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Re: [ox] Fundamentalismen



Hartmut Pilch schrieb gestern:
Bei aller Kritik an Gleichschaltungs-Bestrebungen muss man natürlich auch
berücksichtigen, dass Verschiedenheit Spannungen verursacht, die sich
nicht durch die Rationalität (oder gar Gutmenschenpose) von ein paar
Intellektuellen wegreden lassen.

Verschiedenheit ansich "verursacht" nicht Spannungen -- Verschiedenheit
ist allenfalls ein Kristallisationskern/Vorwand, an dem sich Spannungen
entladen, welche aber von anderen Faktoren (Misserfolge/Ungerechtig-
keiten) *verursacht* werden.  Sind Spannungen einmal da, dann finden
sich immer Vorwände, sie abzureagieren -- dafür ist dann selbst die
kleinste Verschiedenheit "gut", die sich auch mit noch so grosser
Gleichschaltung nicht beseitigen lässt (z.B. ethnische Verschiedenheit).
Das Ziel sollte also die Beseitigung der Ursachen von Spannungen sein,
nicht die vermeintliche Beseitigung von Kristallisationskernen.

Von oben aufgedrückte Gleichschaltung kann Spannungen nicht wirklich
verhindern -- bestenfalls übertünchen/ auf Zeit "unter dem Deckel halten",
aber letztlich oft sogar *verstärken*.
Die Vorstellung, dass Gleichschaltung Spannungen verhindert ("Frieden
schafft"), ist eine der grössten Illusionen/PR-Lügen der EU-Jasager
-- historisch x-fach widerlegt, aber wer weiss das schon...


 Volle Akzeptanz der islamisch-geprägten
Kultur bedeutet Verneinung des Menschenrechtskatalogs als eines
kulturimperialistischen "One-size-fits-all".

Man sollte nicht vergessen, dass Menschenrechte mehr als *Vorwand* für
Imperialismus herhalten (s. auch Kosovo), und gerade die USA wohl am meisten
für Menschenrechtsverletzungen im nahen/mittleren Osten verantwortlich
sind (durch Unterstützung/Aufbau despotischer Regimes und "Terroristen").
Dazu empfehle ich das Paper des US-Nahostexperten Stephen Zunes,
"U.S. Policy Toward Political Islam", online bei
http://www.foreignpolicy-infocus.org/briefs/vol6/v6n24islam.html

Machen wir uns nichts vor:  Beim US-/EU-"One-size-fits-all" geht es um
Profitmaximierung durch möglichst einheitliche und grosse Märkte -- der
"Menschenrechtskatalog" schaut dabei höchstens als "collateral benefit"
heraus -- aber nichtmal wirklich das, wenn man sich die Auswirkungen
innerhalb und ausserhalb dieser Machtblöcke genauer anschaut.


 Vielleicht gehen dabei dann
auch Prinzipien über Bord, die ein interkulturelles rationales Miteinander
überhaupt ermöglichen könnten.  Zu dem Miteinander gehört also ein
gewisses Maß an Willen zum Durchsetzen eigener Vorstellungen.

Fragt sich nur, wessen Vorstellungen...  bisher setzen sich da einseitig
die Vorstellungen der westlichen Bosse und ihrer despotischen Marionetten
durch, wohlgemerkt *beide gegen* die Vorstellungen der Mehrheit der
dortigen Menschen.


 Man kann
dann hoffen, dass man sich irgendwo treffen und zu einem stabilen Zustand
finden kann.  Vielleicht gelingt das, vielleicht auch nicht.  In
Israel/Palästina ist es nicht gelungen, und selbst bei viel einfacheren
Spannungslagen wie Nordirland ist es nicht etwa nur deshalb schwierig,
weil an den Spitzen beider Seiten irgendwelche bösen oder dummen Menschen
stehen.  Viele Leute verstehen die objektive Schwierigkeit nicht oder
haben kein Gespür für die Dynamik politischer Organisationen.

Vor allem ist das Problem, dass viele Leute die egoistische PR der Bosse
nicht durchschauen, welche man leider durchaus als böse Menschen bezeichnen
muss.

Gruss,
Christoph R


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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