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[ox] Warum Linux?



Hallo Oxen!

Ich hab mal einen Text angefangen, der zum Ziel hat, Leute von FS zu
überzeugen, die sie noch nicht einsetzen... und das gleich zum
[ox]-Produktplacement am Schluss missbraucht ;-)

Der Text ist ein Versuch an immer wieder in auch völlig politikfernen
Umfeldern auftauchende Diskussionen zum Thema anzuknüpfen. Mir fallen
auf Anhieb 10 Leute ein, denen ich das schicken werde, sobald es etwas
ausgereifter ist und ich bin sicher, das geht den meisten hier so,
dass sie sich sowas schonmal gewünscht haben.

Das ist auch entstanden als Reflektion auf die Bundestagsdebatte. Mir
ist nämlich aufgegangen, dass es mir scheissegal ist, was die
einsetzen. Was mir jedoch nicht scheissegal ist, ist was die Leute
tun, und als solche ganz normale Leute kann ich dann auch wieder
Bundestagsabgeordnete ansprechen. Was jedoch keinen Sinn macht IMHO
ist sich auf die aktuelle Debatte direkt zu beziehen, da solche
parlamentarischen Debatten schon immer tief in der Wurzel verseucht
sind (Siehe Standortbundestux).

Ich warte mal die erste Runde der Kritik ab und stell den Text dann
ins Wiki, dass alle dran mitarbeiten können, die wollen. Insbesondere
interessiert mich, ob ich noch wichtige Argumente vergessen hab (ich
bin sicher, dass ich habe :-).

Grüße, Benni

----schnipp ----schnipp ----schnipp ----schnipp ----schnipp ----schnipp 


Einige Gründe für Freie Software
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Ich werde oft in Diskussionen um Linux verstrickt. Meistens fängt das
damit an, dass mir jemand Word-Dokumente schicken will und meistens
hört das damit auf, dass gesagt wird, "Ja ich als Nur-Anwender, was
soll ich denn mit Linux, was bringt mir denn das?". Dies hier ist mal
ein Versuch meine Antworten darauf strukturiert zusammenzufassen.
Dabei geht es weniger um Linux sondern eher allgemein um das Prinzip
Freier Software. Doch zunächst einige

Begriffserklärungen
-------------------

Freie Software: Software ist dann Frei, wenn die dazugehörige Lizenz
das Recht gewährt, mit dem Programm zu machen was man will, es also zu
zu studieren, zu verändern, weiter zu geben und man ohne
Einschränkungen deren Arbeitsergebnisse verwenden kann. Dazu benötigt
man in der Praxis den

Sourcecode: Das ist ein in einer Programmiersprache und somit für
Menschen und Computer gleichermassen lesbarer Text, der die
Funktionsweise eines Programmes beschreibt. Dieser wird benötigt um
effektiv Computerprogramme verbessern, verändern und kontrollieren zu
können.

proprietäre Software: Ist solche, die nicht frei ist.

"Nur-Anwender"
--------------

Heutzutage werden zunehmend Leute mit Computern konfrontiert, die
eigentlich garnichts damit zu tun haben wollen, diese nennen sich
selbst dann gerne "Nur-Anwender" um sich von den ewig frickelnden
Computerfreaks abzugrenzen. Dagegen ist nichts einzuwenden ich hab
selbst solche Phasen. Nur möchte ich ein paar Punkte anmerken:

Gerade wenn man zu einer Sache gezwungen wird, sollte man versuchen
ein Minimum an Kontrolle zu bewaren. Dies muss nicht dadurch
geschehen, dass man selbst zum Experten wird, aber dies kann dadurch
geschehen, dass man generell jedem die Möglichkeit gibt, Experte zu
werden. Genau das tut Freie Software tendenziell. Wenn ich selbst
nicht Experte sein kann, so will ich doch zumindestens die Möglichkeit
haben, mehrere Experten um Rat zu fragen. Bei proprietärer Software
mache ich mich aber letzten Endes vom Urteil eines Experten (nämlich
der Firma, die mir das verkauft) abhängig.

Computer sind anders. Sie sind nicht wie Toaster oder Autos, zu einem
bestimmten Zweck hergestellte Dinge. Sie sind universelle Werkzeuge,
die alles, was im weitesten Sinne mit mechanischer Symbolverarbeitung
zu tun hat, angehen können. Das macht sie so enorm reizvoll aber eben
auch so enorm kompliziert. Das bedeutet aber eben auch, dass das Ideal
des "Nur-Anwenders" nicht wirklich erreichbar ist, weil man dann die
Universalität einschränken müsste. Natürlich kann man spezialisierte
Werkzeuge bauen, nur sind das dann eben Schreibmaschinen und keine
Computer mehr.

Diese Grenze zwischen Anwendung und Programmierung ist nie eindeutig
und immer in Bewegung. Auch der Nur-Anwender entwickelt mit
häufiger Anwendung ein Bedürfnis nach immer ausgetüftelter werdender
Konfiguration und auch der Programmierer wendet sein Textprogramm nur
an. Das entscheidende an Freier Software ist nun, dass sie vom
mitmachen lebt und das hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen
Anwendung und Programmierung beliebig verschiebbar werden, wärend sie
bei proprietärer Software tendenziell verordnet werden. Freie Software
unterscheidet nicht mehr zwischen Konsument und Produzent, sie kennt
nur noch "Prosumenten". Und das nützt eben auch gerade dem
Nur-Anwender, weil er eine grössere Souveränität gewinnt und nicht auf
diesen Status festgelegt bleibt.

Sicherheit
----------

Computersicherheit wird immer wichtiger. So gut wie jeder Computer ist
heutzutage am Internet angeschlossen und das bedeutet immer auch, dass
er einem inzwischen gigantischen Arsenal an simplen Tools ausgesetzt
ist, mit dem schon nur wenig Kundige erheblichen Schaden anrichten
können. Dabei ist es nicht relevant, ob man "nix wichtiges" auf dem
Rechner hat, da selbst unwichtige Rechner gecrackt werden um als Basis
für weitere Angriffe zu dienen. Ausserdem ist eine Lahmlegung eines
Rechners immer ärgerlich, auch (oder gerade!) wenn man nur damit
spielen will.

Sicherheit ist nie absolut. Das gilt auch und verstärkt für
Computersicherheit. Deswegen ist auch ein Computer mit Linux nicht
gegen Angriffe geschützt. Dennoch gibt es einige Vorteile:

- Es ist wie in der Landwirtschaft: Monokulturen sind empfindlich.
Viren und Würmer, die auf eine einheitliche Landschaft von Systemen
stossen, können sich schneller ausbreiten. Freie Software ist ihrem
Grundsatz nach vielfältig, da sie jeder verändern kann und es somit
immer unterschiedliche Versionen geben wird. Bei proprietärer Software
hingegen gibt es einen Trend zur Vereinheitlichung, da die Hersteller
immer möglichst wenig unterschiedliche Versionen vorhalten wollen,
weil das ihren Aufwand reduziert.

- Unter Experten für Computersicherheit gibt es ein geflügeltes Wort,
"Security by obscurity is no security", das besagt, dass ein System
nicht dadurch sicherer wird, dass man seine Funktionsweise geheimhält,
sondern im Gegenteil dadurch, dass man sie möglichst vielen Leuten
bekannt macht. Das beruht letzten Endes auf der Annahme, dass es immer
mehr "good guys" als "bad guys" geben wird und die ersten deswegen
tendenziell eher Sicherheitslücken finden als die zweiten. Dieses
Prinzip wird überhaupt erst möglich gemacht durch die Öffentlichkeit
des Sourcecodes.

Funktionalität
--------------

Freie Software ist oft stabiler, schneller, funktioneller als ihre
proprietären Alternativen. Das gilt nicht immer, da Ansprüche an
Funktionalität unterschiedlich sind. Qualität ist auch bei Software
kein eindeutig zu definierendes Kriterium. Und man kann sich trefflich
und lange über diesen Punkt streiten, das führt dann zu den allseits
bekannten Windows-gegen-Linux-Streitereien, von denen der Deutsche
Bundestag die aktuellste Version liefert.

Ein Trend lässt sich jedoch meiner Meinung nach festhalten: Die
Komponenten von Freier Software, die am besten funktionieren, sind
ihre Basiskomponenten, wärend es bei proprietärer Software oft
umgekehrt ist. Der Grund dafür ist, dass die Hersteller von
proprietärer Software darauf angewiesen sind, schnell potentielle
Kunden zu beeindrucken. Das ist meiner Meinung nach auch der Kern des
Problems, das viele "Nur-Anwender" mit Freier Software haben. Sie
wirkt manchmal auf den ersten Blick umständlich und somit für sie
dysfunktional. Doch sollte man sich schon bewusst machen, dass es sich
oft um Potemkinsche Dörfer handelt, denen man da aufsitzt. 

Auch ist es inzwischen nicht mehr war, dass keine einfach zu
bedienenden Programme für Linux zur Verfügung stünden. Es gibt in fast
allen Bereichen gleichwertige Alternativen. Und nicht nur das, man
erhält sie auch gleich dazu, wärend man sie sich bei Windows meist
erst mühsam zusammensuchen muss.

Internet
--------

Die globale Vernetzung ist zum Alltag für viele von uns geworden. Sie
ist ebenso Arbeits- wie Unterhaltungs- und Informationsmedium. Das
bedeutet aber auch, dass die Strukturen wie das ganze funktioniert,
nicht egal sind. Das ganze entwickelt seine Dynamik die jedem
Einzelnen zu Gute kommt eben gerade durch einen freien Fluss von
Informationen und Basis dieses freien Fluss von Informationen sind
Offene Standards. Sobald eine Firma (z.B. Microsoft) diese Standards
bestimmt, bestimmt sie darüber wie Informationen dargestellt werden
können und wie nicht und hat darüber einen enormen Einfluß der letzten
Endes die ganze Dynamik zerstört und für jeden von uns unbrauchbar
macht.

Was hat das jetzt mit Freier Software zu tun? Proprietäre Software und
Offene Standards leben immer in einem Spannungsverhältnis. Jede Firma
möchte eigentlich am liebsten die Standards ganz alleine setzen und
bekennt sich nur notwendigerweise bei einem groben Kräftegleichgewicht
zu Standardisierungen. Anders bei Freier Software, diese atmet
geradezu offene Standards. Sie sind ihr Lebenselixier. 

Diese Beziehung zwischen Internet und Freier Software zeigt sich auch
ganz praktisch. Grosse Teile der Internetinfrastruktur (Mailserver,
Router, Webserver, ...) basieren auf Freier Software und umgekehrt ist
das Internet Basis für die globale Prosumption Freier Software.

Raubkopien
----------

Ein oft vorgebrachtes Argument für Freie Software sind die niedrigeren
Kosten. Das ist zwar richtig, aber gerade für viele "Nur-Anwender"
nicht von Bedeutung, weil endweder die Firma für sie bezahlt oder sie
sich eben die benötigte Software zusammenklauen. Ich halte nicht viel
vom moralischen Anspruch, dass Raubkopien verwerflich seien und man
deswegen Freie Software verwenden soll. Vielmehr sollte man sich
bewusst machen, dass Raubkopien oft in der Anfangsphase der
Durchsetzung neuer Produkte absichtlich geduldet werden. Microsoft hat
zum Beispiel früher eine verhältnismässig liberale Einstellung
gegenüber Raubkopierern vertreten. Doch in den letzten Jahren, mit
Durchsetzung ihres Monopols, werden sie zunehmend aggressiver.
Raubkopierer werden angezeigt, verfolgt und versucht mit technischen
Massnahmen auszugrenzen. Denn jetzt haben die Leute ja keine Wahl
mehr. Wenn man das zu Ende denkt, kommt man dazu, dass Raubkopien nur
dann geduldet werden, solange es Alternativen gibt und sich die
Raubkopierer ihre eigene Existenzgrundlage austrocknen gerade dadurch,
dass sie eine Produkt durchsetzen. 

Die stärkste Alternative zur Zeit ist Freie Software, also warum nicht
gleich das Original nehmen?

... und der ganze Rest
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Für mich wird immer offensichtlicher das wir in einer Welt leben, die
zunehmend zerfällt. Freie Software ist für mich eine Möglichkeit
diesen Zerfall aufzuhalten. Das klingt gewagt, deshalb eine kurze
Erklärung:

Der Zentrale Motor für unsere Gesellschaft ist der Anreiz aus Geld
mehr Geld zu machen. Und das ist auch der zentrale Motor hinter all
der gesellschaftlichen Zerstörung, die ich wahrnehme. Freie Software
ist vielleicht nicht der erste aber doch ein global wirksamer Versuch
daran etwas zu ändern. Zwar dreht sich auch bei Freier Software viel
ums Geld (IBM zB. hat eine Milliarde in Freie Software investiert),
dennoch gibt es immer einen Kern, der von diesem Mechanismus
ausgespart bleibt, da die Software immer weitergegeben werden darf,
und dennoch enorm produktiv ist. Es ist also ein praktisch
funktionierendes Beispiel dafür, dass wir auch ohne den Geldfetisch
und seine zerstörerische Gewalt leben können. Und davon hat dann ganz
sicher auch der "Nur-Anwender" etwas.

Wer sich tiefergehend für diese gesellschaftstheoretischen Fragen
interessiert sei auf das Projekt Oekonux verwiesen (www.oekonux.de).

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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