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[ox] Re: Die Logik der Gewalt ist am Ende



Lieber Franz!

Ich stimme dem Gedanken ganz zu und möchte eine Zitat von Solschenyzin in
Erinnerung rufen (galublich aus Archipel Gulag):  Wenn es nur so einfach
wäre, daß man die Bösen irgendwo finden und ausmerzen könnte und  damit
Friede wäre. Aber die Grenze zwischen Gut und Böse geht durch das Herz eines
jeden Menschen und wer könnte schon sein eigenes Herz  ausreissen. (Zitat
aus dem Gedächtnis wiedergegeben)

Aus der Spirale der Gewalt auszusteigen, fängt für mich damit an, einer
Sprache, die das absolut Böse bei anderen Menschen dingfest machen will,
entgegenzutreten. Wir müssen uns nicht dem Haß hingeben, wenn  wir diese
Menschen, die das gemacht haben, als an einer Krankheit leidend betrachten.
Unser Mitgefühl gegenüber den Opfern braucht nicht den Haß gegen die Täter.
Wir hassen schließlich auch nicht die Erde, wenn sie bebt oder den Hurrikan,
der  über Städte hinwegfegt und auch oft tausenden Menschen das Leben
kostet.  Auch unsere Verbundenheit gegenüber dem Leben und den Willen, alles
zu tun, um unser und unserer Kinder Leben zu erhalten und zu verteidigen,
braucht nicht den Haß gegen die Täter. Drohungen drücken für mich eine
Hilflosigkeit aus. Der Haß und vielleicht  auch  Angst und Aufregung
(Adrenalin)  erfüllen so nur die Funktion einer Droge, die unsere
Unsicherheit und Leere nur sehr unzulänglich zudeckt.  Wenn wir nicht eine
Sicherheit auf einer ganz anderen Ebene (der Beziehung zu einem größeren
Ganzen  -  wie immer das jeder  für sich versteht) haben oder pflegen  ( ich
tue mir schwer das zu formulieren) bleiben eben als, wenn auch zweifelhafte,
Lebensbewältigungsmittel  die Drogen  Angst, Haß und andere Formen, gleich
ob als Substanzen von außen zugeführt oder im Körper selbst erzeugt.

Ich bin kein Kirchenmensch, aber der Vorschlag von Kardinal Schönborn, auch
für die Täter zu beten, geht für mich in die richtige Richtung.

Für mich  sind diese Ereignisse  auch eine Aufforderung und Erinnerung, uns
nicht der Illusion von falschen Sicherheiten, die auf menschlicher (z. B. mi
litärischer oder wirtschaftlicher) Macht beruhen, hinzugeben und gerade aus
dem Bewußtsein unserer Ausgeliefertheit  unsere Verbundenheit zum Leben und
zum Universum zu pflegen.

Wie deplaziert sind doch die  gerade in solchen Situationen in den Medien
häufig vorkommenden Worte von der "zivilisierten Welt" der die anderen
"wilden" oder "unzivilisierten" ohne sie ausdrücklich zu benennen,
gegenübergestellt werden. Von sogenannten "Schurkenstaaten" ist da plötzlich
die Rede, die angeblich oder vielleicht auch tatsächlich solchen Terrorismus
unterstützen. Es ist klar und legitim, solchen kriminellen Organisationen
entgegenzutreten, so gut man kann, aber gleich ganze Staaten und Völker als
Schurken zu bezeichnen, finde ich schrecklich. Das ist ja eine Sprachweise,
wie sie zum Beispiel Hitler und ähnliche benutzt haben. Schauen wir doch
ehrlich in die Geschichte unserer "Zivilisierten Welt" zurück, was es da
alles an "Unzivilisiertem" gegeben hat.

Ich schäme mich bei solchen Gelegenheiten gegenüber den Menschen in diesen
Ländern für solche Aussprüche. Gerade in  vielen Ländern der sogenannten
Dritten Welt und in vielen indigenen Völkern finden wir viele Menschen von
geistiger Größe und  Kraft, die wir  für unser Leben und die Zukunft unserer
Gesellschaft sehr dringend brauchen. Es ist sehr an der Zeit von unserem
"Hohen Roß" herunterzusteigen.

Ich glaube nicht, daß wir "die Ursachen des Hasses" aus der Welt schaffen
können, weil der Hass nicht von außerhalb eines Menschen verursacht wird und
nicht sowas wie eine zwangsläufige Reaktion, Haltung oder Gefühl auf
Verhältnisse oder Handeln darstellt, sondern im Herzen eines Menschen
durch innere Entscheidung produziert wird.  Wir müssen daher eine Botschaft
weitergeben über Erfahrungen , daß eine Leben frei von Angst  und Haß
tatsächlich möglich ist, wenn auch nicht aus eigener bewußter
Willensanstrengung heraus sondern aus sowas wie Verbundenheit zu einer Kraft
größer als wir  selbst. Wenn wir von Ursachen sprechen    wollen, dann ist
die Ursache des Hasses die geistige, spirituelle Abtrennung. Diese scheint
nun tatsächlich sehr weit verbreitet zu sein. Hier können wir wirklich
beitragen, die "Ursachen" des Hasses zu beseitigen. Wir brauchen eine
Respiritualisierung unserer sogenannten Zivilisation, die grundlegender und
weiter ist, als es in Religionen, Glaubensgemeinschaften, esoterischen
Gruppen, Weltanschauungssystemen, Psychologie und Wissenschaft im
Allgemeinen vermittelt wird. Die Traditionen indigener Völker scheinen uns
am ehesten darüber zu lehren. Wir sollten auch die Demut aufbringen,
zuzugeben, daß unser sogenanntes "christliches Abendland" nicht gerade bei
der Bewältigung von Angst und Haß eine Glanzleistung erbracht hat und diese
alten Völker mit ihren Lebensweisen und Traditionen voll rehabilitieren.


Markus Distelberger


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Franz J. Nahrada <f.nahrada magnet.at>
An: liste oekonux.de <liste oekonux.de>
Datum: Dienstag, 11. September 2001 21:47
Betreff: Die Logik der Gewalt ist am Ende


Ein wichtiger Gedanke zum heutigen Tag kam
von einer Freundin im Waldviertel, mit der
ich gerade telephoniert habe.

Die Logik der Gewalt heißt "Strafe" und
"Abschreckung".

Wie kann man aber Menschen bestrafen und
abschrecken, die ihr Leben hergeben?

Das, was heute in den USA passiert ist, hat
die Grenzen des blindwütigen Reagierens ebenso
endgültig gezeigt wie die Grenzen jeder Form
von gewaltsamer "Abschreckung".

Die Menschheit hat vielleicht am heutigen Tag
den Punkt erreicht, an der sich das aus-der-Welt-
Schaffen der Ursachen des Hasses als die einzige noch
gangbare Alternative erweist!

Danke, Christa Zettel, für diesen wunderbaren
Gedanken. Er scheint mir sehr wertvoll und nützlich
zu sein und ich gebe ihn an viele weiter - auf daß
sie ihn mit seiner ganzen Klarheit einzusetzen
vermögen und andere zum Austritt aus der Gewaltlogik
veranlassen können!

Franz Nahrada



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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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