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Wertschoepfungsketten (war: Re: [ox] Marx und Erloesung)



Hi Sabine und alle,

es war der 1.8. als Sabine etwas zum Thema "Marx
und Erloesung" schrieb. Nach nunmehr fast 2 Wochen
will ich darauf nochmal eingehen. Ich hoffe, die
Konfusion ist nicht zu groß, zumal es schon Antworten
dazu gab. Mir kommst auch einen Zusammenhang an,
für den ich schon immer mal Leute für eine Diskussion
gesucht habe.

Ich zitiere nochmal ausführlicher. Thorsten schrieb, ich
entgegnete, Sabine sprach ein:

ehe wir das phaenomen fuer sich diskutieren,
muessten nicht zb die produktionsverhaeltnisse
seiner entstehung und wirkung, dh der (zb
makro-oekonomische) kontext untersucht werden?
dh die wertformen und wertschoepfungsketten
der arbeit an linux etc.?

Nun, man kann sich der Sache von verschiedenen
Seiten nähern. Ist die Spur die richtige, kommen
auch die richtigen Fragen, egal ob top-down oder
vice versa. Und den Begriff "Wertschöpfungketten"
gibt?s bei Marx nicht, und er macht auch keinen
Sinn. Das Kapital braucht ihn gleichwohl schon,
um Distribution berechenbar zu machen. In der
Distribution wird aber kein Wert geschaffen.

Kurzer Einspruch. Auch wenn es Wertschöpfungsketten
bei Marx nicht gibt (das war nun hoffentlich kein
Argument dagegen, oder?)....irgendwie leuchtet mir
aber ein, darüber bezüglich Linux nachzudenken. Weil:
Distribution ist im Grunde ja das gleiche wie Produktion,
also die Art der Herstellung bestimmt zugleich ihre
"Verteilung" (zumindest mal im Kapitalismus), bei jeder
Warenkette nun gibt es diese Knotenpunkte, an denen
hergestellt und vertrieben wird, Zwischenproduktion und
so und dort wird auf alle Fälle Wert gebildet, sonst gäbs
diese Zwischenproduktion nicht. Also: Die brasilianische
Kaffebohne bringt sowohl dem Plantagenbesitzer also
auch dem Röster als auch dem Händler einen Wert.
Hm? Oder? 

Das Thema ist hier: Wo kommt der Wert her? Nur aus der
Produktion oder auch aus der Distribution. Ich bin da nicht
völlig überzeugt, nehme aber hier die Position ein, das der
Wert NUR aus der Produktion (materieller Güter) kommt.
Dienstleistungen mal außen vor gelassen.

Der geschaffene Wert muß reichen, um der Distribution
einen Teil abzugeben. Historisch vertrieb ja auch der
Produzent direkt die Waren, es galt Produzent war auch
Verteiler. Trennt man die Aufgaben, will der Verteiler einen
Teil vom schon vorhandenen Wert abhaben. Das bedeutet
aber, Sabine, daß der Verteiler nicht von Käufer bezahlt
wird, sondern vom Produzenten. Dort wo Geld ist, wird
nicht unbedingt auch Wert geschaffen. Anders bei der
Zwischenproduktion: die ist auch Produktion. Auf der
Plantage wird der Bohne durch Bearbeitung Wert zugesetzt,
wie auch der Röster der Bohne Wert durch Bearbeitung
zusetzt. Der Kaffee-Dealer aber (sofern nicht auch Röster)
kriegt vom Röster einen Wertanteil in Geldform dafür ab,
das er das Zeug unter Volk bringt - den potentiellen Wert
auch realisiert.

Also: die Warenkette bei Linux........ist auf alle Fälle
nicht linear und nicht straight und nicht mehr
zurückzuverfolgen in ihre einzelnen 
"Produktionsstätten"........das ist festzuhalten. Find ich
schon wichtig. Mir ist nur noch nicht recht klar für
was....

Linux ist ja keine Ware. Aber angenommen, Linux wäre
eine, dann ist das faktische Zurückverfolgen auf die
Einzelarbeiten unwichtig. Der Tauschwert ist ein
gesellschaftliches Verhältnis - und nicht eines individueller
Waren-Gegenstände. In Linux stecke x Stunden Arbeit drin.
Wäre Linux Ware und würde auf dem Markt vertickt und
der potentielle Wert somit realisiert werden, dann wäre
Linux eben x Stunden Arbeit (=x Menge Geld) wert.
Besonders anschaulich: Die Verteilung von Linux übers
Internet z.B. trüge nix zum Wert bei. E-Commerce klaut
also nur den alten Verteiler ein Stück vom Wertkuchen,
neuer Wert wird nicht geschaffen (auch die technische 
Infrastruktur wird nur gekauft).

Nochmal Thorsten, Stefan Mz., Sabine:
bei wos war immer die rede von anerkennung ua
symbolischen gratifikationen, sind das nicht auch
tauschwerte, dh ist status, zb in der
entwicklercommunity, knowledge zu linux ua
freier software, nicht auch ein von vornherein
kapitalisierbarer tauschwert, der von den beteiligten
am markt nahezu durchgaengig realisiert wird (und
sei es als assistenz, professur etc.)?

Einfache Antwort: Nein. TW ist eine ökonomische und
keine psychologische/soziologische Kategorie.

Nich so schnell....da komm ich nicht mit...also, ich finde
schon, es sind Tauschwerte....aber keine im kapitalistischen
Sinne, daher ist es auch kein "kapitalisiserbarer" Tauschwert,
aber es ist ein "realisierbarer" TW: ich gebe, ich kriege. Auf
dieser einfachen Ebene.

Nee, diese Vermischung kannste so nich machen, sonst
siehste am Ende gar nix mehr. Eine Kategorie ist eine
analytische Brille. Mit so einer Brille sieht man bestimmte
Dinge und andere nicht. Mit TW im Marxschen Sinne kann
Du ökonomische Verhältnisse sehen, andere aber nicht.
Und dann kannste Du nicht sagen: "ich finde schon..." -
das geht nicht. Du operierst mit einem Beschreibungbegriff,
sozusagen mit der Alltagssprache. Alltagssprachlich kann
man sagen "Anerkennung" ist ein "Wert", den ich vielleicht
sogar "ummünzen" kann (Stelle kriegen, what ever). Aber
dieser alltagssprachliche "Wert" ist was ganz anderes als
die ökonomische Kategorie _Wert_. Gleiche Worte meinen
nicht die gleiche Sache, erkenntnistheoretisch mußt Du das
sauber trennen und nicht über "einfache Ebenen" (geben - 
kriegen -> tauschen -> Tauschwert) miteinander vermischen.

Wenn wir schon dabei sind, linux eine dem kapitalismus
nicht mehr funktionsgerechte Produktionsweise zumessen
zu wollen, spricht es doch gerade dafür, Kategorien aus
der Ökonomie als Maßstab zu nehmen, um Linux daran
erkennen zu können, vor allen Dingen: Erkennen zu
können, was daran "anders",  nicht-kapitalistisch ist.

Ja, genau, aber die Betonung liegt auf _ökonomische_ und auf 
_Kategorien_.

Mehr zu "Ehrenamt und Tauschwert" in einigen Tagen.

Ciao,
Stefan

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  Stefan Meretz, Duesseldorf
  Web: http://www.kritische-informatik.de
  stefan.meretz kritische-informatik.de
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