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Re: [ox] Freie Resourcen für Alle!



In einer eMail vom 17.02.01 10:50:51 !!!First Boot!!! schreibt 
Annette.Schlemm t-online.de:

Thema:     Re: [ox] Freie Resourcen für Alle!

Horst:
 > Hallo,
 > Ich bringe hier willkürlich dieses Zitat, weil da wieder mal die 
 > "Spehrsche Freie Kooperation" als etwas ernst zu nehmendes dasteht.
Anette:
 Was Du danach schreibst, beweist mir aber nicht, daß die "Spehrsche
 Freie Kooperation" nicht ernst zu nehmen wäre.
Horst:
Da hast Du Recht. Ich bin auch eher mißtrauisch als beweiskräftig. 
Horst: 
 > In den von Thomas veröffentlichten Web-Adressen findet man zu Spehr
 > Bemerkungen unter dem (Unter)-Titel: "Neues vom deutschen
 > Kathedersozialismus".
 > Darin findet sich die Darstellung einer "Freien Kooperation",
 > die sich allerding erheblich von dem unterscheidet, was ich bei Oekonux
 > bisher darüber mitbekommen habe.
Anette:
 Diese Darstellung ist eine Kritik eines Menschen der sehr wenig von der
 Grundintention der Freien Kooperation verstanden hat.
Horst:
Das kann schon sein. Auch auf mich selbst kann das zutreffen.
Aber vielleicht bringt das Seminar (2.-4.) ja auch zu diesem Thema 
etwas mehr Durchblick?:-)
Anette:
 Das wär ja nun das Letzte, ein Konzept nur aus der Schrift eines
 Kontrahenten zu beurteilen...
Horst:
Und - Volltreffer. ;-(
(Wie konntest Du das wissen, Anette?)
 
 Spehr im Original dazu u.a.
 "Für kapitalistische Kooperation sind die Voraussetzungen der
 Kooperation, dass die Ware bestimmten Standards genügt und tatsächlich
 geliefert wird, dass bezahlt wird, und dass Kompensation geleistet wird
 wenn eines davon nicht erfüllt ist. Für freie Kooperation sind die
 Voraussetzungen andere."
 
 Wohl weil er sich bemüht, nicht "zu abstrakt" zu bleiben, wendet Spehr
 seine Gedanken dann auch auf so was wie eine "Übergangsökonomie" und
 dazu an, wie man sich jetzt schon Freie Kooperationen im
 Alternativbereich denken könnte:
 
 "Auch hier setzt eine Politik der freien Kooperation nicht die Regeln,
 sondern stärkt die gleiche Verhandlungsposition der Akteure. Sie strebt
 eine plurale Konkurrenz von Marktbetreibern an und fördert diejenigen,
 die Erzeugern und Verbrauchern in höherem Maße die Voraussetzungen
 freier Kooperation verschaffen können." 
 
 Ich würde hier wirklich vielleicht nicht "Markt" schreiben, weil das zu
 Verwechslungen mit dem kapitalistischen Markt führen kann, wo diese
 Voraussetzunge ja gerade nicht gegeben sind (und sein können)"

Vorsicht! 
Machst Du hier etwa einen Unterschied auf zwischen einem "emanzipatorischen" 
Markt freier Kooperationen und dem "reaktionären" kapitalistischen Markt? 
Ähnlich wie zwischen einem sozialistischen Staat und dem kapitalistischen 
Staat? 

Horst: 
 > die Spehrsche Feie Kooperation als eine, in der alles wie auf einem Basar
 > "aushandelbar" sein soll, ja sogar kap. Unternehmen können u.U. solche 
 > Koop's sein. Warenwerte allein erzwingen Verhandlungen.

Horst:
Es gibt sicher auch Komunikation (Verhandlung), ohne das was (basarmäßig)  
ausgehandelt wird. Das Spehr aber an zentraler Stelle immer wieder dieses
Wort, welches eben den Handel wie selbstverständlich einschließt, benutzt - 
ich
kann mir nicht vorstellen, bei all seiner Virtuosität, dies sei absichtslos 
geschehen.
Vielleicht überschätze ich ihn aber in meinem abgrundtiefen (allgemeinen) 
Mißtrauen, und er hat hier "nur" einen blinden Fleck?

Anette:
 Quatsch. Spehr beschreibt die Anforderungen, aus denen sich spätestens
 ableiten läßt, daß es eben in und mit kapitalistischen Unternehmen 
 keine Freie Kooperation geben kann.
Horst:
Aber Spehr beschäftigt sich sehr eingehend mit der Frage: 
Was bedeutet es, einen Betrieb nach der Logik freier Kooperationen 
einzurichten?<< (S.45)
Ich glaube, genau hier versucht er die Quadratur des Kreises.
Indem er nähmlich eine typische "erzwungene Kooperation" 
nach der Logik freier Kooperationen einzurichten zumindest 
für möglich hält.
Und im  folgendem Zitat und der darin meiner Meinung nach offensichtlich 
werdenden Ontologisierung des Markt- Geld-u. Arbeitsfetisches, scheint die 
Niederlage aller emanzipatorischen Bemühungen schon wieder vorprogrammiert, 
und zwar in der sattsam bekannten Form, daß "das System" diese kreativen 
Alternativen zur Perfektionierung seiner Herrschaft "nutzt" und einsaugt.
Oder übersehe ich Halbblinder da was?

(Spehr S.46)  >> In einer solchen Struktur würden die Menschen als 
a r b e i t e n d e frei und gleich kooperieren. Sie wäre nicht, wie oft der 
Einwand lautet, an die Situation in hochentwickelten Industrieländern 
gebunden. Wo monetäre Sicherheitssysteme instabil und unsicher sind (als 
wären sie bei uns stabil und sicher. d.V.) oder nur ein geringerer Teil der 
Wertschöpfung staatliche und betriebliche Haushalte passiert, besteht 
existenzsichernde Grundsicherung darin, Zugang zu Land zu haben, und wird 
unter Umständen eher kollektive als individualisierte Formen annehmen (als 
Zuteilung von Land an Familien und Gruppen). 
Was bedeutet eine solche Herangehensweise für die Kapitalmarktseite? Eine 
Kooperation als ganze kann man nicht kaufen. Man kann ihr Geld leihen, und 
man kann dafür eine Beteiligung am etwaigen Gewinn erwarten. Man erwirbt 
damit jedoch keine Bestimmungsrechte über die Kooperation; egal, ob das Geld 
vom Staat oder von Privaten kommt. 
Das ist der springende Punkt.
Nur dadurch wird vermieden, daß Arbeit verfügbar ist, daß sie keine aktive 
Kooperation, sondern Sklavenarbeit ist. Man kann Geld auch im Ausland 
investieren. Eine Politik des Abbaus von Verfügbarkeit schließt nicht aus, 
daß z.B. Entwicklungsländer globales Kapital ins Land lassen. Sie orientiert 
nur darauf, daß auch in diesem Fall die Struktur als freie Kooperation 
interpretiert und behandelt wird (also genau das Gegenteil von dem, was die 
Bestrebungen des MAI waren).(47) Als reine Kapitalinvestition beinhaltet sie 
Anteile am Gewinn, aber keine Bestimmungsgewalt. Als Auslandsniederlassung 
ist sie eine Kooperation, deren inländische Mitarbeiter den gleichen Status 
haben - man kann also gehen, aber man kann die Firma nicht ohne weiteres 
mitnehmen, wenn man geht. Eine solche Struktur hebt das Dilemma nicht auf, 
Kapital anziehen zu wollen, ohne sich vollständig abhängig zu machen; aber es 
macht dieses Dilemma von Seiten der betreffenden Länder bearbeitbar und liegt 
auf der Linie einer Politik, die viele Länder des Südens hier durchzusetzen 
versuchen.
Obwohl solche Formen von Betrieben als Kooperation der Logik z.B. der 
Aktiengesellschaft diametral entgegenstehen, sind sie rechtlich ohne weiteres 
möglich. Man kann sie fördern. Man kann sie betreiben. Man kann die 
bestehenden Arbeitsstrukturen in einer Weise reformieren, die sich den Abbau 
von Verfügbarkeit zum Kriterium macht. Dies gilt für alle Akteure: 
Arbeitende, Gewerkschaften, soziale Bewegungen, Staat, Konsumenten, Kommunen. 
Es gilt auch für die "neuen Unternehmer", die sich viel auf ihre soft skills 
und ihren partnerschaftlichen Stil einbilden und hier nachlesen können, was 
es heißt, damit wirklich ernst zu machen.

Eine solche Politik, die beim Abbau von Verfügbarkeit an den jeweils 
vorhandenen Strukturen ansetzt und sie im Sinne freier Kooperation 
transformiert, bedeutet nicht, daß die bestehenden Eigentums- und 
Verfügungsverhältnisse als sakrosankt betrachtet werden müßten. Das tut 
selbst der existierende Realkapitalismus nicht, der kleines Eigentum 
systematisch enteignet (durch Steuern, Inflation, Wegfall von Ansprüchen), 
während er großes Eigentum systematisch beschenkt (durch Steuerausnahmen, 
Subventionen, "Staatsverschuldung", Übernahme von Kosten usw.). Eine Politik, 
die Eigentum und Verfügung umverteilt oder in andere Eigentumsformen 
überführt, bis hin zur formalen Enteignung, Aufteilung, Verstaatlichung usw., 
ist aufgrund des kollektiven und historischen Charakters von Arbeit 
grundsätzlich legitim. Nur löst sie damit noch nicht das Problem von Freiheit 
und Gleichheit. Die Politik der Abwicklung verändert den Charakter von 
Kapital und Eigentum. Sie zielt wie beschrieben darauf ab, den Charakter als 
Herrschaftsinstrument abzubauen, egal wo dieses Eigentum allokalisiert ist.
Auch für die ökonomische Kreativität der 'real life economics' oder einer 
'Wirtschaft von unten' findet sich hier das zentrale Kriterium, ob eine 
andere Logik von Arbeit als Kooperation entsteht, oder lediglich 
selbstorganisierte Verfügbarkeit. Dieses Kriterium lautet: die Verfügbarkeit 
in der Arbeit abzubauen ; allen Strukturen gegenzusteuern, wo die einen 
"liefern" und die anderen bestimmen; ökonomische Einheiten jeder Art 
grundsätzlich als Kooperationen aufzufassen und nach dem Leitbild freier 
Kooperation einzurichten.
Wenn es irgendetwas gibt, was wir uns unter "wirtschaftlicher Freiheit" 
vorstellen können, dann ist es das.<<

Für eine Utopie eine ganz schön kleinmütige Vorstellung, finde ich.

MfG,
Horst







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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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