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[ox] Anmerkungen zum Kurz Artikel "Innovation durch Feuerwaffen, Expansion durch Krieg: EinBlick in die Urgeschichte der abstrakten Arbeit" "



Ein paar Anmerkungen zum Artikel "Der Knall der Moderne - Mit Moneten und
Kanonen.
Innovation durch Feuerwaffen, Expansion durch Krieg: Ein Blick in die
Urgeschichte der abstrakten Arbeit" von Robert Kurz
(http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2002/03/15a.htm)

Dass "der Krieg der Vater aller Dinge" sei, mag so gesehen ein
Uebersetzungsfehler des urspruenglichen Heraklit textes gewesen sein bzw. so nicht von ihm
gemeint (Aber wer kann das bei den Vorsokratikern schon mit Sicherheit
sagen), als gefluegeltes Wort ist es durch die Jahrhunderte hindurch bis vor
kurzem Bestandteil der Allgemeinbildung gewesen.

Insofern ist auch eine Herleitung von technischen "Errungenschaften" und
staatlicher Wirtschaftsfoerdeung zumindest auch aus militaerischen Ueberlegungen
heraus lange Zeit standard gewesen, wobei es insofern garnichts zu entlarven
gab, weil dies der selbe Blick war, den die Staaten selbst offen eingenommen
haben (so sind beispielsweise die Eisenbahnprojekte zumindest in
Kontinetaleuropa u.a. aus militaerischen Ueberlegungen heraus entstanden).

Dieses staatliche Interesse, in der staatlichen Konkurenz sich zumindest
keine Bloesse zu geben oder gar den Konkurenten zu uebertrumpfen, bedingt ein
Interesse am technischen Fortschritt und an der Steigerung der Produktion des
Landes um die Mittel fuers Kriegsfuehren in die Haende zu bekommen, mit der
zunehmenden Massenkriegsfuehrung im 30jaehrigen Krieg auch an massenproduktion
(s. z.B. Wallensteins Manufakturen) und spaetestens seit den
Revolutionskriegen des 18. Jahrhunderts auch an einer gesunden (wehrtauglichen) und
engagierten Beveolkerung. 

Ob dies unbedingt immer mit fortschreitendem Kapitalismus gleichzusetzen
war, ist durchaus offen. In Frankreich war etwa die dirigistische
Wirtschaftspolitik eines Colberts durchaus auf die obigen militaerischen Ziele gerichtet
und dabei doch keineswegs identisch mit einer offen kapitalistischen Politik.

Das staatliche Interesse an der Entwicklung seiner Prudktivkraft fuer seine
militaerischen Erfolge mag durchaus mit den mittelalterlichen
Produktionsverhaeltnissen kolidiert haben und teilweise eine Interessenidentitaet mit
kapitalistischen Produzenten gehabt haben, eine Interessengleicheit ist daraus
keienswegs geworden. Immerhin hat es in praktisch allen Staaten noch zusaetzliche
buergerliche Revolutionen gebraucht, die ja durchaus eine
Interessendifferenz enstpringen.

Nebenbei wird ein radikaler Kritker der Wertproduktion wie Kurz, der dem
Kapitalismus sonst nichts durchgehen laesst, doch wohl nicht wirklich behaupten
wollen, dass der Kaptialismus zwar fuer sonst nichts gut sei, aber sehr wohl
prima dafguer geeignet, eine gescheite Kriegswirtschaft auf die Beine zu
bringen. Wieso sollen den auf einmal, wenn es um Kriegsproduktion geht, die
ganzen Maengel des Kapitalismus nicht mehr gelten? Umgekehrt ist ja die Kritik
sonst sogar gelaeufig, dass in der Militaerindustrie die ueblichen
kapitalistischen Mechanismen teilweise ausgesetzt werden (durchaus auch von staatlicher
Seite um die Zuverlaessigkeit seiner militaerischen Substanz nicht zu
gefaehrden).

Hier scheint also eher wieder der uebliche Wunsch, dem Kapitalismus
moeglichst viel schlechtes anzuhaengen, Vater des Gedanken gewesen zu sein.

Offen bleibt z.B. unter diesem Gesichtspunkt, warum andere Gesellschaften
aus ihrer Militaer und anderer Technik keinen Kapitalismus entwicklet haben
(bzw. andersherum ohne Kapitalismus Technik und Militaer entwicklet haben), oder
inwiefern nicht noch andere unliebsame Mechanismen sich im Kapitalismus
wiederfinden (statt diesen nur als giagntisches Gefaengnis oder Kaserne zu sehen,
was man natuerlich machen kann, aber wohl einiges ausblendet).

Zum ersten siehe z.B: das Werk von James McClellan & Harold Dorn "Werkzeuge
und Wissen - Naturwissenschaft und Technik in der Weltgeschichte", fuer ca.
50 DM bei 2001 erhaeltlich (ISBN 3-8[PHONE NUMBER REMOVED]) Orginalausgabe von 1999, 2001
Erstausgabe von August 2001). In dem Buch findet sich nebenbei auf S. 148/149
der Hinweis zum Schiesspulver im alten China: "..sein Einsatz fuer
militaerische Zwecke seit dem 12. Jahrhundert [...] fuer Raketen, Granaten, Bomben,
Moerser und Kanonen [...]". Generell beschreibt das Werk sehr schoen den
unterschiedlichen Umgang mit "Technik" und "Naturwissenschaft" in den
unterschiedlichen Kulturen.

Zum zweiten siehe z.B: das Werk "Mythos Maschine" von Lewis Mumford (engl.
Orginal 1964-1970), deutsche Erstausgabe beim Europa Verlags AG, Wien 1974,
als Taschenbuch 1977 in der Reihe Fischer Alternativ), von dem sich u.a. Rudolf
Bahro hat beeindrucken lassen (ich bin mir bewusst, dass das heutzutage bei
vielen eher ein Gegenargument ist).
In dem keineswegs unproblematischen Buch findet sich jedenfalls eine ganze
Reihe aufzunehmender Materialien und Ueberlegungen.

Zur Entwicklung des Kapitalismus jenseit sbzw. in Ergaenzung zu Marx sei
neben den Werken von Sombart auch auf die Werke von Fernand Braudel hingewisen,
insbesondere seine dreibaendige "Sozialgeschichte des 15. bis 18.
Jahrhunderts".

Kai

-- 
Kai Froeb, Muenchen
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