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Re: [ox] Bericht von MES Tagung und zu "human capital"



Lieber Uli,

du schriebst

Und mit der abstrakten Arbeit, die wegschmilzt, ist zunächst
 aber nicht nur die kapitalproduktive, mehrwertschöpfende gemeint. Und die 
 hängt im weistesten Sinne mit der materiellen Produktion zusammen, die wir 
 in Dortmund vereinfacht gesagt mit der Montanindustrie und der ihr vor- 
und 
 nachgelagerten Bereiche auch Dienstleistungen kannten. Die ist in den  
letzten 
 30 Jahren von 50.000 (ehemals Kohle und Stahl) auf 2500 Stahlarbeiter 
-Tendenz 
 sinkend-wie der Schneee in der Sonne weggeschmolzen. Inzwischen gibts den 
 sogeannten Strukturwandel. Dortmund wurde und wird zum Sysnonym für 
E-Commerce,
 "Human Capital", 8000 Call-Center-Arbeitsplätze und Vor- und 
Nachgelagertes 
 drumherum. Dortmund vielleicht in Zukunft eine 
 "High-Tech-Dienstleistungsmetropole". Jeder fünfte Dortmunder hat ein 
Handy. 
 Stimmt, trotz der 17% offiziell Arbeitslosen auch eine Menge neue Jobs,  
einige 
 tausend "Cyberlords" vielleicht auch darunter, aber noch mehr Prekäres 
aller 
 Art bis zu den städischen DoDi(Dortmunder Dienste)-Männern. Auch alles 
äußerst 
 abstrakte Arbeit, aber zum größten Teil kapitalunproduktiv, entweder als 
 High-Tech oder Low-Service im wesentlichen von der 
gesamtgesellschaftlichen 
 Mehrwertproduktion alimentiert.
 Denn das ist ja die spannende Frage auch bei "New Economy", wo findet denn 
 wirklich und in welchem Umfang neue Kapitalakkumaltion statt. Sind fünf 
 hintereinander geschaltete ISDN-Telefone schon eine Wertschöpfungskette?

Soweit es öffentlich finanziert ist, sicherlich über Steuern als Abzug vom 
Einkommen im privaten, überwiegend kapitalistischen Sektor finanziert (dabei 
allerdings in den letzten 20 Jahren zunehmend zu Lasten von Lohneinkommen, 
oder anders gesehen als ein Eement der Steigerung der Mehrwertrate, insoweit 
nur begrenzt zu Lasten der Kapitalakkumulation - wobei das Kapital natürlich 
nie satt wird). Aber soweit es um kapitalistisch betriebene Dienstleistungen 
geht, die von den Kunden bezahlt werden, wird da nicht nur Lohnarbeit 
geleistet, sondern auch kapitalistisch wertproduktive Arbeit. In Bezug auf 
Dienstleistungen, die unmittelbar Gebrauchswert für die KäuferInnen haben, 
entspricht das zweifellos auch der Position von Marx (der nimmt als Beispiel 
dafür einen Privatschullehrer - MEW 23, S. 532 -, aber das gilt ebenso für 
Callcenter-Agents unabhängig davon, was sie da konkret tun, und wenn sie 
Telefonsex anbieten). Soweit es um Finanz- und Zirkulationsdienstleistungen 
geht, war Marx der Ansicht, diese seien als faux frais (Unkosten) des 
gesellschaftlichen  Produktionsprozesses und deshalb Abzug vom industriell 
produzierten Mehrwert zu betrachten. Meines Erachtens ist diese Position und 
Marx' Begründung dafür nicht überzeugend und reflektiert eine - zu seiner 
Zeit vielleicht kaum vermeidbare - Borniertheit insoweit, als Marx zwar 
behauptet, hier aus der Perspektive der ganzen Kapitalistenklasse zu 
analysieren, tatsächlich aber von der Perspektive der industriellen Fraktion 
dieser Klasse ausgeht. Kann ich bei Bedarf noch weiter ausführen.

Rote GRüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

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http://www.oekonux.de/



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