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Re: Re(2): [ox] Vergesellschaftung + Realo-Träume?



UlrichLeicht t-online.de

RalfKrae aol.com schrieb:
In einer eMail vom 07.02.01 12:24:58 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt 
f.nahrada magnet.at:

 Die Neoliberalen dürfen heute alles in Frage stellen, sogar die
 öffentliche Verwaltung. Sie träumen von privaten Gefängnissen,
 privaten Städten (www.victorycities.com) und so weiter.

Das ist ein Beispiel dessen, was ich schrieb: zu mit großer Sicherheit üblen 
Ergebnissen führt der Versuch, vor der Zeit dieser nach meiner Einschätzungen 
fernen Zukunft (wenn überhaupt) den Staat abschaffen zu wollen, weil sich 
dann funktionale Äquivalente herausbilden werden, die allemal schlechter sind 
als ein demokratischer Rechtsstaat.
 
 Bloß die Kapitalismuskritiker sollen das nicht dürfen? Ist ja
 absurd!

Sicher  darfst du und alle anderen, die wollen, davon träumen. Aber ich und 
andere KapitalismuskritikerInnen dürfen auch denken und zu dem 
Ergebnis kommen und das vertreten, das das keine sinnvolle Position ist, oder?
 
 das trifft ja nicht einmal das Problembewußtsein der staatlichen 
 Agenten selbst.

Mich beunruhigt eher das mangelnde Problembewusstsein über die 
Realiserbarkeit bzw. die real zu erwartenden Konsequenzen des Versuchs der 
Realisierung bestimmter Vorstellungen, wenn es dafür keine Bedingungen gibt.

Beste Grüße

Ralf Krämer


Als einer jener Träumer, die nicht zu denken vermögen, eine Anmerkung: 

Die Fokusierung auf die "Neoliberalen" und ihre "Träumereien"/und auch 
handfesten Versuche (realiter allerdings der politischen und statstragenden 
Kräfte aller Couleur)lenkt insofern vom eigentlichen Problem ab, als dieses 
meiner Meinung nach nicht darin besteht, daß der markt-demokratische 
Rechtsstaat und die Politik auch in dieser Zeit außer Kraft gesetzt wären, 
sondern schlicht auch finanziell immer mehr in Not sprich Krise geraten und 
geraten müssen und der (Verteilungs-)und Handlungs-Spielraum abnimmt. Er 
konzentriert sich und muß sich deshalb auch mehr als zu Zeiten des kurzen 
fordistischen Hochsommers auf wesentliche und möglichst nicht so 
kostenträchtige Aufgaben und das Inganghalten der kapitalistischen Maschinerie, 
die ihn "sponsert", der Sicherung des Standortes usw. konzentrieren.

Die finanzielle Basis des Staates ist das Laufen und Abschöpfen des Wert- und 
Mehrwertschöpfenden Verwertungsprozesses, der Ökonomie dieses Landes. Ralf 
und politisch Gleichgesinnte sehen diese ja allerorten sich eher ausdehnen 
und florieren, eine Abnahme der Wertproduktion, die sich nicht nur aber auch 
in einer hohen und zumehmenden Staatsverschuldung äußert, muß wohl in der Tat 
nur eine tagträumerische Wahnvorstellung sein.  
Dies alles gehört wohl in die Rubrik "ferne Zukunft" und entspringt irrealen 
Hirngespinsten. Daß der demokratische Rechtsstaat wichtige Funktionen immer 
weniger wahrnimmt und wahrnehmen kann (der Versuch, dem finanziellen Bankrott 
u.a. durch Privatisierung und Verbetriebswirtschaftlichung der 
gesellschaftlichen Infrastruktur von A bis Z - von der Altersversorgung und 
Ausbildung über die Gesundheitsvorsorge, öffentliche Dienste aller Art, die 
Pflege bis zur Wissenschaft und den zwischenmenschlichen Beziehungen - zu 
entgehen, Ausdruck dieser wachsenden Not- und Krisensituation ist) - dafür 
kann nun offensichtlich ein "linker Realpolitiker" kein Problembewußtsein 
entwickeln. Also lobt er den demokratischen Rechtsstat über Gebühr und 
springt ihm mit nicht zu verwirklichenden Umverteilungsvorschlägen zur Seite, 
damit auch sein Ansehen wieder aufpoliert werde.

Stimmt, noch ist unser fdGO-Staat nicht wie die Staats- oder Staatswesen in 
weiten Teilen der Welt und auch in Regionen in unserer Nachbarschaft schon zu 
einem "Banden-Unwesen" degeneriert, obwohl mensch immer öfter Anzeichen auch 
dafür erkennt. Sicher ist aber, daß seine "funktionalen Valente" für eine 
sinnvolle Reproduktion des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens und 
Überlebens weiter abnehmen, und die Suche nach "funktionalen Äquivalenten" 
ohnehin über kurz oder lang auf der Tagesordnung steht

Vielleicht wäre es ein Zeichen von Problembewußtsein, Denkfähigkeit und 
Illusionslosigkeit, sich schon 'mal damit zu befassen, was wir heute tun 
können und sollten, dammit sich 

	"dann funktionale Äquivalente herausbilden werden, die anders und 		
	allemal besser sind als ein demokratischer Rechtsstaat."

Vielleicht ist ja mensch der eigentliche Realist, der sich nicht damit 
zufrieden gibt, der "Staat" müsse - wie übrigens auch die "Arbeit" -  eine 
"ewige" Konstante menschlichen und gesellschaftlichen Lebens sein, nur weil 
das warenproduzierende-kapitalistische Gesellschaftssystem so eingerichtet 
ist, daß alle Bereiche gesellschaftlichen (Re)Produzierens, Lebens- und 
Zusammenlebens wesentlich nicht nur von Verwertungsmaßstäben durchdrungen und 
bestimmt sondern deshalb auch auseinandergerissen sind und in gesonderten 
Sphären ablaufen.

Gut, daß es die Galileos und Marxens gab und gibt, die die Realitäten ihrer 
Zeit nicht nur durchdringen sondern ihnen auch voraussein und -denken konnten, 
und so neue Horizonte sichtbar machten, was dem einen oder anderen manchmal 
wohl mehr als nur hämisches Gespött über utopische Träumereien einbrachte.

Mit real-utopischen Grüßen an die linken Realpolitiker
Uli


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Organisation: projekt oekonux.de


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