Re: [ox] Bericht von MES Tagung und zu "human capital"
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Tue, 17 Oct 2000 04:35:30 EDT
Lieber Uli,
du schriebst
Und mit der abstrakten Arbeit, die wegschmilzt, ist zunächst
aber nicht nur die kapitalproduktive, mehrwertschöpfende gemeint. Und die
hängt im weistesten Sinne mit der materiellen Produktion zusammen, die wir
in Dortmund vereinfacht gesagt mit der Montanindustrie und der ihr vor-
und
nachgelagerten Bereiche auch Dienstleistungen kannten. Die ist in den
letzten
30 Jahren von 50.000 (ehemals Kohle und Stahl) auf 2500 Stahlarbeiter
-Tendenz
sinkend-wie der Schneee in der Sonne weggeschmolzen. Inzwischen gibts den
sogeannten Strukturwandel. Dortmund wurde und wird zum Sysnonym für
E-Commerce,
"Human Capital", 8000 Call-Center-Arbeitsplätze und Vor- und
Nachgelagertes
drumherum. Dortmund vielleicht in Zukunft eine
"High-Tech-Dienstleistungsmetropole". Jeder fünfte Dortmunder hat ein
Handy.
Stimmt, trotz der 17% offiziell Arbeitslosen auch eine Menge neue Jobs,
einige
tausend "Cyberlords" vielleicht auch darunter, aber noch mehr Prekäres
aller
Art bis zu den städischen DoDi(Dortmunder Dienste)-Männern. Auch alles
äußerst
abstrakte Arbeit, aber zum größten Teil kapitalunproduktiv, entweder als
High-Tech oder Low-Service im wesentlichen von der
gesamtgesellschaftlichen
Mehrwertproduktion alimentiert.
Denn das ist ja die spannende Frage auch bei "New Economy", wo findet denn
wirklich und in welchem Umfang neue Kapitalakkumaltion statt. Sind fünf
hintereinander geschaltete ISDN-Telefone schon eine Wertschöpfungskette?
Soweit es öffentlich finanziert ist, sicherlich über Steuern als Abzug vom
Einkommen im privaten, überwiegend kapitalistischen Sektor finanziert (dabei
allerdings in den letzten 20 Jahren zunehmend zu Lasten von Lohneinkommen,
oder anders gesehen als ein Eement der Steigerung der Mehrwertrate, insoweit
nur begrenzt zu Lasten der Kapitalakkumulation - wobei das Kapital natürlich
nie satt wird). Aber soweit es um kapitalistisch betriebene Dienstleistungen
geht, die von den Kunden bezahlt werden, wird da nicht nur Lohnarbeit
geleistet, sondern auch kapitalistisch wertproduktive Arbeit. In Bezug auf
Dienstleistungen, die unmittelbar Gebrauchswert für die KäuferInnen haben,
entspricht das zweifellos auch der Position von Marx (der nimmt als Beispiel
dafür einen Privatschullehrer - MEW 23, S. 532 -, aber das gilt ebenso für
Callcenter-Agents unabhängig davon, was sie da konkret tun, und wenn sie
Telefonsex anbieten). Soweit es um Finanz- und Zirkulationsdienstleistungen
geht, war Marx der Ansicht, diese seien als faux frais (Unkosten) des
gesellschaftlichen Produktionsprozesses und deshalb Abzug vom industriell
produzierten Mehrwert zu betrachten. Meines Erachtens ist diese Position und
Marx' Begründung dafür nicht überzeugend und reflektiert eine - zu seiner
Zeit vielleicht kaum vermeidbare - Borniertheit insoweit, als Marx zwar
behauptet, hier aus der Perspektive der ganzen Kapitalistenklasse zu
analysieren, tatsächlich aber von der Perspektive der industriellen Fraktion
dieser Klasse ausgeht. Kann ich bei Bedarf noch weiter ausführen.
Rote GRüße
Ralf Krämer
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44289 Dortmund
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