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[ox] "Oekonux" meets "Freie Kooperation" - Einige Gedanken



Hi zusammen!

Da hatten wir am Wochenende also diesen Workshop zur Fortsetzung der
Debatte um das Konzept der Freien Kooperation aus Oekonux-Sicht. Er
war *sehr* spannend und *sehr* ergiebig, was alle 11-12 Teilnehmenden
bestätigt haben. Und ungeheuer anstrengend...

BTW: Wir haben auch alles aufgezeichnet (9h Material). Digitalisierung
und eine technische Nachbearbeitung sind schon geklärt. Was wir vor
allem noch bräuchten, wäre jemensch, der das Material schneidet. So
einige Passagen sind sicher verzichtbar. Es würde wohl ausreichen,
wenn die Schnittstellen notiert würden. Wer sich den Workshop also
sowieso anhören möchte, könnte also allen einen Gefallen tun und
entsprechende Notizen machen.

Ich fände es übrigens auch hübsch, wenn die ausgearbeiteten Vorträge
von Benni, StefanMz und mit irgendwo hingehängt würden -
zweckmäßigerweise vielleicht in mehrere OT-Projekte. StefanMz: Geht
das wirklich, daß ich als Maintainer beliebige HTML-Tags angeben kann?

Aber eigentlich wollte ich in dieser Mail ein paar inhaltliche
Gedanken los werden, die sich beim mehrmaligen Überschlafen
kristallisiert haben. Bevor es also wieder im permanenten
Gedankenstrudel verschwindet...

Zunächst mal war ich ganz froh, daß ich Christoph im Kern schon
richtig verstanden hatte. Wir konnten uns denke ich darauf einigen,
daß die Freie Kooperation vor allem ein Machtgleichgewicht herstellen
will. Daß ihr das gelingen kann, wage ich immer noch zu bezweifeln,
aber das ist hier nicht mein Thema.

Nun sehe ich aber in der Freien Software keimförmig Macht strukturell
abgeschafft. Dies spiegelt sich im übrigen auch in Konsensverfahren.

In beiden Fällen verstößt Machtausübung gegen die eigenen Interessen,
da sie - per (meiner und Max Webers) Definition - gegen die Interessen
anderer im Kollektiv verstößt. Mit Machtausübung kann mensch in
solchen Strukturen also höchstens das Kollektiv beschädigen und das
ist nicht im eigenen Interesse, da mensch das Kollektiv ja gerade zur
Verfolgung auch der eigenen, *unmittelbaren* Interessen gewählt hat.

Damit wird in solchen Strukturen der Einsatz von Macht irrational und
damit ist Macht *an sich* strukturell überwunden und kann damit keine
dominante Größe mehr sein.

In solchen Strukturen halte ich die Freie Kooperation für überflüssig,
da sie ein Machtgleichgewicht herzustellen versucht, das gar nicht
benötigt wird. Tendenziell - und darauf zielte wohl ein Teil meiner
Eingangskritik - ist die Freie Kooperation in solchen Strukturen sogar
gefährlich, da sie mit ihren Mitteln Machtstrukturen erst einführt.
Drohungen sind halt auch Machtmittel.

Eine wichtige Differenzierung konnten wir auch herausarbeiten:
Kollektive, die auf Entfremdungsbasis funktionieren gegenüber solchen,
bei denen die TeilnehmerInnen aus ihrem eigenen unmittelbarem
Interesse an den Zielen des Kollektivs dabei sind. Als Kollektiv auf
Entfremdungsbasis hatten wir Parteien und Gewerkschaften diskutiert,
aber jede Lohnarbeit, ja sogar Unternehmertätigkeit ist das natürlich
ganz genauso. Oekonux als ein naheliegendes Gegenbeispiel wird nur von
Leuten betrieben, die am eigentlichen Ziel des Projekts interessiert
sind, da weitere mögliche Interessen zumindest mir bislang nicht
bekannt sind - ein nicht entfremdetes Kollektiv also. Hieraus wäre
evt. ein Set von Kriterien abzuleiten, wie ein Kollektiv aus
Oekonux-emanzipatorischer Sicht zu bewerten ist.

Über die Entfremdung kommen individuelle Interessen ins Spiel, die mit
dem eigentlichen Interesse des Kollektivs nichts mehr zu tun haben.
FunktionärInnen haben immer die Tendenz an ihrem Posten zu kleben, da
sie sich darüber auch reproduzieren - was in ihrer individuellen Lage
ja durchaus vernünftig ist.

In solchen entfremdeten Kollektiven sind Menschen aber auch nicht mehr
am eigentlichen Ziel des Kollektivs so mega-interessiert. Von daher
haben sie auch wenig Probleme damit, das Kollektiv zu zerstören oder
zu zweckentfremden - als Versorgungseinrichtung z.B. Na ja, ein
Vorgang, den wir wohl alle bis zum Abwinken kennen. In solchen
Kollektiven wird auch Machtausübung nicht nur strukturell möglich,
sondern liegt auch nahe.

In solchen entfremdeten Kollektiven, in denen der emanzipatorische
Hopfen und das Freiheitliche Malz sowieso verloren sind, kommt
natürlich jede Zivilisierung recht - warum nicht auch mal das
Machtgleichgewicht der Freien Kooperation probieren? Da die Freie
Kooperation allerdings Macht nicht überwindet und m.E. auch
Entfremdung begünstigt, kann sie m.E. aber kein Weg sein, der in
wirklich emanzipatorische, d.h. machtfreie und nicht-entfremdete
Kollektive führt. Vielleicht gibt es da ja auch einfach gar keine
generelle Umwandlungsmöglichkeit.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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