Re: [ox] Wieder mal: Vergesellschaftung
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Mon, 12 Feb 2001 08:12:27 EST
Hallo Annette und alle,
1. meine ich das, 2. wird die kapitalistische Vergesellschaftung m.E.
nicht
> so einfach "wegfallen", sondern eher über längeren historischen Prozess
> zurückgedrängt werden, also in bestimmten Bereichen abgeschafft werden,
in
> anderen noch existieren., 3. auch außerhalb der kapitalistischen Ökonomie
> vielleicht Warenproduktion und -austausch noch sinnvoll sein.
Alles, was ich bisher über den Kapitalismus verstanden habe (schon vor
KRISIS) besagt, daß genau dieser langsame transformatorische Weg hier
nicht funktionieren kann. Der Kapitalismus ist von seinem Wesen her eine
eine "totalitäre" Gesellschaftsformation und wird es immer mehr. Darin
war Marx sich übrigens nicht widersprüchlich...
Na ja, Marx hat sich durchaus Gedanken über staatliche Reformen und über
Übergangsschritte gemacht. Und realhistorisch haben Schritte auf diesem Weg
sehr wohl funktioniert und vieles verändert und fnktionieren immer noch,
allerdings ohne den Kapitalismus zu überwinden. Alle Versuche, es anders
anzugehen, sind jedenfalls weit kläglicher gescheitert. Aber die Differenz
ist zunächst eine analytische, ich begreife die "totalitäre" Tendenz des
Kapitalismus anders, und von der Krisis-Analyse halte ich bekanntlich auch
wenig bis nichts.
Aber "Übergänge" werden immer kürzer... Meist waren sie eh mit Umbrüchen
an Kriegsenden verbunden, da gings immer ganz gewaltig schnell. Geistige
Umorientierungen - entsprechend Paradigmenwechsel - gehen noch
schneller...
Wo ist denn jemals ein erfolgreicher Übergang in fortgeschrittene
Gesellschaftsform so verlaufen?
Das wäre also kein Grund, sich jahrelange andere "demokratische
Zwischeninstitutionen und Rest-Warenproduktionsbereiche" vorzustellen.
Ich gehe sogar von vielen Jahrzehnten aus, vielleicht sogar Jahrhunderten
(aber so weit in die Zukunft gehende Prognosen möchte ich nicht machen, viel
zu unsicher, in jeder Richtung allerdings).
> Für mich bedeutet Überwindung des Kapitalismus nicht, dass es
> keinerlei Warenproduktion mehr geben darf, sondern dass kapitalistische
> Produktion nicht mehr die Gesellschaft dominieren darf.
Hier war Marx auch ganz eindeutig: Warenproduktion tendiert
notwendigerweise zur Dominanz, weil ihre Koordination (lt. Definition)
über "blinde Märkte" nur mit Profitorientierung erfolgt. Auch
"alternative" Ökonomie beweist dies nur allzuoft.
Ich sehe auch mehr Anknüpfung bei der hier m.E. zu unrecht verrufenen
Tradition der sozialstaatlichen Einschränkung des Kapitalismus im weitesten
Sinne. Ich halte es für unrealistisch, den Kapitalismus mit
Alternativökonomie sozusagen von unten verdrängen zu können, sondern setze
weiterhin prmär auf gesellschaftliche Kontrolle und Steuerung "von oben".
Dafür ist der Staat zwar nicht das Subjekt, das das sozusagen von sich aus
betreibt, aber Staatlichkeit auf verschiedenen Ebenen zentraler Mechanismus ,
über den das geltend gemacht und durchgesetzt wird. hab keine Lust, das hier
ausgiebiger zu diskutieren, weiß dass es hier unterschiedliche Auffasungen
gibt, gebe es nur zur Kenntnis.
> Anders als Sklaverei und Leibeigenschaft
> beruht bürgerliche Gesellschaft und Warenproduktion auf persönlicher
> Freiheit und ist darum nicht wie die einfach abzuschaffen.
Aber aufzuheben!!! 1. kann ich mir keine "bürgerliche" Gesellschaft
außerhalb des Kapitalismus vorstellen.
2. Es geht doch nicht drum, persönliche Freiheit im positiven Sinne
abzuschaffen: Die Isoliertheit der Warenproduzenten, die Vereinzeltheit
der Arbeitskraftvermarkter etc., die schaffe ich dagegen gern ab.
Wenn freie Leute ihre verschiedenen Produkte gegeneinander austauschen
wollen, und zu dem Ergebnis kommen, am angemessensten wäre das etwa im
Verhältnis des Arbeitsaufwands, den sie damit hatten, und das Gerede darüber,
dass sie sich damit isolieren, entfremden etc, interessiert sie nicht, willst
du es ihnen verbieten?
> Sicher gibt es viele Beispiele, wo das Fehlen eines funktionierenden
Staates
> unter gegebenen Verhältnissen zu Horrorszenarien gegenwärtig schon
führt. Mit
> funktionierendem Rechtsstaat ist der Horror um >95 % minimierbar.
Das bezweifle ich. Das kannst du nur aus der Sicht eines in diesem Sinne
Privilegierten behaupten. Mancher Sozialhilfeempfänger sieht das anders.
Nimm 95% als Durchschnitt, mag in diesen Fällen nur 80% sein (wie gesagt, die
Zahlen sind nur zur Verdeutlichung, das ist nie quantifizierbar). Aber der
Horror etwa im Kongo oder bestimmten Regionen Westafrikas oder anderen
Bürgerkriegs- oder von Banden beherrschten Gebieten ist sicher von anderer
Qualität.
> und die Bedingungen sind dann angenehmer für
> fast alle Beteiligten für Überwindung von Klassenherrschaft strategisch
> besser.
Wieso??? Diesmal wird es ein Polizist mit "rot-grünem" Befehl sein, der
mich vom Castor wegschleppt - wieso ist das für mich besser? Mal sehen,
vielleicht setzen sie doch keine Wasserwerfer und Gummiknüppel ein???
Dann kriegen sie aber den Castor nicht durch. Und dann können die AKWs
nicht weiterproduzieren. Das schadet doch der kapitalistischen
Wirtschaft.... Na, wir werden sehen.
Von Rot-Grün war gar nicht die Rede, dass das besser sei an der Stelle. Aber
es ist allemal besser, als befürchten zu müssen, unter Ausschluss der
Öffentlichkeit statt mit Wasserwerfern mit Maschinengewehren weggeräumt zu
werden oder statt eine Nacht in einem Knast den (dann tendenziell kurzen)
Rest des Lebens in irgendeinem Arbeitslager zubringen zu müssen, ohne dass
deine Freunde und Familie auch nur wissen, ob du noch lebst, geschweige denn
wo und dass sie was für dich tun können. Ich denke, dass die Beteiligung an
den Blockaden geringer ausfiele, wenn man das befürchten müsste.
Viele Grüße
Ralf Krämer
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