens exportiert Cipla in die ganze Welt - auch nach Deutschland.

Was ich an Infoquellen zu Zahlen -Daten-Fakten noch anzubieten habe, ist
sehr auf den deutschen Markt und die hiesige GKV-Situation spezialisiert:

http://www.vfa.de
============
da gibts jede Menge schöne bunte Broschüren als PDF oder geschenkt frei
Haus - nützlich wie gelegentliches Lesen des Wirtschaftsteils der FAZ ;)
Wie gesagt, die mit den Statistiken leg ich mal bei, eine namens
"Einblicke 2001" scheint auch ganz aufschlussreich zu sein, aber naja...

Die "Gegenpositionen" sind auf den Seiten des Generikaverbandes unter
http://www.generika.de
================
einzusehen.
Unter
http://www.generika.de/generika/default.html
steht Grundlegendes zum Procedere sowie Begriffe und Definitionen
(deutscher bzw. europäischer Markt).

http://www.emea.eu.int/sitemap.htm
========================
= allgemein die Adresse der Europäischen Arzneizulassungsbehörde.
Zu den Kosten einer europäischen Zulassung siehe
http://www.emea.eu.int/htms/general/admin/fees/feesh.htm
Da gibts auch Dokumente zum Procedere der Reimporte (Parallelimporte)
innerhalb Europas, aber ich gebe zu: verstehen tu ichs nicht :(

http://www.wido.de/
=============
Zur Kostensituation der Gesetzlichen Krankenversicherung - GKV - hat das
Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen - WIdO - allerhand
fundiertes Material.

Eine weitere Quelle der Erkenntnis, insbesondere zu Zahlen der Ausgaben
für Pseudoinnovationen (Me too Präparate), Generikaanteil etc. ist der
AVR (Arzneiverordnungsreport) von Schwabe/Paffrath. Gibts nicht online,
steht aber z.B. bei mir rum, allerdings sind Patente dort nur ein
Randthema, insofern sie zur Kostensteigerung im Gesundheitswesen
beitragen und die Autoren auch eine Bewertung der Neuen Arzneistoffe bieten.
Das Arzneimittelkursbuch ist auch so ein Standardwerk, das ich mir
zulegen werde, noch hab ichs nicht. Aber wie gesagt: das sind alles
Infos auf den deutschen Markt bezogen.

Und dann natürlich die Bibel der Kritiker der Pharmazeutischen
Industrie: Das Arzneitelegramm
http://www.arznei-telegramm.de
======================
Die Angabe der Kundennummer bringt lediglich den Vorteil,
auch in den aktuellen Ausgaben online suchen zu können. Die Suche läuft
aber nur nach Keywords, keine Volltextsuche,  und es wird immer nur eine
Seite angezeigt, wenns auf der näxten weitergeht, ist man mit der
online-Suche angeschmiert :(
Aber ich hab die CD, da kann man blättern :)
Hier gäbs Tabellen und Preisvergleiche u.v.a.m., ich verschone Dich mit
der Flut von PDFs, die ich im ersten Rausch zusammengestellt habe und
die letztlich doch die eigentliche Frage nicht beantworten können.

!!!Jetzt kommt was, über das ich mich sehr gefreut habe: !!!
Eine schöne Kombination aus James Love und Arzneitelegramm bieten m.E.
die Pharmabriefe von BUKO
======================
http://www.epo.de/bukopharma/
======================
Falls Du diese noch nicht kennst, kann ichs nur dringend empfehlen. Die
ganze Geschichte mit TRIPs und Patenten und Südafrika u.v.a.m. etc. ist
dort auf deutsch und  mit Quellenangaben dokumentiert.
Mit der Info im Hinterkopf trau ich mir auch ein besseres Verständnis
der englischen Seiten zu (cptech.org).

Damit will ichs erstmal bewenden lassen, denn im Grunde genommen läufts
darauf hinaus, dass ich um konkrete Fragestellungen bitten muss, weil
ich nicht weiss, was schon bekannt ist.
Und die eine Frage: was kostet die Herstellung eines Arzneimittels,
wieviel Prozent vom Preis macht das aus? kann ich so nicht beantworten,
es sei denn, Dir ist mit Beispielrechnungen für den Preis eines in der
Apotheke hergestellten Arzneimittels gedient, also: was kost so eine
Tablettenpresse, was kosten die Substanzen - und zu welchem Preis ist
das als Fertigarzneimittel zu haben.
Da hilft der Vergleich Original - Generika oder Original-Parallelimport
evtl. schon weiter ....

Thats it.

Viele Grüsse
Barbara


------- End of Forwarded Message


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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